Einer für alle

Ohne die Servicekräfte in Küche und Reinigung geht in der Altenpflege nichts: Die Beschäftigten der AWO Rheinland haben durchgesetzt, dass ein Tarifvertrag für alle gilt.
29.08.2024

Sie sorgen dafür, dass in den Seniorenheimen der AWO Rheinland alles blitzsauber ist und gutes Essen auf den Tisch kommt. "Wir sind ein Team", betont Nina Mai, Verwaltungsangestellte in einem Seniorenzentrum in Höhr-Grenzhausen in Rheinland-Pfalz und Gesamtbetriebsratsvorsitzende von der AWO Altenhilfe GmbH. "Alle arbeiten Hand in Hand, um die Bewohnerinnen und Bewohner gut zu versorgen." Deshalb wollten die Beschäftigten nicht länger hinnehmen, dass die Servicekräfte in Küche und Reinigung so viel schlechter bezahlt werden – und haben sich für einen Tarifvertrag stark gemacht, der für alle gilt. Mit Erfolg. Nach langem Hin und Her konnten sie sich mit ihrer Forderung durchsetzen.

 
AWO-Beschäftigte in Aktion

Zunächst wollte die frühere Geschäftsführung nicht über einen gemeinsamen Tarifvertrag mit den Beschäftigten für Küche und Reinigung verhandeln. „Das hat uns sehr getroffen“, sagt die stellvertretende Küchenleiterin Sarah Fuchs von der AWO Dienstleistungs- und Service-GmbH, kurz DSG. "Als wären wir Menschen zweiter Klasse." Umso glücklicher war sie darüber, dass sich die Belegschaft geschlossen hinter die Forderung stellte: "Entweder ein Tarifvertrag für alle – oder gar keiner." Die Verhandlungen liefen zäh, aber nach einem personellen Wechsel in der Geschäftsleitung kamen sie schließlich doch noch zu einem Ergebnis. "Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Wir sind ein Team." Und zwar alle Bereiche, inklusive Haustechnik und Verwaltung.

Vier Jahre haben sie dafür gekämpft. Von Anfang an stand fest: "Wenn wir besser bezahlt werden wollen, brauchen wir einen Tarifvertrag", erklärt Nina Mai, die in der ver.di-Tarifkommission aktiv ist. Viele AWO-Verbände verfügten längst über eigene Tarifverträge, was sich deutlich aufs Gehalt auswirkt. "Vor allem im Vergleich zu unseren Kolleginnen und Kollegen ein paar Kilometer weiter bei der AWO Pfalz war der Unterschied enorm", sagt die Betriebsrätin. Noch schlechter dran als die Beschäftigten der Altenhilfe waren die Kolleginnen in Küche und Reinigung: Die Servicekräfte erhielten lediglich etwas mehr als den Mindestlohn für die Gebäudereinigung von 13,50 Euro pro Stunde. Zuschläge gab es für sie bis dato überhaupt nicht. "Ein Unding", findet Nina Mai.

Also packten sie zu Ostern kleine Schokohasen ein, klapperten in einem Blitzmarathon alle Häuser ab, insgesamt 14 Seniorenzentren – und führten viele persönliche Gespräche. "Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir uns organisieren!" Zunächst waren nur eine Handvoll der 1.800 Beschäftigten bei ver.di aktiv, doch beharrlich steigerten sie den Organisationsgrad. Auch bei den Servicekräften. "Dabei arbeiten sie im Niedriglohnbereich", sagt Nina Mai. "Für sie zählt wirklich jeder Euro." Sarah Fuchs betont, wie hart die Frauen in Küche und Reinigung arbeiteten: mit viel zu wenig Personal. Fast alle seien in Teilzeit beschäftigt, benötigten Zweitjobs, um über die Runden zu kommen.

"Ohne uns geht es nicht", betont die stellvertretende Küchenleiterin. "Wie bei einem Zahnrad greift jedes Rad ins andere." Sie ist froh, dass sie mit dem Tarifvertrag jetzt für alle Verbesserungen durchsetzen konnten, auch wenn sie Kompromisse beim Zeitplan eingehen mussten. Ab dem 1. Januar 2026 soll es für alle einen einheitlichen Manteltarifvertrag geben. Die Beschäftigten der AWO Rheinland werden Stück für Stück an das Niveau der AWO Pfalz angepasst. Für die Belegschaft der Altenpflege gibt es ab 1. Januar 2025 im ersten Schritt 6 Prozent mehr Geld, für die Servicekräfte 7,4 Prozent. Außerdem erhalten die Beschäftigten aus Küche und Reinigung ab dann eine Zulage von 35 Euro für jeden eingesprungenen und jeden geteilten Dienst. Ab dem 1. Januar 2026 gibt es dafür für alle 50 Euro. "Bis dahin liegt noch ein weiter Weg vor uns", sagt Sarah Fuchs. "Aber der Tarifvertrag ist auf jeden Fall ein Erfolg."

 

Weiterlesen

1/12