Neue Rolle, gleiche Ziele

Heiko Piekorz ist bei ver.di jetzt für Psychiatrien, Servicebetriebe und den Ameos-Konzern zuständig – und kann dabei auf viele betriebliche Erfahrungen zurückgreifen.
17.01.2022
Heiko Piekorz in der ver.di-Bundesverwaltung zuständig für Psychiatrien, Servicebetriebe und den Ameos-Konzern

Wie nötig es für Beschäftigte ist, sich für die Durchsetzung gemeinsamer Interessen zusammenzutun, hat Heiko Piekorz in seinem Leben schon oft erfahren. Viele Jahre setzte sich der gelernte Krankenpfleger als Betriebsrat und Gewerkschafter für seine Kolleg*innen im Asklepios Fachklinikum Lübben ein. Seit dem 1. Januar 2022 ist er in der ver.di-Bundesverwaltung für Psychiatrien, Servicebetriebe und den Ameos-Konzern zuständig – und kann dabei auf seine betrieblichen Erfahrungen zurückgreifen.

Als Heiko Piekorz vor 28 Jahren das Examen zum Krankenpfleger ablegte, war sein Arbeitgeber noch das Land Brandenburg und sein Betrieb eine landeseigene Klinik. Doch 2006 entschied die SPD-CDU-Landesregierung, die insgesamt vier psychiatrischen Fachkliniken im Land zu privatisieren. Die Häuser in Lübben, Teupitz und Brandenburg an der Havel gingen an den Asklepios-Konzern, der für seinen rabiaten Umgang mit Arbeitnehmerrechten bekannt ist. Vom Verkauf hatte das Land auch ein Sozialtarifvertrag nicht abgehalten, mit dem die Beschäftigten auf Lohn verzichteten, um ihre Arbeitsplätze in öffentlicher Trägerschaft zu erhalten.

 

Gewerkschaftsmitglied war Heiko Piekorz schon einige Jahre zuvor geworden. Die Privatisierung gab für ihn den Ausschlag, sich stärker einzubringen. »Mir war klar, dass es rauer werden würde und wir etwas tun müssen, um unsere Interessen zu verteidigen«, blickt der heute 48-Jährige zurück. Er wurde in den neu gegründeten Betriebsrat gewählt, später auch in den Gesamtbetriebsrat und den Konzernbetriebsrat von Asklepios. »Diese Zusammenarbeit mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen anderer Standorte ist immens wichtig«, bilanziert er. »Als Beschäftigtenvertreter braucht man ein gutes Netzwerk zum Wissens- und Erfahrungsaustausch – und einen engen Kontakt zur Gewerkschaft.«

Mit ver.di setzten sich die Brandenburger Kolleg*innen für die Aufnahme von Tarifverhandlungen ein. Denn in den Jahren nach der Privatisierung herrschten innerhalb der Belegschaften ganz unterschiedliche Bedingungen: Für die meisten galt der alte Bundesangestelltentarifvertrag, der BAT-Ost, allerdings statisch, also bei eingefrorenen Entgelten. Einige hatten in ihren Arbeitsverträgen hingegen eine Bezugnahme zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Neueingestellte wurden zumeist nicht mehr im Klinikum, sondern bei einer konzerneigenen Leiharbeitsfirma angestellt – zu deutlich schlechteren Konditionen. »Zeitweise hatten wir bis zu 40 Prozent Leiharbeiter. Diese Zustände haben viele motiviert, sich zu wehren«, so Heiko Piekorz. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad stieg auf 45 Prozent. Etliche beteiligten sich immer wieder an aktiven Mittagspausen und anderen Aktionen, bis Asklepios 2013 schließlich einen Haustarifvertrag akzeptierte. Und auch danach blieben die Brandenburger Asklepios-Beschäftigten dran und erreichten nach und nach Verbesserungen – zuletzt mit einem nach 29 Streiktagen erzielten Tarifabschluss im November 2021.

 
Lange Jahre stritt Heiko Piekorz für gute Arbeitsbedingungen bei Asklepios (hier bei einer Aktion am Rande der ver.di-Krankenhaustagung am 12. November 2021 in Berlin).

Ebenfalls erfolgreich waren Heiko Piekorz und seine Kolleg*innen in ihrem Kampf gegen die ausufernde Leiharbeit. Unter anderem wandte sich der Asklepios-Konzernbetriebsrat mit einer Petition an den Bundestag und trug so zu einer Gesetzesänderung bei, die der Praxis konzerneigener Leiharbeitsfirmen einen Riegel vorschob. Daraufhin konnten die Betriebsräte erfolgreich Klagen einreichen, die zuvor stets abgewiesen worden waren. Letztlich gab Asklepios nach und reduzierte den Einsatz von Leihbeschäftigten in den Brandenburger Kliniken auf ein tolerierbares Maß.

Auch eine vom Unternehmen geplante Umstrukturierung – mit der alle Neueingestellten bei einer separaten Personalservicegesellschaft angestellt werden sollten – konnten die Betriebsräte verhindern. Sie verwiesen erfolgreich auf ein Landesgesetz, das die Übertragung hoheitlicher Aufgaben – wie die Durchführung von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie – nur an Klinikangestellte erlaubt.

»Bei all diesen Kämpfen und auch bei meiner Tätigkeit im Asklepios-Aufsichtsrat habe ich gelernt, wie wichtig die überbetriebliche und die politische Arbeit sind. Als Betriebsrat kann man einiges machen, aber außerdem braucht es den Druck auf politischer Ebene und eine einflussreiche Gewerkschaft«, sagt Heiko Piekorz. Genau dafür wird er in seiner neuen Funktion arbeiten. In den Psychiatrien gehe es in den kommenden Monaten weiter darum, die Richtlinie »Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik« (PPP-RL) endlich überall verbindlich umzusetzen und weiterzuentwickeln. In etlichen Einrichtungen werde die Personalvorgabe unterlaufen – zu Lasten der Beschäftigten und der Versorgungsqualität. Zudem müssten sie bedarfsgerecht weiterentwickelt werden.

 

»Es ist absolut wichtig, dass genug Personal auf den Stationen ist«, betont der Gewerkschafter und macht das am Beispiel der zunehmenden Gewalt in psychiatrischen Einrichtungen deutlich: »Wenn die Zeit da ist, auf die Menschen einzugehen und problematische Situationen so frühzeitig zu entschärfen, können Zwangsmaßnahmen oft vermieden und Gewalt verhindert werden. Eine humane Psychiatrie braucht eine bedarfsgerechte Personalausstattung.« Vor diesem Hintergrund sei es fatal, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen hat, dass es auch 2022 keine Sanktionen geben soll, wenn Einrichtungen weniger Personal einsetzen als in der PPP-RL vorgeschrieben. »Die Richtlinie droht, zum Papiertiger zu werden. Das dürfen wir nicht zulassen.«

In den Servicebetrieben stehe ver.di vor der Herausforderung, unter oft schwierigen Bedingungen für gute Tarifverträge zu streiten – wie es zuletzt in Kiel, Nürnberg und Berlin gelungen ist. Heiko Piekorz: »Es muss endlich wieder gelten: Ein Betrieb, eine Belegschaft, ein Tarifvertrag – dafür werde ich mich auch in der neuen Rolle mit aller Kraft einsetzen.«

 

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