Kündigungen bei Celenus

Fassungslos, wütend, kämpferisch

Die zwei entlassenen Gewerkschafterinnen an der Celenus-Klinik im thüringischen Bad Langensalza wollen nicht klein beigeben. Große Solidarität aus dem ganzen Bundesgebiet.
27.04.2018
Heike Schmidt, 59, von CELENUS vor die Tür gesetzt

Heike Schmidt kann immer noch nicht fassen, was an der Celenus-Klinik an der Salza in Bad Langensalza gerade passiert. Sie und ihre Kollegin Carmen Laue haben eine fristlose Kündigung erhalten – nach 20 Jahren tadelloser Arbeit. »Wir waren vom ersten Tag an dabei, haben die Klinik mit aufgebaut«, sagt die Physiotherapeutin Heike Schmidt. »Und jetzt das!«

Als Anlass – besser wohl: als Vorwand – diente der Klinikleitung, dass die Gewerkschafterinnen Flugblätter verteilt hatten, um Patientinnen und Patienten über die seit Monaten laufenden Streiks aufzuklären. Nach Feierabend und in Privatkleidung. Für den ver.di-Landesfachbereichsleiter Bernd Becker ist das ein unglaublicher Vorgang. »Es geht hier nicht um irgendein Fehlverhalten der Kolleginnen«, ist er überzeugt. »Ziel ist es ganz offensichtlich, die Beschäftigten einzuschüchtern, die nichts anderes tun, als ihre Grundrechte wahrzunehmen.«

 
Heike Schmidt und Carmen Laue vor der Celenus-Klinik

Doch bei Heike Schmidt und Carmen Laue geht dieses Kalkül nicht auf. »Die setzen darauf, dass uns die Luft ausgeht, aber das können sie vergessen«, sagt Carmen Laue, die als Masseurin/medizinische Bademeisterin in der Reha-Klinik arbeitet. »Wir haben nichts Falsches getan, das lassen wir uns nicht gefallen.« Notfalls wollen sie durch alle Instanzen klagen.

Von ihren Kolleginnen und Kollegen haben sie volle Rückendeckung. Einstimmig widersprach der Betriebsrat der Kündigung. »Wir sind durch all die Attacken der vergangenen Monate nur noch enger zusammengerückt«, berichtet Carmen Laue. Denn dies ist nicht der erste Versuch des privaten Klinikbetreibers, die widerständige Belegschaft in Bad Langensalza einzuschüchtern. Mehrfach versuchte er, die Streiks vom Gericht untersagen zu lassen – und scheiterte.

 

»Ich kann gar nicht glauben, dass so etwas in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat möglich ist.«

Heike Schmidt (59), Physiotherapeutin

Die 59-jährige Heike Schmidt findet das Vorgehen ihres Arbeitgebers erschütternd. »Ich kann gar nicht glauben, dass so etwas in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat möglich ist«, so die ehemalige DDR-Bürgerin. »Ich konnte schon damals meinen Mund nicht halten, und das werde ich jetzt auch nicht.« Ihre Kollegin Carmen Laue sieht das genauso. Gemeinsam wollen sie erreichen, dass in Bad Langensalza endlich angemessene Löhne gezahlt werden. Zur Zeit liegen die Entgelte nach ver.di-Berechnungen um bis zu 42 Prozent unter dem, was in den Kliniken der Deutschen Rentenversicherung bezahlt wird. In Bad Langensalza verdienen viele Beschäftigte kaum mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Die Belegschaft streitet deshalb für einen Tarifvertrag, der deutliche Einkommensverbesserungen bringen soll.

Ohne Lohnerhöhungen droht Altersarmut

Ursprünglich arbeitete Carmen Laue als Kinderkrankenschwester. Doch der Schichtdienst ließ sich nicht mit der Betreuung ihrer beiden Söhne vereinbaren, die mittlerweile erwachsen sind. Deshalb schulte sie Mitte der 1990er-Jahre zur Masseurin/medizinischen Bademeisterin um. Immer wieder besuchte sie auf eigene Kosten Fortbildungen. »Ich mache meine Arbeit total gern«, sagt die 55-Jährige. »Aber sie muss auch mal honoriert werden«, findet sie. »Wenn ich nicht bald mehr verdiene, muss ich als Rentnerin zum Sozialamt gehen. Und das nach all den Jahren harter Arbeit.«

 
Carmen Laue (55)

»Die haben mich wie eine Kriminelle behandelt, das hat sich furchtbar angefühlt.«

Carmen Laue (55), Masseurin/medizinische Bademeisterin

An den 4. April erinnert sich Carmen Laue nur ungern. Am Ende ihrer Schicht kam der Klinikdirektor in den Behandlungsraum und verkündete mit einem süffisanten Lächeln, sie sei entlassen. Der Hausmeister führte sie zu ihrem Spind, sie musste sofort ihre Sachen packen und das Klinikgelände verlassen. »Die haben mich wie eine Kriminelle behandelt«, berichtet die Masseurin. »Das hat sich furchtbar angefühlt.«

Vom Arbeitsamt sollen beide nun drei Monate gesperrt werden. Ein Vierteljahr ohne Einkommen. »Das lässt einen schon schlecht schlafen«, sagt Heike Schmidt. Sie und ihre Kollegin werden von ver.di finanziell unterstützt, damit sie in dieser Zeit über die Runden kommen. »Ohne unsere Gewerkschaft würden wir hier überhaupt nichts bewegen«, ist sich die Physiotherapeutin sicher.

 
Die Celenus-Belegschaft hält zusammen und wehrt sich gegen die Kündigung ihrer zwei Kolleginnen

»Sie attackieren diese zwei Kolleginnen, aber sie meinen uns alle«

Bernd Becker, ver.di-Landesfachbereichsleiter

Auch für die enorme Solidarität, die ihnen von überall her entgegenschlägt, sind die beiden Mitglieder der ver.di-Tarifkommission sehr dankbar. Aus der ganzen Republik kommen Solidaritäts-Fotos und -Botschaften. »Das ist überwältigend, unfassbar«, freut sich Carmen Laue. »Es motiviert uns, weiter zu kämpfen.«

Für Bernd Becker ist die Solidarität nicht nur wegen der persönlichen Schicksale wichtig. »Sie attackieren diese zwei Kolleginnen, aber sie meinen uns alle«, betont der Gewerkschafter. »Deshalb werden wir gemeinsam dafür sorgen, dass Celenus damit nicht durchkommt.«

 

Protestschreiben und Solidaritätsadressen liegen unter anderem vor von: MEDIAN Klinik Bad Tennstedt, Tarifkommission MEDIAN West, UK Essen, Caritasverband Meppen, ver.di Ortsverein Jena, ver.di Ortsverein Gohta, ver.di Bezirksvorstand Thüringen, ver.di Ortsverein Nordhausen, DGB Landesverband Hessen/Thüringen, Mediclin Hedon Klinik Lingen, Stahlgruber GmbH Gera, die Kolleginnen und Kollegen des Netzwerk Nordthüringen, Schilder Nordhausen, Celenus Klinik Teufelsbad in Blankenburg, Kreisklinik Groß-Gerau GmbH, Südharz Klinikum Nordhausen gGmbH, SPD-Landtagsfraktion, Partei die Linken Meiningen, Kreistagsfraktion die Linken Mühlhausen, der Sozialausschuss des Kreistages Mühlhausen und der Stadt Bad Langensalza, BR DRK Nordhausen, DGB Bildungswerk Thüringen, Helios Fachkliniken HBN Hildburghausen, TK Helios Pirna u. Freital, ver.di-Landesfachbereichsvorstand SAT, Bundesfachbereichsvorstand ver.di-Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen, ver.di BBZ Berlin, ver.di Bildungsstätte Saalfeld, Rezeptionsdienst Axel Spottke, Michael May Arbeitsplatzform des Internationalistischen Bündnis Moers, AWO Sachsen Kliniken Nordoberpfalz, AG Linke Fraktion Thü.Landtag J.Kayser Axel Gerlach, Dresdner Verkehrsbetriebe AG, DGB Jugend Erfurt, ver.di Kolleginnen und Kollegen aus Offenburg beiner Spontandemo zur CELENUS Zentrale in Offenburg

 

Hintergrund: Klinik an der Salza in Bad Langensalza

Die Klinik an der Salza in Bad Langensalza gehört zur Celenus Kliniken GmbH mit Sitz in Offenburg. Das Unternehmen betreibt in Deutschland zurzeit 17 Kliniken und hält seit 2017 auch die Mehrheit an der inoges Holding GmbH mit der Marke Savea mit 30 Standorten im Bereich der ambulanten Rehabilitation. Eigentümer ist die Orpea-Gruppe mit Sitz in Frankreich, die europaweit etwa 790 Standorte mit 82.900 Betten hat, davon 165 Standorte mit rund 17.600 Betten in Deutschland.

 

Auch interessant

1/12