Mit Äpfeln, Wäscheleinen und Selfies: Am bundesweiten Aktionstag für die Weiterbildung am 5. Oktober beteiligten sich viel mehr Beschäftigte als erwartet. Sie wollen endlich wahrgenommen werden, damit sich die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern. Fest steht: "Das war erst der Auftakt."
Mit dickem Filzstift haben die Kolleg*innen ihre Forderungen auf Plakate geschrieben und alle nebeneinander auf einer Wäscheleine aufgehängt. "Mehr Lohn", lässt sich die zentrale Botschaft kurz und knapp auf den Punkt bringen. "Die Weiterbildung ist eine ganz wichtige Säule in der Gesellschaft", sagt Betriebsrätin Antje Zahedi von der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) am Standort in Münster. Doch die Branche ist geprägt von prekären Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen. "Das passt nicht zusammen", findet die Gewerkschafterin. Höchste Zeit, dass sich daran etwas ändert. Deshalb sind die Kolleg*innen am bundesweiten Aktionstag für die Weiterbildung am 5. Oktober auf die Straße gegangen, haben aktive Mittagspausen abgehalten, Fotos ihrer Teams im Netz gepostet oder zu Betriebsversammlungen eingeladen. "Die Beteiligung übertraf alle Erwartungen", berichtet der zuständige ver.di-Sekretär Arnfried Gläser.
Mehr als 100 Standorte beteiligten sich am Aktionstag mit dem Motto "Nur mit guten Löhnen geht Bildung weiter" – und zwar aus allen Bereichen der Branche: der allgemeinen, kulturellen und politischen Erwachsenenbildung als auch der beruflichen Weiterbildung. Gerechnet hätten sie lediglich mit der Hälfte, sagt Arnfried Gläser. "Das war ein großartiger Startschuss." Die Kampagne zielt darauf ab, die Arbeitsbedingungen in der Weiterbildung grundlegend zu verbessern. Das gelte für das gesamte Personal, betont der Gewerkschafter, vom Hausmeister über den Fachangestellten bis zum Techniker und zur Bürokraft. "Wir haben alle im Blick." Es gelte, die gesamte Branche viel stärker in den Fokus zu rücken. Zwar sei die Weiterbildung in aller Munde, wenn es darum gehe, gesellschaftliche Herausforderungen wie Digitalisierung oder Fachkräftemangel zu meistern. "Doch sonst fällt sie immer hinten runter."
Das spürt auch Friederike Bamberg aus der Werkstatt im Kreis Unna immer wieder ganz deutlich. Zuletzt am Aktionstag. Als die Kolleg*innen in der Frühstückspause ihr Banner ausrollten und fürs Foto posierten, kamen sie auf der Straße mit Passant*innen ins Gespräch. "Kaum jemand weiß wirklich, was wir tun", resümiert Friederike Bamberg. "Es fehlt einfach an Wertschätzung für unsere Arbeit." Ihr Bildungsträger stelle unter anderem niedrigschwellige Angebote für Schüler*innen bereit, die nicht zur Schule gehen, erarbeite mit langzeitarbeitslosen und geflüchteten Menschen eine Perspektive, biete zudem Qualifikationen und Umschulungen an. "Bei uns erhalten Menschen, die aus den herkömmlichen Bildungseinrichtungen rausfallen, eine zweite Chance." Neben Schulen, Berufsschulen und Hochschulen spiele die Weiterbildung eine zentrale Rolle. Ihrem Bildungsauftrag könnten sie jedoch nur gerecht werden, wenn die Bedingungen stimmen. Dazu gehören Tarifverträge und höhere Löhne. "Sonst finden sich keine gut ausgebildeten und engagierten Menschen mehr, die in unserer Branche arbeiten."
Deshalb kam der Aktionstag gerade recht. Die Kolleg*innen in Unna formulierten ihre Forderungen, kreierten ein eigenes Motto – "Bildung braucht Gütesiegel und keine Preisschilder" – und hängten die Plakate überall im Betrieb auf, ob auf dem Flur oder auf der Toilette, niemand kam daran vorbei. Für Friederike Bamberg steht fest, dass sie sich weiter für die Verbesserungen der Rahmenbedingungen einsetzen: "Das war erst der Auftakt."
Auch bei der DAA in Münster war die Aktion in der aktiven Mittagspause erst der Anfang. Die Kolleg*innen verteilten Müsliriegel und Äpfel, sprachen darüber, dass Mieten und Lebensmittel steigen – und fragten sich: "Was ist mit den Löhnen?" Die Hälfte aller Beschäftigten am Standort war mit von der Partie. "Die Stimmung war super", sagt Antje Zahedi. Die Aktion habe Mut gemacht. "Wir müssen uns mehr raus wagen, damit wir wahrgenommen werden", meint die Gewerkschafterin. Sie ist überzeugt: "Wir haben gute Chancen, dass sich etwas ändert."
veröffentlicht/aktualisiert am 18. Oktober 2022