Schon lange weist ver.di auf die problematischen Zustände in der Reinigung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hin. Wie wichtig diese dafür sind, die Verbreitung von Viren und Krankenhauskeimen zu unterbinden, ist ebenfalls lange bekannt. Dennoch haben die Arbeitgeber in den vergangenen Jahren gerade hier gespart: In den Servicebereichen wurde besonders viel Personal abgebaut, die Reinigung und andere Dienstleistungen wurden fast überall in Tochtergesellschaften ausgegliedert oder an Fremdfirmen vergeben. Dabei zeigt beispielsweise eine Studie aus den USA, dass Outsourcing das Risiko von Infektionen vervielfacht.
Auch eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) aus dem Jahr 2013 verweist auf den Zusammenhang zwischen Kürzungen bei der Reinigung und der Gefahr von Infektionen. Damals gaben 60 Prozent der Hygieneärzte und -fachkräfte an, dass die Reinigung in den vorangegangenen Jahren schlechter geworden sei. In mehr als der Hälfte der Kliniken werde sonntags gar nicht mehr geputzt. Und auch an anderen Tagen – vor allem samstags und mittwochs – wird häufig nur der gröbste Schmutz beseitigt.
Daran hat sich seither nichts Grundlegendes geändert. Weiterhin gibt es vielerorts die Anweisung »auf Sicht« zu reinigen, wenn die Zeit nicht reicht. Und das ist oft der Fall, denn die Flächen, die eine Reinigungskraft pro Tag putzen muss, sind schlicht zu groß. »In vier Stunden müssen 17 Zimmer gereinigt sein, dazu kommen noch der Flur, die Küche und alle anderen Räume«, berichtet eine Kollegin aus einem großen Universitätsklinikum, das die Reinigung in einer Servicegesellschaft ausgegliedert hat. »Und dann müssen noch andere Stationen mit Flur, Toiletten usw. gemacht werden. Wenn was nicht geschafft wird, wird es nach dem Feierabend oder am nächsten Tag gemacht. Dann müssen dazu noch Serviceleistungen erledigt werden, wie Teeküche und Spülmaschine ausräumen. Das ist einfach zu viel.«
In einer Klinik hat das Management die Reinigungskräfte angewiesen, die Eimer auf dem Reinigungs- und Systemwagen nur noch halb zu befüllen, da der Nachschub von Desinfektionsmittel stockt. »Der einzige Effekt ist, dass man mehr Laufwege hat, weil man den Eimer öfter voll machen muss«, sagt eine Kollegin. »Aber Desinfektionsmittel wird dadurch nicht gespart – es sei denn, man wischt nur noch nebelfeucht.« Kurz vor Ausbruch der Pandemie wurde die Reinigungshäufigkeit der Büroräume und einiger Flure in dem Krankenhaus geändert: Statt zwei Mal pro Woche werden sie nur noch einmal wöchentlich gereinigt – um Geld zu sparen. Für die Reinigungskräfte bedeutet das einen größeren Aufwand, weil die Räume dreckiger sind und die Mülleimer überquellen. Vor allem aber heißt es, dass Türklinken und andere Oberflächen seltener desinfiziert werden – und die Ausbreitung des Virus dadurch wahrscheinlicher wird.
Eine Reinigungskraft aus einem anderen Großkrankenhaus berichtet, dass die Beschäftigten in der teilprivatisierten Servicegesellschaft deutlich weniger Zeit für die gleiche Arbeit haben als ihre direkt im Klinikum angestellten Kolleginnen. Letzteren stünden in der Regel 15 Minuten für die Reinigung eines Patientenzimmers zur Verfügung, in der Tochtergesellschaft seien es lediglich zehn Minuten. »Die Reinigung eines Isolationszimmers, in dem zum Beispiel ein Coronapatient liegt, dauert etwa eine Stunde. Als Festangestellte bekommen wir diese Zeit«, erzählt eine Reinigungskraft. »Aber die Kolleginnen der Servicegesellschaft müssen die Stationen in einer fest vorgegebenen Zeit schaffen. Deren Manager behaupten zwar, dass sie für die Isolationszimmer extra Zeit geben, aber von den Kolleginnen höre ich etwas anderes.« Oft müssten die externen Reinigungskräfte unbezahlte Überstunden machen, um ihre Arbeit zu schaffen.
Die Leitungen von Kliniken und Pflegeheimen vereinbaren auch mit den hauseigenen Dienstleistungsgesellschaften sogenannte Leistungsverzeichnisse, in denen festlegt ist, welche Reinigung konkret erbracht werden soll. Wie in der Gebäudereinigerbranche üblich, wird die Leistung in Quadratmetern pro Stunde angegeben, wobei häufig unrealistische Anhaltszahlen für die Flächenbemessung herangezogen werden. Diese müssen in einem Krankenhaus wesentlich niedriger sein als in einem Büro oder einer Schule. Denn die Hygieneanforderungen unterscheiden sich grundlegend. Die jetzige Praxis führt zu überhöhten Vorgaben und in der Konsequenz zu mangelnder Hygiene
Hinzu kommt fehlende Wertschätzung für die wichtige Arbeit der Reinigungskräfte. »Unsere Arbeit wird nicht gesehen«, kritisiert eine Kollegin im Rahmen einer Befragung an einem Berliner Krankenhaus. »Es wird keine Rücksicht genommen auf Alter, Gesundheit – man ist ein Nichts.« Eine andere Reinigungskraft erklärt: »Wir brauchen mehr Leute, man kann das auf Dauer nicht schaffen.« Die Konsequenz daraus bringt eine andere Kollegin auf den Punkt: »Wir brauchen eine Personalbemessung. Wir haben zu wenig Zeit für zu große Flächen. Sicht- und Teilreinigung im Krankenhaus müssen abgeschafft werden.«
Dafür macht ver.di gegenüber den Arbeitgebern und politisch Verantwortlichen Druck. Unsere Forderungen:
1. Abschaffung der sogenannten Sichtreinigung in Krankenhäusern (=Reinigung nur bei sichtbaren Verschmutzungen): Sichtreinigung wird in vielen Einrichtungen regelmäßig an ein bis mehreren Tagen pro Woche angeordnet, Damit kann hochinfektiösen Viren und Bakterien nicht wirksam begegnet werden.
2. Realistische Flächenleistungsplanung nach zu erarbeitenden Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI): Die zu reinigenden Fläche ist oftmals zu groß und in der vorgegebenen Zeit nicht zu schaffen. Sowohl das RKI als auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) haben schon vor Jahren angemahnt, dass die Personalausstattung realistisch geplant wird. Es gibt aber bisher keine konkreten verbindlichen Vorgaben dazu. Diese sind dringend erforderlich.
3. Berücksichtigung des gesamten Zeit- bzw. Personalbedarfs bei der Personalplanung: Häufig werden zusätzliche Leistungen (»Sonderreinigungen«), Störung durch die Reinigung im laufenden Betrieb (notwendige Doppelarbeiten, Unterbrechungen), Wege- und Rüstzeiten nicht ausreichend berücksichtigt. Dafür müssen angemessene Zeiten eingeplant werden.
4. Permanent anwesendes und für den jeweiligen Bereich geschultes Personal in Risikobereichen: Insbesondere in Risikobereichen (zum Beispiel Infektionsstationen, Intensiv-Therapiestationen, Stationen für die Behandlung immunsupprimierter Patient*innen, Frühgeborenenstationen) brauchen die Stationen und Bereiche konstant zugeordnetes, speziell geschultes Reinigungspersonal, das eng mit dem medizinischen Personal zusammenarbeitet.
5. Rücknahme von Ausgliederungen: Durch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens ist auch die Reinigung einem extremen Rationalisierungsdruck ausgesetzt worden. Häufig wurde sie in Tochtergesellschaften ausgegliedert oder ganz fremdvergeben. Das führt zu Brüchen in der Zusammenarbeit und fehlender Kommunikation. Für einen effektiven Infektionsschutz braucht es Gesundheitseinrichtungen, in denen alle Berufsgruppen ohne formale Barrieren zusammenarbeiten können.
6. Ausreichende Einarbeitung und Qualifizierung: Der richtige Umgang mit verschiedenen Desinfektions- und Arbeitsmitteln, das richtige Vorgehen bei der Reinigung potenziell infektiöser Flächen und ein angemessener Selbstschutz sind elementar. Doch vielfach werden ungelernte Kräfte eingesetzt. Es muss klare Standards für Einarbeitung und regelmäßige Auffrischungsqualifizierungen geben sowie eine Strategie, diese Kenntnisse auch Reinigungskräften mit geringen Deutschkenntnissen zu vermitteln bzw. deren Spracherwerb gezielt zu fördern.