Kommunaler Rettungsdienst

    »Die 48-Stunden-Woche ist von gestern«

    31.05.2022

    Roland ist Not­fall­sa­ni­tä­ter im kom­mu­na­len Ret­tungs­dienst und Betriebsrat. Im Portrait spricht er über die Wochenarbeitszeit, steigende Einsatzzahlen, die Arbeit während Corona und vieles mehr.

     
    Roland ist Notfallsanitäter im kommunalen Rettungsdienst

    Ich bin Roland, 52 Jahre alt und arbeite beim Kreis Lippe / Ostwestfalen in der Abteilung Bevölkerungsschutz als Notfallsanitäter. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Auf dem Rettungswagen bin ich jetzt seit ungefähr 25 Jahren.

    Angestellt bin ich bei der Kommune, aber der Betreiber des Rettungsdienstes ist der Landkreis. Im gesamten Kreis sind wir – mit allen Rettungswachen auch in den Kleinstädten drum herum – insgesamt knapp über 120 Leute. 

    Hier im Ort sind wir eine kleine Rettungswache mit einem Rettungswagen, der sieben Tage die Woche, rund um die Uhr mit zwei Leuten besetzt ist. Auf der Wache sind wir acht bis zehn Kolleg*innen und decken mit diese Personalstärke auch Krankheitsfälle und Urlaube ab. Wir haben hier im Ort keine eigenen Notärzt*innen, sondern sie werden gerufen, wenn benötigt. In den Städten ist das anders. 

    Als „Zivi“ zum Rettungsdienst – und dort geblieben

    Ich bin eher zufällig beim Rettungsdienst gelandet. Ich habe – wie fast alle hier in meinem Alter – mit dem Zivildienst angefangen. Eigentlich wollte ich zum Behindertenfahrdienst, aber da war gerade nichts frei. Als ich gefragt wurde, ob ich auch auf dem Rettungsdienst mitfahren wollte, habe ich erst mal ja gesagt, ohne eine Vorstellung zu haben, was das bedeutet. 

    Während des Zivildienstes habe ich dann die dreieinhalb-monatige schulische Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert, das ist die niedrigste Ausbildungsstufe. Dann hieß es: Ab auf den Wagen! Ich erinnere mich noch: Die ersten Einsätze waren ein furchtbarer Schock, zumal der erfahrene Kollege den Wagen fuhr und ich hinten beim Patienten war. Damals wurden die Prioritäten wohl noch anders gesetzt! Heute geht das so natürlich nicht mehr, da ist der*die erfahrenere, besser ausgebildete Kolleg*in bei den Patient*innen. Der Beruf hat sich zum Glück sehr verändert. (lacht)

    Nachdem der Schock der ersten Einsätze verdaut war, hat mir die Arbeit großen Spaß gemacht. Es ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, man erlebt viel und es gab einen guten Zusammenhalt unter den Zivis, aber auch mit den hauptamtlich Beschäftigten. Klar, man erlebt in diesem Beruf auch, wie Menschen sterben. Ich versuche aber, schlimme Vorfälle nicht mit nach Hause zu nehmen. Bei uns gibt es auch die Möglichkeit, sich in besonders schlimmen Fällen psychologische Hilfe zu holen.

     

    Gut: mehr Frauen im Rettungsdienst!

    Ich muss dazu sagen: Die Kollegen in meinem Alter sind in meinem Umfeld ausschließlich männlich, die haben alle wie ich als Zivis angefangen. Es gibt mittlerweile aber auch zunehmend Kolleginnen, das finde ich gut. Als der Zivildienst 2011 abgeschafft wurde, musste man sich anders um Nachwuchs kümmern und hat auch andere Zielgruppen angesprochen. Die ältesten Kolleginnen aus dieser ersten Zeit sind heute um die vierzig.

    Per Crashkurs zum Notfallsanitäter

    Nach dem Zivildienst habe ich erst mal auf dem Rettungswagen weitergearbeitet. Danach habe ich ein paar Semester studiert, aber gemerkt: „Das ist nicht meins!“ und bin zum Rettungsdienst zurückgekehrt. 

    Ich habe dann die Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht. Das war bis 2014 die höchste Ausbildung auf dem Rettungswagen. Mit dem neuen Notfallsanitätergesetz wurde diese Ausbildung zur Rettungsassistent*in abgeschafft – zugunsten des*der Notfallsanitäter*in.

    Die Ausbildung wurde von zwei auf drei Jahre erweitert. Der Beruf hat also eine Aufwertung erfahren, was ich sehr begrüße. Man konnte aufgrund von Übergangsregelungen erst mal übergangsmäßig Rettungsassistent*in bleiben, wurde aber niedriger eingruppiert als die Kolleg*innen mit der neuen Ausbildung. 

    Ich habe die Weiterbildung zum Notfallsanitäter dann aber ziemlich schnell gemacht – in einem mehrwöchigen Crashkurs neben der Arbeit. Es gab eine Freistellung für ein achttägiges Seminar und dann hatten wir noch mal eine Woche zum Lernen. Diese Zeit reichte aber längst nicht für den Stoff eines ganzen Lehrjahres!

    Die Hauptmenge der Stoffs habe ich mir neben dem Schichtdienst und neben der normalen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden draufgebracht. Ich war zu dem Zeitpunkt Mitte vierzig und hatte kleine Kinder. Ich muss im Rückblick sagen: Das war eine ganz schön harte Zeit!

    Aber hätte ich den Notfallsanitäter nicht gemacht, hätte das neben der schlechteren Eingruppierung bedeutet, dass man nicht mehr hinten beim Patienten oder der Patientin mitfahren darf.

     

    Betriebsrat in Vollzeit

    Das DRK hat uns dann irgendwann ausgegliedert und damit sind wir aus dem (angewandten) Tarifvertrag rausgefallen. Das war der Moment, zu dem ich mich als Betriebsrat habe aufstellen lassen. Insgesamt war ich dann die nächsten zehn Jahre Betriebsrat dort, die letzten anderthalb als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender für 450 Beschäftigte.

    Ich war während der gesamten Zeit nicht freigestellt und habe die gesamte Betriebsratsarbeit neben der normalen Arbeit gemacht. Speziell die Zeit als stellvertretender Vorsitzender war deswegen sehr, sehr anstrengend. Vor jetzt sechs Jahren wurden wir dann kommunalisiert und sind zum Landkreis gekommen. Das haben die Kolleginnen und Kollegen begrüßt, die Rückkehr in einen Tarifvertrag war gut für uns.

    Ich mache meinen Job immer noch sehr gerne. Es ist kein Tag ist wie der andere und man hat mit Menschen zu tun. Trotzdem: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen – und das ist immer weniger so!

     

    Wie Roland sich für bessere Rahmenbedingungen engagiert, was er über die 48-Stunden-Woche denkt und wie er die Arbeit im Rettungsdienst während Corona erlebt, lest ihr im vollständigen Portrait auf dem ver.di-Blog!

     

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