Töchter gehören dazu

29.05.2019

Zurück in die Klinik – diese Forderung haben Beschäftigte von Tochterfirmen einiger Kliniken zuletzt mehrfach durchgesetzt. So werden die für therapeutische Dienstleistungen zuständigen Tochtergesellschaften von Charité und Vivantes, CPPZ und VTD, zum 1. Januar 2020 wieder in die öffentlichen Krankenhäuser Berlins eingegliedert. Der Berliner Senat hat den Klinikmanagern eine entsprechende Gesellschafterweisung erteilt und damit einen Beschluss des Abgeordnetenhauses umgesetzt. Auch die Mühlenkreis Service GmbH im nordrhein-westfälischen Minden wird wieder in den örtlichen Kreiskliniken aufgehen. Und in den Servicegesellschaften der Uniklinik Düsseldorf und des Klinikums Fürth haben Beschäftigte die weitgehende Angleichung an Tarifverträge des öffentlichen Dienstes erreicht.

Fast 50 Tage haben die Therapeut*innen der CPPZ in mehreren Streikwellen seit Mitte vergangenen Jahres insgesamt die Arbeit niedergelegt. Zuletzt hatten sich ihre Kolleginnen und Kollegen von der Vivantes-Tochter VTD mit Solidaritätsstreiks angeschlossen. »Der Arbeitskampf und stetige Protest haben Wirkung gezeigt. Die Kolleginnen und Kollegen von CPPZ und VTD können stolz darauf sein, was sie jetzt erreicht haben«, kommentiert Meike Jäger, die bei ver.di in Berlin und Brandenburg für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. Die Rückführung stelle einen logisch notwendigen Schritt dar, denn die Beschäftigten seien schon heute vollständig in die betrieblichen Arbeitsabläufe der Mutterunternehmen eingebunden und vorhandenen Weisungsstrukturen unterworfen.

ver.di steht bereit, auch für die verbleibenden zehn Tochterfirmen des kommunalen Klinikkonzerns Vivantes Tarifverhandlungen aufzunehmen. Diese sind nämlich immer noch allesamt ohne Tarifbindung. Die Gewerkschaft erwarte nun, dass die Vivantes-Töchter umgehend dem Kommunalen Arbeitgeberverband beitreten und über eine Angleichung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) verhandeln. »Der TVöD ist unser Leittarif, dessen Struktur und Niveau wir auch bei den Tochterunternehmen weiterhin als Ziel erreichen wollen«, stellt Jäger klar.

 
TVöD für alle

Auch anderswo ist der TVöD die Zielmarke. Erreichen werden diese die 250 Servicebeschäftigten am Klinikum Fürth, die bis Ende 2023 schrittweise in den TVöD übergeleitet werden. Bereits 2014 hatten sie durch Druck auf die politisch Verantwortlichen in der Stadt erreicht, dass die Service GmbH aufgelöst und sie wieder direkt bei dem kommunalen Krankenhaus angestellt wurden. Das brachte seinerzeit Gehaltsverbesserungen von etwa 20 Prozent, aber noch keine Angleichung an den Flächentarif des öffentlichen Dienstes. Mit der Ende April erzielten Tarifeinigung wird diese Benachteiligung nach und nach beseitigt. Für die Beschäftigten bedeutet das zwischen 150 und 700 Euro mehr im Monat. »Ab dem 1. Januar 2024 ist die Zweiklassengesellschaft am Klinikum Fürth endlich Geschichte«, erklärt ver.di-Sekretär Bernhard Bytom. »Das ist ein großer Fortschritt, der Signalwirkung haben sollte.« Der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) nennt den Abschluss ebenfalls »ein Vorbild für die Region und die Republik«.

Ähnliches ist nach harten Auseinandersetzungen an der Universitätsmedizin Rostock und am Uniklinikum Düsseldorf gelungen. In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt hat ver.di für alle Beschäftigten der drei Tochtergesellschaften nach etlichen Streiks und Verhandlungsrunden einen Anerkennungstarifvertrag zum Tarifvertrag der Länder (TV-L) durchgesetzt, der nur wenige Ausnahmen zum Flächentarif beinhaltet. Die Entgeltgruppen 2 (Reinigung, Stationsservice und Küche) und 3 (Security, Transport) werden bis 2023 schrittweise an die Entgelttabelle des TV-L angeglichen, alle anderen bereits zum Jahreswechsel. Auch die Löhne der genannten Beschäftigtengruppen steigen bereits im ersten Schritt um etwa 20 bzw. 27 Prozent. Im Sommer 2018 hatten Servicekräfte wochenlang für einen Tarifvertrag und die Beschäftigten der Uniklinik zeitgleich für Entlastung gestreikt. Lange sah es so aus, als wolle das Management jede Tarifeinigung für die Tochtergesellschaften blockieren. Mit großer Ausdauer und Solidarität haben die Beschäftigten nun doch durchgesetzt, dass sie wieder durch Tarifverträge geschützt sind.

Botschaft ist noch nicht überall angekommen

ver.di weist schon lange darauf hin, dass Lohndumping und Outsourcing in Krankenhäusern nicht nur den Beschäftigten, sondern auch der Versorgungsqualität schaden. Doch diese Botschaft ist offenbar noch nicht überall angekommen. Im Klinikum Dahme-Spreewald hat die Geschäftsführung soeben die Ausgliederung von 19 Physiotherapeut*innen in die konzerneigene Dienstleistungsgesellschaft bekanntgegeben, in der bislang nur Küchenkräfte angestellt sind. Gewerkschaft und Betriebsrat protestieren vehement gegen den Schritt, der zum 1. Juli vollzogen werden soll. Die betriebliche Interessenvertretung hat Landkreis, Landrat und alle Kreistagsfraktionen in einem offenen Brief aufgefordert, die Ausgliederung zu verhindern. Der Landkreis hält 51 Prozent der Anteile am Klinikum, der Rest ist im Besitz der Sana AG. »Die Physiotherapeuten sind in die betrieblichen Arbeitsabläufe der Klinik eingebunden und den vorhandenen Weisungsstrukturen der Klinik unterworfen. Eine Ausgründung ist daher nicht möglich«, sagt ver.di-Sekretär Ralf Franke.

Wie es anders geht, zeigen die Mühlenkreiskliniken im nordrhein-westfälischen Minden, wo die 2004 ausgegliederte Servicetochter wieder ins Klinikum zurückgeholt wird. 2007 hatte die Belegschaft durch Druck auf die politischen Entscheidungsträger erreicht, dass die damals rund 400 Beschäftigten nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt werden. »Das war ein großer Erfolg«, betont die Betriebsratsvorsitzende der Mühlenkreis Service GmbH, Kerstin Wehling. Um die Kosten dennoch zu drücken, vergab das Management allerdings zunehmend Tätigkeiten an eine externe Reinigungsfirma.

So nahm die Zahl der Vollzeitstellen in der Reinigung der klinikeigenen Servicetochter von über 140 auf rund 90 ab. »Das bedeutet, dass die Kolleginnen, die für Reinigung und Hygiene im Krankenhaus zuständig sind, ganz unterschiedlich bezahlt werden«, erläutert Wehling. Eine Reinigungskraft in der Fremdfirma verdiene bis zu 300 Euro weniger im Monat. Zugleich müsse sie noch schneller arbeiten als die Stammkräfte. »Wir müssen pro Stunde durchschnittlich 200 Quadratmeter reinigen – schon das ist kaum zu schaffen.« Wenn der Arbeitsdruck auf die Reinigungskräfte immer weiter erhöht werde, leide die Qualität. »Dabei ist die Hygiene im Krankenhaus so wichtig.«

Mit der Rückführung der Service GmbH, die am 1. Oktober dieses Jahres umgesetzt werden soll, sind also längst nicht alle Probleme beseitigt. Die Betriebsrätin Wehling befürchtet zudem, die besonderen Belange der Servicekräfte könnten nach der Wiedereingliederung unter die Räder kommen. »Alle Beschäftigten im Krankenhaus brauchen gute Bedingungen und eine starke Interessenvertretung«, sagt Wehling, die bis zur nächsten Personalratswahl zunächst ein Übergangsmandat für die Vertretung der Servicekräfte bekommen soll. »Das Klinikum funktioniert nur, weil alle Berufsgruppen ihr Bestes geben. Deshalb muss auch Schluss sein mit der Fremdvergabe an Billigfirmen.«