Outsourcing schafft Unsicherheit

    02.05.2017

    Outsourcing im Krankenhaus schadet nicht nur den Beschäftigten, sondern auch den Patientinnen und Patienten. Eine Bestätigung dieser These liefert der kürzlich veröffentlichte Bericht der Berliner Beauftragten für Datenschutz für das Jahr 2016. Darin kritisiert sie die Praxis in Krankenhäusern der Bundeshauptstadt, die Archivierung und Digitalisierung von Patientenakten an konzerneigene Tochtergesellschaften zu vergeben. »Bei dieser Tätigkeit ist es unumgänglich, anvertraute Patientendaten zur Kenntnis zu nehmen«, heißt es in dem Bericht. Anders als Angestellte der Klinik, die zu ärztlichen Gehilfen erklärt werden können, seien Beschäftigte der Servicegesellschaften nicht an die ärztliche Schweigepflicht gebunden.

    Die Berliner Datenschutzbeauftragte argumentiert: »Nach jetziger Rechtslage reicht allein die Zusammenarbeit mit einem Tochterunternehmen oder einem externen Dienstleister nicht aus, um den Beschäftigten des Dienstleisters den Gehilfenstatus zu verschaffen.« Ausgegründete Gesellschaften seien nicht als funktionaler Teil der Einrichtung Krankenhaus anzusehen. Schließlich würden sie gebildet, »um gerade nicht Teil des Krankenhauses zu sein«. Die Übermittlung von Gesundheitsdaten an Personen, die nicht der Schweigeplicht unterliegen, sei aber sowohl laut Strafgesetzbuch als auch aufgrund europarechtlicher Vorgaben unzulässig.

    Für Gisela Neunhöffer von der ver.di-Bundesverwaltung zeigt der Vorfall exemplarisch, wie die Fremdvergabe in Krankenhäusern zusätzliche Probleme und Unsicherheiten schafft. »Das exzessive Outsourcing treibt immer neue Blüten – zum Schaden von Beschäftigten und Patienten«, so die Gewerkschaferin. Das werde auch in anderen Bereichen immer wieder deutlich. »So dürfen Pflegekräfte den Kolleginnen und Kollegen im Patiententransport oder der Reinigung keine Anweisungen geben. Im Krankenhausalltag ist das total unsinnig und schafft unnötige Reibungsverluste.« Letztlich leide die Qualität der Patientenversorgung. »Alles nur, um die Lohnkosten zu drücken – damit muss Schluss sein.«

    In den öffentlichen Kliniken Berlins, bei Vivantes und der Charité, macht ver.di seit geraumer Zeit gegen Ausgliederungen und Fremdvergabe mobil. Unter dem Motto »TVöD für alle« haben die Belegschaften tarifloser Servicegesellschaften bereits mehrfach die Arbeit niedergelegt. Und die beharrlichen Aktionen zeigen Wirkung: Der neu gewählte Senat aus SPD, Grünen und Die Linke hat sich im Koalitionsvertrag auf das Ziel verständigt, die Tarife in den Tochtergesellschaften auf das Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) anzuheben. Zudem soll die Teilprivatisierung der Charité-Servicegesellschaft CFM rückgängig gemacht werden.

    »Das sind gute Beschlüsse«, sagt der für die CFM zuständige ver.di-Sekretär Kalle Kunkel. »Nur: In der Praxis hat sich bislang überhaupt nichts getan.« Immer noch stellten die Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen auf stur. Den Worten müssten endlich auch Taten folgen, fordert Kunkel. Letztlich müsse die ganze Konstruktion ausgegliederter Servicegesellschaften in Frage gestellt werden. »Der Bericht der Datenschutzbeauftragten macht deutlich, welchen Schaden diese Zergliederung anrichtet«, so der Gewerkschafter. Der Senat sei gefordert, die Servicegesellschaften aufzulösen und die Beschäftigten in die Kliniken zu überführen. ver.di stehe bereit, diesen Prozess tariflich abzusichern.

    Die Klinikleitungen hoffen aber womöglich darauf, ihr Datenschutzproblem im Zuge einer Gesetzesänderung loszuwerden. Denn die Große Koalition im Bund hat eine Änderung des Paragrafen 203 im Strafgesetzbuch ins Parlament eingebracht. Demnach sollen Rechtsanwälte, Steuerberater/innen, Wirtschaftsprüfer/innen – und auch Ärztinnen und Ärzte – Berufsgeheimnisse unter bestimmten Bedingungen an Dritte weitergeben können.

    Gisela Neunhöffer, die bei ver.di für die Servicegesellschaften der Krankenhäuser zuständig ist, warnt davor, den Datenschutz auf diesem Weg zu verwässern. »Die ärztliche Schweigepflicht auf einen letztlich unbestimmten Personenkreis auszuweiten, wäre grundfalsch«, betont sie. Je mehr Menschen mit sensiblen Patientendaten in Kontakt kämen, desto weniger könne deren Schutz garantiert werden – insbesondere, wenn auf diese Weise unübersichtliche Verantwortungsketten entstünden. »Diese Gesetzesänderung könnte dem Outsourcing einen weiteren Schub geben«, kritisiert Neunhöffer. »Stattdessen sollte die Regierung dafür sorgen, dass den Ausgliederungen ein Ende gesetzt wird – sowohl im Interesse der Beschäftigten als auch der Patientinnen und Patienten.«

     

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