Dies ist keiner der vielen Appelle, mit denen Gesundheitsbeschäftigte bessere Arbeitsbedingungen einfordern. Die 8.397 Unterschriften von Beschäftigten der öffentlichen Kliniken Berlins und ihrer Tochterunternehmen, die zum »Tag der Pflegenden« am 12. Mai übergeben wurden, sind weit mehr als das. Sie sind eine starke Ansage an Landespolitik und Arbeitgeber: Entweder sorgen sie binnen 100 Tagen für Entlastung in den Kliniken und die Einführung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) in allen Konzernteilen – oder es wird gestreikt, und zwar mitten im Wahlkampf zum Bundestag und zum Berliner Abgeordnetenhaus.
»Die Uhr tickt – ab heute gilt das 100-Tage-Ultimatum«, sagte die Intensivpflegerin und Gesamtpersonalratsvorsitzende der Charité, Dana Lützkendorf, bei der Kundgebung vor dem Roten Rathaus. Bis zum 20. August müssten spürbare Verbesserungen vereinbart werden, sonst werde gestreikt. Das haben 8.397 Klinikbeschäftigte mit ihrer Unterschrift angekündigt – 63 Prozent all derjenigen, die von den geforderten Tarifverträgen profitieren würden. In der Rettungsstelle des Vivantes Humboldt-Klinikums in Berlin-Reinickendorf haben alle 38 Beschäftigten unterschrieben. Und nicht nur das. 80 Prozent sind auch bei ver.di eingetreten. »Früher waren vielleicht drei oder vier in der Gewerkschaft«, erinnert sich Stella Merendino, die selbst erst dieses Jahr Mitglied geworden ist. Jetzt ist sie als Teamdelegierte aktiv und hat ihre Kolleg*innen in vielen Gesprächen davon überzeugt, sich ebenfalls zu organisieren. »Das war easy cake, total leicht, weil alle längst keinen Bock mehr hatten und was ändern wollten.«
Schon vor der Corona-Pandemie seien die Zustände katastrophal gewesen. »2019 war das Höllenjahr und dann kam auch noch Corona oben drauf. Wir arbeiten in absoluter Mindestbesetzung und kommen nicht hinterher, der Frust ist riesig«, berichtet Merendino. Bereits im vergangenen Jahr war sich das Team daher einig, dass man eigentlich streiken müsste. »Wann, wenn nicht jetzt?«, sagt die 27-Jährige, das Ultimatum komme genau zur richtigen Zeit.
Das findet auch Lynn Stephainski, die als Physiotherapeutin bei der Vivantes Rehabilitations GmbH arbeitet, in der kein Tarifvertrag gilt. Vor anderthalb Jahren hatte sie mit einigen Kolleg*innen deshalb begonnen, eine ver.di-Betriebsgruppe aufzubauen. Zuvor war nur eine Handvoll der 69 Angestellten gewerkschaftlich organisiert gewesen. Inzwischen ist es die Mehrheit. Beim ersten Warnstreik am 12. Mai waren über zwei Drittel mit draußen. »Das war ein starkes Zeichen, aber das wird nicht reichen«, ist Stephainski überzeugt. Die Therapeutin vertritt ihre Kolleg*innen in der ver.di-Tarifkommission, die für die Beschäftigten von sechs Vivantes-Tochterunternehmen verhandelt. Die gemeinsame Forderung: TVöD für alle – so, wie es das Berliner Abgeordnetenhaus für die kommunalen Unternehmen eigentlich längst beschlossen hat. »Wenn wir in den Töchtern gemeinsam kämpfen und dann auch noch die Klinikbeschäftigten für Entlastung streiken, machen wir enormen Druck«, ist Stephainski überzeugt. »Senat und Arbeitgeber sollten sich bis zum 20. August gut überlegen, ob sie es darauf ankommen lassen wollen.«