Tarifrunde SuE 2022

Keine Annäherung in Sicht

31.03.2022

Weiter keine Bewegung für bessere Arbeit und Aufwertung im Sozial- und Erziehungsdienst: Jetzt schmieden wir Aktionspläne.

Ein unerfreuliches Déjà-Vu: Auch die zweite Verhandlungsrunde für die 330.000 Tarifbeschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst musste ergebnislos vertagt werden. Am 21. und 22. März hat ver.di in Potsdam mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) über bessere Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Arbeit der Beschäftigten verhandelt. Doch die Arbeitgeber provozieren eine Zuspitzung des Tarifkonflikts und zeigten sich auch in der zweiten Verhandlungsrunde nicht bereit, die Chance auf eine schnelle Einigung zu ergreifen. „Wir sind sicher, dass es vor der nächsten Verhandlungsrunde am 16. und 17. Mai zu heftigen Reaktionen kommen wird“, erklärt der ver.di- Vorsitzende Frank Werneke.

„Ich bin von der Haltung der VKA maßlos enttäuscht,“ sagt Angela Merkl, die Mitglied in der ver.di-Verhandlungskommission ist. „Die Arbeitgeber haben noch nicht mal ein konkretes Angebot vorgelegt“, berichtet die Erzieherin. Bezüglich der dringend notwendigen Entlastung und der lange überfälligen Verbesserung der Arbeitsbedingungen seien nicht einmal Ansätze für Kompromisse mit den Arbeitgebern gefunden worden. Das gleiche gelte für die Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst.

 

Selbstbewusst in die zweite Runde

Dabei war die Verhandlungskommission unter der Leitung von Frank Werneke mit ordentlich Rückenwind von den Beschäftigten in diese zweite Verhandlungsrunde gestartet. Denn schon in der ersten Verhandlungsrunde legten die Arbeitgeber eine Verweigerungshaltung an den Tag und sendeten damit ein frustrierendes Signal an die Beschäftigten. Diese jedoch setzten ihrerseits ein klares und selbstbewusstes Zeichen: An zwei Streik- und Aktionstagen verliehen die Beschäftigten der kommunalen Kitas, der Sozialarbeit und der Behindertenhilfe ihrem Unmut über fehlende finanzielle Wertschätzung und mangelnde Entlastung bundesweit Ausdruck.

 
Herford, 8. März, Britta L. streikt gemeinsam mit weiteren Kolleg*innen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst

Mehr Aufwertung braucht mehr Aktion

Am Internationalen Frauentag, dem 8. März 2022, rief ver.di die kommunalen Beschäftigten zum Streik auf und über 22.000 Kolleg*innen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst gingen auf die Straße. Tarifliche und feministische Kämpfe wurden an diesem Tag gezielt zusammengelegt. Denn noch immer werden die sogenannten Frauenberufe in dieser Gesellschaft ungleich behandelt, werden in sozialen Berufen niedrigere Gehälter gezahlt als z.B. in technischen Berufen. Und im Sozial- und Erziehungsdienst sind ganze 83 Prozent der Beschäftigten Frauen. Die schlechte Situation in den sogenannten Frauen*berufen hat System. Seit Jahrzehnten sind wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in den Sorgeberufen überfällig.

Für die darüber hinaus dringend notwendige Aufwertung ihres Berufs ging in Herford auch Britta L. auf die Straße. „Das war tatsächlich mein erster Streik,“ sagt die 53-jährige Ergotherapeutin, die als Gruppenleiterin in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeitet. Ihre Einrichtung nimmt arbeitsvertraglich Bezug auf den TVöD SuE und wendet ihn zu 100 Prozent an. „Dieses Mal haben meine Kolleg*innen und ich endlich den Mut gefasst, partizipierend mit zu streiken“, sagt Britta L. Sie möchte für die Interessen der Beschäftigten in der Behindertenhilfe kämpfen und ihnen Gehör verschaffen. Dafür aktiviert die frischgewählte Betriebsratsvorsitzende auch immer wieder neue Kolleg*innen. „Wir müssen gemeinsam alles tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, um unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern“, ist die Betriebsrätin überzeugt. Von der großen, bundesweiten Solidarität unter Kolleg*innen an diesem Streiktag ist sie beeindruckt. Die Erfahrung, mit ihren Forderungen nicht allein zu sein, sei heilsam gewesen. „Aber auch die Reaktionen von Passanten haben mir unheimlich gutgetan“, berichtet die Ergotherapeutin. „Uns wurde applaudiert, aus Autos zugewunken oder unterstützend zugehupt. Da waren schon Gänsehautmomente dabei“, sagt Britta L. über die besondere Energie, die sie von ihrem ersten Streiktag am 8. März mitgenommen hat.

 

Aufmerksamkeit für unverzichtbare Berufe

Mit jeder Menge Energie starteten die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst auch in die nächste März-Woche. Am Internationalen Tag der Sozialen Arbeit, dem 15. März 2022, machten sie mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen bundesweit auf die laufende Tarifrunde und vor allem auf die Missstände in ihrem Berufsfeldern aufmerksam. Denn nicht nur in den letzten zwei Pandemie-Jahren sind die Beschäftigten in Kitas, Sozialarbeit und Behindertenhilfe häufig bis an ihre Belastungsgrenzen und darüber hinaus gegangen.

In einer digitalen Podiumsdiskussion konfrontierten Beschäftigte am Abend Verantwortliche aus der Bundespolitik mit den Folgen von Überlastung, Fachkräftemangel, geringer Bezahlung und mangelnder Anerkennung in der Gesellschaft. Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle sprach außerdem mit Saskia Esken (SPD), Frank Bsirske (Bündnis90/Die Grünen), Mareike Wulf (CDU), Janine Wissler (Die Linke) und dem Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Sell. Einig waren sich die Podiumsteilnehmer*innen darüber, dass zu einer nachhaltigen Aufwertung der Sozialen Arbeit nicht nur eine ordentliche Vergütung, sondern auch eine hohe Ausbildungsqualität gehöre. Zudem müsse die Attraktivität der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst durch eine wirksame Verbesserung der Arbeitsbedingungen gesteigert werden. Ein klarer Appell an die Arbeitgeber also, die sich in der zweiten Verhandlungsrunde auch weiterhin nicht kompromissbereit zeigten.

 

Druck machen: Für euch. Für uns. Für alle.

Und genau deswegen werden die Beschäftigten auch jetzt nicht nachlassen. Gemeinsam mit ver.di werden sie weiter Druck machen, für eine Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst und echte Entlastung. Auch die Betriebsrätin Britta L. aus Herford will auf jeden Fall wieder dabei sein. Für alle, die gemeinsam mit Britta aktiv werden wollen, stehen die nächsten Termine schon. Kurz vor der dritten Verhandlungsrunde Mitte Mai, ruft ver.di im Rahmen der Tarifrunde zu Branchentstreiktagen auf. Beschäftigte der Sozialarbeit sollten sich schon jetzt Montag, den 2. Mai, im Kalender notieren. Der Branchenstreiktag Kita findet am Mittwoch, den 4. Mai statt. Und am Donnerstag, den 5. Mai, ruft ver.di die Beschäftigten der Behindertenhilfe zum Branchenstreiktag auf.

Alle Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst, für die der TVÖD nicht unmittelbar gilt, ruft ver.di schon am 6. April 2022 zu Aktionen auf. Denn der TVöD setzt den Standard für die gesamte Branche. Wird aktuell für die 330.000 Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes der Kommunen in den Sozial- und Erziehungsdiensten verhandelt, so profitieren insgesamt doch über 1,6 Millionen Beschäftigte von dieser Tarifrunde. Denn konfessionelle und andere Träger orientieren ihre Entgelt- und Arbeitsbedingungen an den Abschlüssen im öffentlichen Dienst. Ein Erfolg der Beschäftigten in den Kommunen ist also ein Erfolg für den gesamten Sozial- und Erziehungsdienst. Es kommt auf uns alle an: Zeigt eure Solidarität und kämpft gemeinsam mit den kommunalen Beschäftigten für Verbesserungen in den unverzichtbaren Berufen im Sozial- und Erziehungsdienst.

Die dritte und vorerst letzte Verhandlungsrunde findet am 16. und 17. Mai 2022 in Potsdam statt.

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Keine Annäherung in zweiter Runde: Arbeitgeber provozieren Zuspitzung des Konflikts im Sozial- und Erziehungsdienst

Pressemitteilung, Berlin, 22. März 2022. Nachdem auch die zweite Tarifverhandlungsrunde für die rund 330.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst heute (22. März 2022) ergebnislos vertagt wurde, spitzt sich die Auseinandersetzung weiter zu. „In den nächsten Tagen und Wochen werden wir unsere Mitglieder ausführlich über den Stand der Verhandlungen informieren und das weitere Vorgehen beschließen. Wir sind sicher, dass es vor der nächsten Verhandlungsrunde am 16. und 17. Mai zu heftigen Reaktionen kommen wird“, erklärte der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, in Potsdam. „Mit ihrem Verhalten sind die Arbeitgeber für die Zuspitzung des Konfliktes verantwortlich.“

Die Enttäuschung in der Verhandlungskommission über die Haltung der Arbeitgeberseite sei massiv. In Fragen der Entlastung und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie für die Aufwertung der Berufe seien nicht einmal Ansätze für Kompromisslinien gefunden worden. Die kommunalen Arbeitgeber hätten ein konkretes Angebot verweigert.

Nach Berechnungen des Deutschen Jugendinstitutes fehlen bis zum Jahr 2025 allein in den Kitas 300.000 Fachkräfte. „In der Sozialarbeit und in der Behindertenhilfe sieht es keinen Deut besser aus“, sagte Werneke. „Ohne eine deutliche Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes laufen wir sehenden Auges auf chaotische personelle Verhältnisse in Kitas und in den sozialen Einrichtungen zu. Der objektiv vorhandene Fachkräftemangel soll von den kommunalen Arbeitgebern offensichtlich keiner Lösung zugeführt werden.“

Der ver.di-Vorsitzende forderte die kommunalen Arbeitgeber auf, die wenigen Wochen bis zur nächsten Verhandlung endlich zu nutzen, gemeinsam konstruktive Lösungsvorschläge für die prekären Arbeitssituationen der Beschäftigten zu erarbeiten.

ver.di fordert in den Tarifverhandlungen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

Die dritte Verhandlungsrunde findet am 16. und 17. Mai in Potsdam, Kongresshotel, Am Luftschiffhafen 1, statt.

 

veröffentlicht/aktualisiert am 31. März 2022

 

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