Interessenvertretungen der großen deutschen Reha-Einrichtungen haben sich in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt. Sie fordern eine Stärkung der Reha. Bessere Bedingungen in Reha-Einrichtungen seien zwingend notwendig, damit sich ausreichend Personal fände, um eine qualitativ gute Versorgung sicherzustellen. Als Betriebsräte von Reha-Betreibern wie Median, Celenus, Vamed und Sana vertreten die Unterzeichner*innen mehrere tausend Beschäftigte.
Der Brief im Wortlaut:
An den Gesundheitsminister Jens Spahn und die gesundheitspolitischen Sprecher*innen der Fraktionen
Die Arbeit in Reha-Einrichtungen hat gesellschaftlich eine hohe Bedeutung. Durch sie kann die Erwerbsfähigkeit vieler Beschäftigter erhalten werden, Pflegebedürftigkeit wird verringert und die Lebensqualität verbessert. Da die Menschen heute älter werden und länger arbeiten müssen, sind immer mehr Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen erwerbstätig. Die Reha gewinnt dadurch an Relevanz.
Rehabilitation ist ein beschäftigungsintensiver Prozess, bei dem ein professionelles interdisziplinäres Team aus Therapeut*innen, Pflegekräften, Ärzt*innen und Personal im Servicebereich zusammenarbeitet. Die Anforderungen an die Beschäftigten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Anschlussheilbehandlungen und Pflegebedarf nehmen zu, nicht zuletzt aufgrund kürzerer Verweildauern in den Akut-Krankenhäusern. Zudem leiden immer mehr Rehabilitand*innen an Mehrfacherkrankungen. Diese Entwicklungen spiegeln sich nicht in der Personalausstattung wider, weshalb die Arbeitsbelastung zunimmt.
Für die Arbeitgeber ist es aufgrund der vergleichsweise schlechten Bezahlung in vielen Reha-Einrichtungen zunehmend schwierig, Pflegekräfte, Ärzt*innen, Psycholog*innen, Psycho-, Physio- und Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen und andere Fachkräfte für freie Stellen zu finden. 2018 hat der Gesetzgeber das Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) verabschiedet, das mit der Refinanzierung von Tariflöhnen und der Herauslösung der Pflege aus den DRGs im Akutbereich positive Ansätze enthält. Es ist wahrscheinlich, dass das PpSG die Sogwirkung von Pflegepersonal aus den Reha-Einrichtungen in Akut-Krankhäuser noch verstärkt. Wir befürchten, dass der Personalmangel zu einem weiteren Qualitätsverlust der Reha-Leistungen und einer weiteren Zunahme der Arbeitsbelastung der Beschäftigten führt. Wir fordern deshalb die Politik auf, die Reha im Interesse von Rehabilitand*innen und Beschäftigten zu stärken und die Rahmenbedingungen zu verbessern. Folgende Handlungsfelder sind uns besonders wichtig:
Verbesserung der Aus- und Weiterbildung: Wir begrüßen, dass der Gesetzgeber eine Neuordnung der Gesundheitsfachberufe in Angriff nimmt. Die Abschaffung des Schulgeldes ist ein wichtiger Schritt, um die Attraktivität der Ausbildung zu erhöhen und Fachkräfte zu sichern. Eine vollständige Kostenfreiheit für alle Gesundheitsberufe ist für uns elementar. Darüber hinaus fordern wir, den Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung gesetzlich zu verankern. Auch muss die Qualität der Ausbildung deutlich verbessert werden. Wir fordern verbindliche bundeseinheitliche Vorgaben für die praktische und theoretische Ausbildung. Zudem muss die Praxisanleitung während der Ausbildung gestärkt werden.
Schon heute werden viele Inhalte aus Weiterbildungsangeboten während der Ausbildung vermittelt. Diese Inhalte müssen künftig auch von den Leistungsträgern anerkannt werden. Weiterbildungsangebote, die nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung absolviert werden, müssen vom Arbeitgeber durch Freistellung und Kostenübernahme unterstützt werden, da sie zum großen Teil Voraussetzung für die Abrechnung mit den Kostenträgern sind.
Mehr Personal: Laut einer Befragung betrieblicher Interessenvertretungen im Jahr 2019 hat sowohl in der Pflege als auch im therapeutischen Bereich die Arbeitsverdichtung und Arbeitsintensität zugenommen. In der Pflege spielen Überstunden eine stärkere Bedeutung. Therapeut*innen berichten, dass die Therapieeinheiten kürzer werden oder aufgrund von Personalmangel nur noch Gruppentherapien stattfinden können. Wir finden: Es bedarf dringend ausreichend Zeit für die Behandlung und Dokumentation. Auch Einzeltherapien müssen möglich sein, wo sie für die Gesundung des Einzelnen sinnvoller sind. Wir fordern deshalb eine einheitliche Personalausstattung, die sich am tatsächlichen Bedarf bemisst.
Faire Löhne: Die Verdienstmöglichkeiten sind in vielen Reha-Kliniken sehr gering. Es gibt Einrichtungen, in denen Beschäftigte mehrere hunderte Euro weniger verdienen als ihre Kolleg*innen im Akut-Krankenhaus des gleichen Trägers – räumlich nur durch eine Glastür getrennt. Für staatlich anerkannte Therapeut*innen sind Einstiegsgehälter unter 2.000 Euro brutto leider keine Ausnahme. Diese miserable Bezahlung ist ein wesentlicher Grund dafür, dass viele Einrichtungen nicht ausreichend Personal finden. Damit die Arbeit in der Rehabilitation für Beschäftigte attraktiv ist, bedarf es einer angemessenen Bezahlung, die sich am TVöD orientiert. Der Gesetzgeber muss sich dafür einsetzen, dass die Bezahlung von Tariflöhnen durch die Leistungserbringer nachgewiesen und durch die Kostenträger vollständig refinanziert wird.
Auskömmliche, zweckgebundene Finanzierung: Insbesondere kleinere Einrichtungen mussten in den vergangenen Jahren schließen, weil sie dem Kostendruck und Verdrängungswettbewerb nicht standhalten konnten. Hingegen konnten große Reha-Konzerne, die intern einen rigiden Sparkurs fahren, expandieren und beachtliche Gewinne erzielen. Einige dieser Unternehmen fallen dadurch auf, dass sie geltende Mitbestimmungsgesetze ignorieren und sich gegenüber der Gewerkschaft feindlich verhalten. Wir betrachten dies mit großer Sorge.
So werden Beiträge aus unserem Sozialversicherungssystem abgeschöpft, um Renditeerwartungen der Anleger zu erfüllen. Dabei ist dieses Geld dringend nötig, um die Qualität der Leistungen zu verbessern, gut bezahlte Fachkräfte zu akquirieren, den Investitionsstau abzubauen und in die Aus- und Weiterbildung zu investieren. Deshalb fordern wir eine auskömmliche Finanzierung, die zweckgebunden sein muss. Jene Unternehmen, die ihr Personal anständig bezahlen und eine hochwertige Leistung erbringen, sollten hiervon auch profitieren.
Unterzeichner*innen des Briefes sind Betriebsräte und eine Mitarbeitervertretung, die Beschäftigte im Reha-Bereich vertreten. Einige der Unternehmen sind reine Reha-Einrichtungen, andere Mischunternehmen.
Behindertenhilfe, Teilhabe- und Inklusionsdienste
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