Wirtschaftlichkeit und »Gute Arbeit« ein Widerspruch? Unter diesem Motto trafen sich Personalratsmitglieder aus Rehakliniken der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) in Saalfeld. In einem Seminar vom FB 4 in Zusammenarbeit mit dem Institut für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung (BAB) wurden Handlungsmöglichkeiten für die Interessenvertretungsarbeit erarbeitet, um belastenden Arbeitsbedingungen wirkungsvoll begegnen und Veränderungsprozesse aktiv begleiten zu können.
Im Mittelpunkt der Fortbildung stand der Zusammenhang aktueller Managementstrategien und zunehmender Belastungen in der Arbeitswelt der Rehakliniken. Diese sind vielerorts bedingt durch Sparmaßnahmen wie z.B. Outsourcing oder Nichtbesetzung offener Stellen. All das führt zu Arbeitsverdichtung und Verunsicherung der Kolleginnen und Kollegen. Alle Berufsgruppen in den Rehakliniken sind heute erheblich höher belastet als früher.
Die Beschäftigten haben bereits jetzt die durchgeführten Sparmaßnahmen mit einer gewaltigen Arbeitsverdichtung bezahlt. Dabei ist Reha an sich schon wirtschaftlich! Volkswirtschaftlich betrachtet kann Reha Pflegebedürftigkeit drastisch reduzieren und dazu beitragen, dem prognostizierten Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten verlängert wird. Der aktuelle Spardruck ist gesamtökonomisch betrachtet kurzsichtig.
Die DRV hat sich ein hochkomplexes Benchmark-Instrumentarium einfallen lassen. Beim sogenannten Modell der Marktpreisbandbreiten müssen die einzelnen regionalen Träger der DRV an den DRV Bund die jeweiligen an die Vertragskliniken gezahlten Preise und die zugehörige Anzahl von Pflegetagen senden. Aus diesen Marktpreisen ermittelt die DRV Bund die Marktpreisbandbreite (höchster und niedrigster Preis je Indikation). Aufgrund der durch Einzelfälle bedingten erheblichen Spannbreite dieser Preise werden die unteren und oberen 10% aus dem Vergleich heraus genommen.
Ende 2015 gab es insgesamt 1.152 Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit insgesamt rund 165.000 aufgestellten Betten und etwa 120.400 Beschäftigten (90.500 VK). Fast zwei Drittel der Betten (65,8%) befanden sich in privater, 18,6% in öffentlicher und 15,6% in freigemeinnütziger Trägerschaft (Stat. Bundesamt, Grunddaten der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Fachserie 12 Reihe 6.1.2).
Die 16 Träger der Deutschen Rentenversicherung betreiben 94 eigene Rehazentren, Kliniken und Tageskliniken mit zusammen etwa 13.300 Beschäftigten und etwa 19.000 Betten/ambulanten Plätzen.
Für die jeweilige rentenversicherungseigene Klinik wird ein Ist-Pflegesatz für stationäre Reha-Leistungen ermittelt, indem die Gesamtaufwendungen für stationäre Reha-Leistungen durch die Zahl der Pflegetage dividiert werden. Falls nun der eigene Pflegesatz über der Marktpreisbandbreite liegt, ist die Leitung der Reha-Einrichtung dazu angehalten Kosteneinsparungs- und Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen. Hier wird in den Einrichtungen verstärkt vom Outsourcing Gebrauch gemacht, und zwar nicht nur die »klassischen« Bereiche wie Reinigung und Wäscheversorgung, sondern immer häufiger auch Kernbereiche wie z.B. Labor und Röntgen.
Die Personalräte der DRV und ver.di sind sich darüber im klaren, dass sie sich gemeinsam mit den Beschäftigten dem Druck, den die Arbeitgeber machen, stellen müssen. Dazu haben sie im Seminar erste Anforderungen entwickelt, wie eine Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen stattfinden sollte. Das Ziel, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, ausschließlich als Programm zur Senkung der Personalkosten zu verstehen und somit auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen, wird von den DRV-Personalräten abgelehnt. Ein qualifiziertes Personalmanagement, welches anstehende Veränderungen begleitet, muss her! Im Seminar wurden in diesem Sinne erste Ansatzpunkte für eigene Alternativen entwickelt.
Dazu gehören Themen wie Sicherung der Mitbestimmungsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten der Interessenvertretung bei angedachten Umstrukturierungen, z.B. durch Abschluss von Dienstvereinbarungen, oder auch Einrichtung von Gremien, die einem Wirtschaftsausschuss entsprechen, um erst einmal Transparenz über die ökonomische Lage zu schaffen. Dazu gehört auch, sich gut zu vernetzen, damit nicht Einrichtungen und Gremien gegeneinander ausgespielt werden.
Zum einen soll eigener Sachverstand entwickelt werden, zum anderen wird bei bestimmten Fachthemen auch externer Sachverstand benötigt. Für viele Personalratsmitglieder ist es Neuland, sich mit Betriebswirtschaft und Outsourcing zu befassen. Seitens der Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden die Erwartungen übertroffen. Durch die strukturierte und ergebnisorientierte Moderation von BAB, das Arbeiten in Arbeitsgruppen und den offenen Austausch konnte man viele Themen konstruktiv bearbeiten, gemeinsam Lösungsvorschläge entwickeln und eine Reihe von Verabredungen treffen.
Neben den tarifpolitischen und betrieblichen Aufgaben sind auch weiterhin die Kostenträger und die Politik gefordert, auf Basis der allgemeinen demografischen Entwicklung und des Nutzens von Rehabilitation auch eine Aufstockung des Reha-Budgets umzusetzen. Weitere Seminare und Tagungen zu dem Thema sind geplant.
Rolf Behrens, FB 4, ver.di-Bundesverwaltung, Sabine Baldauf und Timo Balmberger, BAB
Bereichsleiter Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft
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