Handwerker dürfen streiken

Beschäftigte, die das Automatische Warentransportsystem der Uniklinik Heidelberg betreuen, beharren erfolgreich auf ihrem Streikrecht.
25.07.2023

Seit Monaten kämpfen die Beschäftigten der Technik-Tochter des Heidelberger Uniklinikums um einen Tarifvertrag. Jetzt haben sie zumindest juristisch einen ersten Teilerfolg erzielt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg urteilte in der vergangenen Woche, dass auch das Automatische Warentransportsystem (AWT) unter bestimmten Bedingungen bestreikt werden darf. Der Arbeitgeber hatte dies bestritten und ver.di dazu zwingen wollen, einen Notdienst zu organisieren. In erster Instanz war er damit durchgekommen, in zweiter hingegen in Teilen gescheitert. Der Streik könne nun »mit deutlich mehr Kraft« fortgesetzt werden, erklärte die stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin Hanna Binder am Dienstag (18. Juli 2023). So war es dann auch: Von Mittwoch bis Freitag beteiligte sich der Großteil des AWT-Teams am Ausstand.

 
Der SPD-Abgeordnete und Landtagsvizepräsident Daniel Born (Mitte mit Schild) zeigt am 21. Juli 2023 seine Unterstützung für die streikenden Handwerker der Heidelberger Uniklinik.

Schon vor fast 40 Jahren – lange vor der aktuellen Debatte über die Digitalisierung im Gesundheitswesen – wurde an der Uniklinik Heidelberg ein unterirdisches Transportsystem geschaffen. Förderkörbe transportieren auf insgesamt acht Kilometern Länge Sterilgut, Essen, Wäsche und Medikamente dorthin, wo sie gebraucht werden. Das sei derart essenziell, so die Argumentation der Unternehmensleitung, dass es zu keinen Störungen kommen dürfe. ver.di müsse daher verpflichtet werden, einen Notdienst einzurichten. Geschehe dies nicht und komme es zum Komplettausfall der Anlage, »dann passieren schlimme Dinge«, wird der für das Unternehmen tätige Anwalt Andreas von Medem von der Kölner Kanzlei Seitz in der Rhein-Neckar-Zeitung zitiert. Dieselbe Kanzlei hatte im vergangenen Sommer beim Arbeitskampf für Entlastung an den nordrhein-westfälischen Unikliniken versucht, den Streik im Auftrag der Bonner Klinikleitung juristisch zu stoppen – letztlich ohne Erfolg.

ver.di hielt dagegen, dass der Klinikbetrieb in Heidelberg wohl kaum vollends von der Funktionstüchtigkeit eines nahezu 40 Jahre alten Transportsystems abhänge. Es bestünden anderweitige Möglichkeiten, die Patientinnen und Patienten zu versorgen. »Alternative Transportmöglichkeiten im Falle eines Ausfalls der technischen Anlage sind aus meiner Sicht für das Risikomanagement einer Uniklinik unabdingbar. Wir haben den Eindruck, dass dies letztlich nur ein Vorwand ist, um das Streikrecht auszuhebeln.«, sagte die ver.di-Sekretärin Monika Neuner. »Dass die hundertprozentige Tochter eines landeseigenen Universitätsklinikums zu solchen Mitteln greift, ist ein starkes Stück.« Das gilt auch für die Tatsache, dass der Streik überhaupt nötig ist. Hanna Binder betonte: »Dass Beschäftigte, die täglich für eine landeseigene Uniklinik sicherheits- und versorgungsrelevante Arbeiten erbringen, für tarifliche Bezahlung in den Arbeitskampf gehen müssen, ist ein Armutszeugnis für das selbsternannte Musterland für gute Arbeit.«

Neben der Klinik-Technik Service GmbH (KTG) streiten auch die Kolleg*innen des Kurt-Lindemann-Hauses, einer zur Heidelberger Uniklinik gehörenden Spezialeinrichtung für die berufliche und soziale Rehabilitation, für einen Tarifvertrag. Beide Belegschaften appellieren an die Landesregierung, Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen in den landeseigenen Gesellschaften zu übernehmen. Die Aktiven der KTG übergaben Mitte Juli 2.800 Solidaritätspostkarten an den Aufsichtsratschef der Uniklinik, Clemens Benz. Der Ministerialdirigent im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium versprach, dass bald Gespräche mit der ver.di-Tarifkommission stattfinden sollen. »Es ist positiv, dass sich nun endlich etwas tut«, findet Monika Neuner. Allerdings warte ver.di noch auf eine Rückmeldung des Vorstands auf die übermittelten Terminvorschläge. Klar ist: Die KTG-Beschäftigten wollen den Druck aufrechterhalten. Am Freitag werden sie erneut in den Ausstand treten – es wäre der 20. Warnstreiktag. Die Kolleg*innen aus dem Warentransport werden dann mit Sicherheit wieder in großer Zahl dabei sein.

 

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