Mehrfach hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die volle Umsetzung der Richtlinie »Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik« (PPP-RL) verschoben. Zuletzt hat das von Krankenkassen und Kliniken dominierte Gremium im Oktober 2022 beschlossen, dass die Mindestvorgaben erst 2026 zu 100 Prozent eingehalten werden müssen. Zudem müssen Klinikleitungen bislang keine Sanktionen fürchten, wenn sie weniger Personal einsetzen als vorgeschrieben. Das soll laut GBA-Beschluss frühestens im kommenden Jahr der Fall sein. Die Folgen dieser Entscheidungen waren absehbar – und werden nun erneut durch eine ver.di-Befragung belegt: Die Personalausstattung der Psychiatrien liegt deutlich unter dem Niveau der Richtlinie.
2022 hatte ver.di erstmals mit einer Erhebung gezeigt, dass die Vorgaben der PPP-RL flächendeckend unterlaufen werden. Bei der Gesundheitsministerkonferenz im Juni 2022 in Magdeburg konfrontierten ver.di-Aktive die politisch Verantwortlichen mit diesem Befund – ohne messbare Folgen. Doch sie lassen nicht locker und haben im Juni dieses Jahres eine neue Befragung gestartet. Deren Ergebnisse liegen nun vor und zeigen: In Sachen Personalbesetzung hat sich in den psychiatrischen Krankenhäusern und Fachabteilungen im vergangenen Jahr nur wenig getan.
Laut der in 13 Einrichtungen auf 98 Stationen mit insgesamt fast 2.000 Betten durchgeführten Befragung wird die PPP-RL durchschnittlich zu 77 Prozent eingehalten – noch etwas weniger als 2022. Während die Quote in öffentlichen Kliniken immerhin noch bei 81 Prozent liegt, sin es in kommerziell geführten Einrichtungen sogar nur 69 Prozent.
Zugleich liegt die Auslastung in privaten Häusern mit 85 Prozent (Vorjahr 87 Prozent) deutlich niedriger als in öffentlichen Kliniken, die mit 101 Prozent voll ausgelastet sind. »Offensichtlich fällt es profitorientierten Trägern schwer, genug Personal zu gewinnen, um ihrem Versorgungsauftrag voll gerecht zu werden«, kommentiert Heiko Piekorz, der bei ver.di für die Beschäftigten der Psychiatrien zuständig ist. »Gemessen an der PPP-RL, die ja eigentlich eine Mindestbesetzung darstellt, ist überall zu wenig Personal auf den Stationen – ganz besonders in den kommerziellen Einrichtungen.«
Für 18 Behandlungsplätze standen in den beteiligten Abteilungen im Tagesdienst durchschnittlich 6,84 Vollkräfte zur Verfügung. Um die PPP-RL vollständig zu erfüllen, hätten es durchschnittlich 8,40 Vollkräfte sein müssen – anderthalb mehr. Selbst um die bislang vorgeschriebenen 90 Prozent der Richtlinie zu erreichen, wären deutlich mehr, nämlich 7,56 Vollkräfte im Tagesdienst erforderlich gewesen.
Die Umsetzungsgrade sind je nach Berufsgruppe sehr unterschiedlich. Während die Vorgaben bei Sozialarbeiter*innen im Durchschnitt erfüllt und bei den Psychotherapeut*innen sogar deutlich übererfüllt werden, werden sie bei allen anderen Beschäftigtengruppen unterschritten. Bei Pflegefachpersonen liegt der Umsetzungsgrad bei 81 Prozent.
Etwas geringer geworden ist das Problem zu großer Stationen. Hatten Stationen in der Erwachsenenpsychiatrie laut Erhebung 2022 noch durchschnittlich 22 Behandlungsplätze, sind es nun 20. Das sind allerdings immer noch mehr als die in der PPP-RL empfohlenen 18 Plätze. Vor allem aber sind dies Durchschnittswerte. Einige Stationen werden weiterhin mit bis zu 36 Betten betrieben. »Sehr große Stationen und vor allem die personelle Unterbesetzung haben gravierende negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität und die Arbeitsbedingungen«, betont Piekorz. »Die Überlastung verstärkt die Berufsflucht, was wiederum den Personalmangel verschärft – aus diesem Teufelskreis müssen wir endlich ausbrechen.«
Dafür müsse die PPP-RL endlich »scharf geschaltet« werden, so dass bei Unterschreitung Sanktionen fällig werden. »Sonst stehen die Vorgaben nur auf dem Papier und entfalten in der Praxis keine ausreichende Wirkung.« Zudem dürfe die volle Erfüllung der Mindestvorgaben nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden, fordert der Gewerkschafter. »Im Interesse der Patient*innen, der Beschäftigten und für eine humane Psychiatrie braucht es bedarfsgerechte und verbindliche Personalvorgaben«, erklärt Piekorz. »Das machen wir auch bei der diesjährigen Gesundheitsministerkonferenz in Friedrichshafen und darüber hinaus weiter zum Thema.«