Beschäftigte des MZG in Bad Lippspringe müssen seit vielen Jahren mit weniger Gehalt auskommen als andere Gesundheitsbeschäftigte der Region. Jetzt setzen sie sich zur Wehr.
»Wir helfen jeden Tag anderen – jetzt müssen wir auch uns selbst helfen«, sagt die Logopädin Silja Discher. Seit über 20 Jahren arbeitet sie in einer Reha-Klinik des Medizinischen Zentrums für Gesundheit (MZG) im ostwestfälischen Bad Lippspringe. Das allerdings zur deutlich schlechteren Konditionen als in allen anderen kommunalen Gesundheitseinrichtungen der Region. In diesen gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), im MZG liegen die Gehälter um durchschnittlich mehr als zwölf Prozent darunter. Die Beschäftigten der Akut- und Reha-Kliniken wollen sich das nicht länger gefallen lassen und gehen auf die Straße. Im Mai legten an drei Tagen jeweils über 200 Kolleginnen und Kollegen die Arbeit nieder. Falls sich der kommunale Arbeitgeber nicht bewegt, folgt bald die Urabstimmung über einen unbefristeten Arbeitskampf.
»All die Jahre haben wir weniger verdient als andere. Diese Ungerechtigkeit führt zu großer Erbitterung«, beschreibt Silja Discher die Stimmung in der Belegschaft. »Man hat einfach das Gefühl, ausgenutzt und nicht wertgeschätzt zu werden.« Zur Jahrhundertwende waren die Tarife im MZG abgesenkt worden, um trotz wirtschaftlicher Probleme die Einrichtungen und Arbeitsplätze zu erhalten. »Das ist dann einfach so geblieben, ganz unabhängig von der wirtschaftlichen Lage. Immer wenn wir in Tarifverhandlungen Forderungen gestellt haben, ging es dem MZG plötzlich wieder ganz schlecht.« Und auch jetzt heißt es, die geforderte Angleichung an den TVöD für alle 1.400 Beschäftigten koste sieben Millionen Euro und sei aktuell nicht bezahlbar. Andernfalls könne der geplante Neubau des Freibads in Bad Lippspringe nicht umgesetzt werden.
»Wenn der Arbeitgeber jetzt versucht, hier einen Keil reinzutreiben, dann ist das so, als würde man ein Loch in ein Boot schlagen – mit den absehbaren Folgen.«
»Das ist ein plumper Spaltungsversuch«, kritisiert die ver.di-Verhandlungsführerin Walburga Erichsmeier. »Seit Jahren müssen die MZG-Beschäftigten Investitionen aus ihren Gehältern finanzieren, dabei ist das Aufgabe von Stadt und Land.« Niemand komme auf die Idee, die Sanierung des Rathauses über Gehaltskürzungen beim Bürgermeister und den Rathausangestellten zu bezahlen, doch in den Kliniken sei das Gang und Gäbe.
Der Arbeitgeber versuche zudem, die Beschäftigten der zum MZG gehörenden Akutklinik gegen die Kolleg*innen in den Reha-Einrichtungen und die verschiedenen Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen. So wurde die Bezahlung der Pflegekräfte über Zulagen auf das Niveau der TVöD-Entgelttabelle angehoben, während andere Berufsgruppen noch auf Jahre hinaus schlechter entlohnt werden sollen. »Alle Kolleginnen und Kollegen müssen nach dem TVöD bezahlt werden«, fordert Erichsmeier. Auch für die Pflegekräfte würde dies deutliche Verbesserungen bedeuten, da es im aktuellen Haustarifvertrag weder die Entgeltstufe 6 noch eine Jahressonderzahlung oder eine Pflegezulage gibt. Bei anderen Beschäftigtengruppen sei die Diskrepanz noch größer, besonders im Reinigung- und Versorgungsbereich, die derzeit nicht tarifgebunden sind.
»Die gute Zusammenarbeit aller ist die Grundlage für das MZG«, erklärt Silja Discher. »Wenn der Arbeitgeber jetzt versucht, hier einen Keil reinzutreiben, dann ist das so, als würde man ein Loch in ein Boot schlagen – mit den absehbaren Folgen.« Die Logopädin berichtet, dass schon etliche Kolleg*innen wegen der unzureichenden Bezahlung ihre Stelle aufgegeben haben. Im acht Kilometer entfernten Paderborn erhalte eine Vollzeitkraft meist rund 500 Euro mehr im Monat. »Wer eine Familie ernähren muss, der kann sich auf Dauer schlicht nicht leisten, hier zu arbeiten.«
Silja Discher und ihre Mitstreiter*innen sind fest entschlossen, das zu ändern – und zwar jetzt. »Wenn der TVöD erst in einigen Jahren kommt, bin ich vorher im Ruhestand«, sagt die 61-Jährige, die wegen der langjährigen Unterbezahlung ohnehin nur eine geringe Rente zu erwarten hat. »Verzichtet haben wir lang genug. Jetzt sind wir dran!«
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