Wissen, wo der Schuh drückt

    ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler im Interview über die Ziele der Befragung von Beschäftigten im Rettungsdienst und die aktuellen Herausforderungen in diesem Bereich.
    11.03.2022
    drei.70, Gesundheit Soziale Dienste Wohlfahrt und Kirchen (ver.di), Krankenhaus, Sylvia Bühler,
    © shift/studio für ver.di
    Sylvia Bühler


    ver.di hat jüngst eine Beschäftigtenbefragung zu den Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst gestartet. Was genau hat es damit auf sich?

    Wir wollen durch die Befragung „Gute Arbeit im Rettungsdienst“ von den Beschäftigten aus erster Hand erfahren, wie ihre Arbeitssituation konkret ist. Wie steht es um ihre Arbeitsbelastung? Was wird für den Gesundheitsschutz getan? Wo drückt der Schuh?

    Die Fragen orientieren sich am Arbeitsalltag. Wir wollen konkrete Informationen zu Arbeitszeiten und körperlichen und psychischen Belastungssituationen. Außerdem wollen wir wissen, ob sich die Kolleginnen und Kollegen vorstellen können, unter den aktuellen Bedingungen bis zum gesetzlichen Rentenalter arbeiten zu können. Angesichts der relativ hohen Fluktuation im Rettungsdienst stellen wir auch die Frage nach der beruflichen Perspektive.

    Von den gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen aus dem Rettungsdienst kennen wir die großen Themen und Probleme. Mit dieser breit angelegten Befragung wollen wir ein noch breiteres Fundament schaffen und noch viel mehr Beschäftigte einbeziehen. Wir wollen ihre Erfahrungen auswerten, um dann gemeinsam Maßnahmen und Forderungen zu entwickeln. Unser Ziel sind bessere Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst.

    Welche Erkenntnisse hat ver.di denn zur aktuellen Arbeitssituation?

    Die Belastung der Rettungskräfte hat in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen. Es gibt mehr Einsätze und infolge der Überlastung bzw. Schließung von Kliniken und Krankenhausstationen sind die Anfahrtswege länger. Vieles, was schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie äußert belastend für die Kolleginnen und Kollegen war, hat sich infolge der Pandemie nochmal deutlich verschärft.

     

    Welche Auswirkungen hat denn Corona auf den Rettungsdienst?

    Ganz wichtig sind die gestiegenen Anforderungen an notwendige Hygienemaßnahmen aufgrund von COVID-19. Es geht dabei um den Schutz der Patientinnen und Patienten, aber natürlich auch um Selbstschutz. Zugleich wissen die Kolleginnen und Kollegen nie, was genau sie bei ihren Einsätzen erwartet. Sie müssen auf alle möglichen Einsatzsituationen und Eventualitäten vorbereitet sein. Wie schwer sind die Verletzungen nach einem Verkehrsunfall? Nicht selten müssen auch Angehörige betreut oder getröstet werden. Hilfsbedürftige sind oft auch verunsichert, was passiert mit ihnen? Wohin werden sie gebracht? Hier gilt es Ängste zu nehmen. Die Herausforderungen bei jedem Einsatz sind äußerst vielfältig. Da braucht es eine große Kompetenz und es ist gut, wenn im Team jüngere Rettungskräfte von den Erfahrungen ihrer Kolleginnen und Kollegen profitieren, die schon länger dabei sind.

    Gibt es schon erste Forderungen, die sich für ver.di abzeichnen?

    Für uns ist klar, dass die Höchstarbeitszeit runter muss. Im kommunalen Rettungsdienst muss sie in einem ersten Schritt von 48 Stunden auf 44 Stunden wöchentlich reduziert werden. Die über 73.000 Kolleginnen und Kollegen aus dem Rettungsdienst brauchen Entlastung. Sie leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft und für Menschen in Not. Dafür müssen sie auch anständige Arbeitsbedingungen haben.

    Der Beruf des Notfallsanitäters bzw. der Notfallsanitäterin muss aber insgesamt attraktiver werden. Der Beruf ist hochprofessionell und sehr abwechslungsreich, aber emotional und körperlich auch sehr fordernd. Deshalb müssen eben auch die Arbeitsbedingungen stimmen. Dazu gehört eine entsprechende Vergütung. Die Arbeitgeber sind auch in der Pflicht, für eine ordentliche Ausstattung der Fahrzeuge und Wachen zu sorgen und es braucht nach belastenden Einsätzen adäquate Nachsorge-Angebote für die Rettungskräfte. Da passiert schon einiges, aber es ist noch nicht überall gut.

    Bis wann kann man noch an der Befragung teilnehmen?

    Ich freue mich, dass schon recht viele Beschäftigte an unserer Befragung teilgenommen haben und hoffe, dass es noch mehr werden. Das unterstreicht dann natürlich das große Interesse. Die Befragung läuft noch bis 31. März 2022. 

    Zur Befragung: https://verdi.uzbonn.de/112/

     

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