Über 40 neue ver.di-Mitglieder in drei Monaten: Conny Diener von der Deutschen Angestellten-Akademie zeigt, dass sich Engagement lohnt.
Selbst in ihrem Urlaub macht Conny Diener keine Pause: Jeden Freitag setzt sie sich an ihren Computer und tippt eine Mail an alle Beschäftigten der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in Baden-Württemberg. Betreff: „Friday for ver.di“. Die Sätze zieren viele Smileys und Ausrufezeichen, der Ton ist heiter, die Botschaft klar: „Tretet in ver.di ein – Beitrittserklärung hängt an!!!“ Ihr Einsatz zeigt Erfolg. Über 40 Kolleginnen und Kollegen sind in den vergangenen drei Monaten seit November neu bei ver.di eingetreten. Conny hat extra noch einmal nachgezählt und ist von der großen Zahl selbst überrascht. „Das war ich nicht alles alleine“, fügt die Buchhalterin aus Stuttgart hinzu.
Doch ihr Beispiel zeigt, wie viel beherztes Engagement bewirken kann. Die Idee kam ihr spontan. Als sie im letzten Herbst an einer Fachtagung von ver.di zum Mindestlohn in der Weiterbildungsbranche teilnahm, schoss ihr der Gedanke in den Kopf: „So viele bei uns im Betrieb wissen gar nicht, wo der Mindestlohn herkommt und was er für sie bedeutet.“ Deshalb schickte sie kurzerhand an alle 700 Kolleginnen und Kollegen der DAA in Baden-Württemberg eine Mail. „Ich wollte sie aufrütteln“, erklärt Conny. In ihrer Nachricht erklärt sie, warum der Mindestlohn so wichtig ist. „Ich möchte gar nicht wissen, wo wir ohne ihn wären!“ Und wer habe den Mindestlohn vor zehn Jahren mit ermöglicht? Wer habe sich darum gekümmert, dass er für allgemeinverbindlich erklärt wird? Wer verhandle jetzt wieder über eine Erhöhung? Und wer sei bei ihren Gehaltsverhandlungen dabei? ver.di. Conny schließt ihre Zeilen mit dem Aufruf: „Jammert nicht – organsiert euch!“
Die Gewerkschafterin macht klar, warum die aktuellen Verhandlungen alle etwas angehen: Der Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal habe dem Lohndumping im Bereich der nach SGB II und SGB III geförderten Weiterbildung Grenzen gesetzt. „Bei Ausschreibungen dürfen keine Billiglöhne mehr gefördert werden“, sagt Conny. Zudem sei die Höhe des Mindestlohns seit der Einführung vor zehn Jahren stark gestiegen: Um 57,3 Prozent in Ost- und 40,5 Prozent in Westdeutschland, auf 17,70 Euro pro Stunde. „Das betrifft die Gehälter der Kolleginnen und Kollegen ganz unmittelbar.“
Außerdem rechnet die Buchhalterin vor, dass eine Mitgliedschaft die Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Angestellten-Akademie de facto nichts kostet. Bei den Tarifverhandlungen im vergangenen Jahr konnte ver.di neben einer Lohnsteigerung erneut durchsetzen, dass Gewerkschaftsmitglieder jeden Monat einen Bonus von 50 Euro erhalten. In ihrer Mail weist Conny darauf hin, dass Dozent*innen und Pädagog*innen in Gehaltsgruppe 8 monatlich 3.041 Euro erhalten. Der ver.di-Beitrag in Höhe von einem Prozent vom Bruttogehalt beträgt demnach 30,41 Euro. Da bleibt vom Mitgliederbonus auf dem Konto sogar noch etwas übrig. „Also, was hält euch davon ab, ver.di-Mitglied zu werden?“, will Conny wissen. „Dazu würde ich mich wirklich über Rückmeldungen von euch freuen J“ Außerdem listet sie die Vorteile einer Mitgliedschaft auf, wie Rechtsberatung und Lohnsteuerservice.
In jeder Mail fügt Conny ein paar Sätze zur Geschichte der Gewerkschaftsbewegung hinzu. Stets bewusst nur drei, vier Zeilen, damit es nicht zu lang wird. Fortsetzung folgt. „Ich will darauf aufmerksam machen, dass nichts selbstverständlich ist“, sagt sie. „Früher sind Arbeiter sogar dafür gestorben, bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.“
Die Gewerkschafterin schreibt die Mails in ihrer Funktion als Mitglied der ver.di-Tarifkommission der DAA. Dabei grübelt sie nicht lange über Formulierungen oder Rechtschreibung, sondern bleibt ihrer lockeren Art treu. „Ich schreibe, wie mir der Schnabel gewachsen ist“, sagt Conny. Im Anhang schickt sie ein Foto von sich mit, und fügt jedes Mal einen lustigen Spruch am Ende hinzu, zum Beispiel: „Kannst du mir bei meinem Problem helfen? – Klar, wie groß soll denn werden?“ Oder: „Ich war so stolz auf die Lösung – leider passte sie nicht zum Problem.“ Nach den ersten Mails habe sie viele positive Reaktionen erhalten, berichtet Conny. Viele Kolleginnen und Kollegen ermutigten sie: „Super, mach weiter so!“ Auch die vielen Beitrittserklärungen ermunterten sie, weiterzumachen.
Ab und zu gibt es auch kritische Stimmen. Kürzlich schimpfte ein Kollege, ihr Stil sei „unerträglich“. Davon lässt sich Conny nicht unterkriegen. Im Gegenteil. Jetzt erst Recht. Lockerlassen kommt für sie nicht in Frage. „Ich höre erst auf, wenn alle ver.di-Mitglied sind“, verkündet die Gewerkschafterin. „Und wenn ich es bis an mein Lebensende durchziehe.“
veröffentlicht am 21. Februar 2022