Fast zwei Wochen war Milena, 25, nicht mehr einkaufen. »Das Geld ist gerade sehr knapp«, sagt die Studentin der Sozialen Arbeit aus Fulda. »Diesen Monat musste ich noch den Semesterbeitrag wuppen.« Frisches Obst oder Gemüse ist deshalb aktuell nicht drin. Wenn die Studentin ab und zu in der Mensa zu Mittag isst, reicht es immer nur für Nudeln mit Soße, für 2,40 Euro. Der Akku ihres alten Handys mit Prepaid-Karte hält nicht mehr lange. Doch an ein neues Smartphone oder gar Urlaub ist nicht zu denken. »Das ist Luxus«, meint Milena. Als studentische Hilfskraft verdient sie 12,50 Euro pro Stunde. Seit die Preise so stark steigen, muss sie immer mehr arbeiten, um über die Runden zu kommen. Darunter leide das Studium, bedauert sie. Die Bachelorarbeit habe sie gerade um ein Semester nach hinten verschoben.
Damit ist sie keine Ausnahme. Weil derzeit so viele Studierende unter Geldnot leiden, hat die 25-Jährige eine Kundgebung auf dem Campus in Fulda mit auf die Beine gestellt: »Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie es uns Studierenden gerade geht.«
Auch in Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Kassel und Marburg gingen die jungen Leute am 17. Januar auf die Straße. Eigentlich zielte der hessenweite Aktionstag von ver.di und GEW darauf, mehr Tempo bei Entfristungen einzufordern. Doch die Studierenden schlossen sich kurzerhand den Protesten an. In Fulda versammelten sich rund 130 Menschen bei eisiger Kälte vor der Mensa, viele von ihnen ergriffen spontan das Wort und schilderten ihre persönliche Situation. »Ich bin superstolz auf sie«, sagt Milena. »Gemeinsam versuchen wir, etwas zu bewegen.«
Auch Mirko, 26, beteiligte sich an der Kundgebung. Der Student hat keine Familie, die ihn finanziell unterstützt. Er habe sich aus eigener Kraft hochgekämpft, berichtet er. Erst besuchte er die Förderschule, holte später das Fachabitur nach, machte eine Ausbildung im Einzelhandel – und arbeitete immer nebenbei. »Wären die Zeiten da schon so hart gewesen wie jetzt, mit so hoher Inflation, wäre das nicht möglich gewesen«, ist Mirko überzeugt, »keine Chance.« Das sei ungerecht. Auch junge Menschen ohne reiche Eltern müssten eine faire Chance erhalten. Auf sein BAföG habe er ewig warten müssen, obwohl er alle Anträge pünktlich abgeliefert habe. »Ich saß zum Schluss komplett ohne Geld da.« Auf dem Amt riet ihm ein Mitarbeiter, sich doch an die Essenausgabe der Tafel zu wenden. »Noch ein, zwei Wochen länger – und ich wäre geliefert gewesen.«
Mirko ergatterte ein Appartement im Studentenwohnheim in Fulda. »Im allerallerletzten Moment.« Zwei Wochen vor Start des Semesters, ein Kellerzimmer für 295 Euro. »Ein echter Glücksfall«, findet der Student. Nebenbei arbeitet er zwei- bis dreimal pro Woche für zwölf Euro pro Stunde in einem Jugendzentrum. »Das ist sehr zeitaufwendig«, sagt Mirko. »Das Studium bleibt dabei manchmal etwas auf der Strecke.« Kürzlich sei er durch eine Prüfung gefallen, weil er kaum Zeit zum Lernen hatte.
Alexander vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Hochschule Fulda fordert rasch mehr Unterstützung für Studierende: »Viele fühlen sich im Stich gelassen.« Nach Angaben des Statistischen Bundesamts galt bereits 2021 – und damit vor der aktuellen Energiepreiskrise und der extrem hohen Inflation – weit mehr als jeder dritte Studierende als armutsgefährdet. Wohnten die Studierenden nicht mehr zu Hause, waren sogar Dreiviertel betroffen. Schon damals waren fast zwei von fünf Stu-
dierenden nicht in der Lage, unerwartete größere Ausgaben zu bestreiten. »Jetzt hat sich die Situation noch verschärft«, sagt Alexander, »viele müssen wirklich jeden Cent zweimal umdrehen.« Nach Ansicht des Generalsekretärs des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, muss sich deshalb vor allem beim BAföG dringend etwas tun. Die Studienfinanzierung sei der zentrale Hebel, um die Not zu lindern. Der BAföG-Grundbedarf von 452 Euro liege unter dem Existenzminimum, kritisiert Anbuhl. Außerdem sei die Wohnpauschale so niedrig, dass sich Studierende bei den heutigen Mietpreisen in den meisten Hochschulstädten davon kaum ein WG-Zimmer leisten könnten. Hinzu kommt: Nur etwa 11 Prozent aller Studierenden erhalten BAföG, ein historischer Tiefstwert, vor zehn Jahren waren es noch 25 bis 30 Prozent. »So viele von uns sind nur noch am Struggeln«, sagt Milena. »Immer heißt es, wir seien die Zukunft. Aber jetzt ist unsere Not groß.«
Kathrin Hedtke
In finanziellen Notlagen können Studierende bei den Studierendenwerken Unterstützung bekommen. Es empfiehlt sich, bei Problemen nicht lange zu zögern, sondern direkt die Sozialberatung in Anspruch zu nehmen. Dort gibt es praktische Tipps, welche Hilfeleistungen in Frage kommen. Viele Studierendenwerke verfügen über Sozialfonds. Aus diesem Topf können Studierende in akuter Geldnot einmalige Zuschüsse beantragen, beispielsweise für kostenloses Essen in der Mensa. Sogenannte Freitische sind an fast allen Hochschulen üblich, dabei wird die Mensakarte mit einem Geldbetrag aufgeladen. Bei sozialen Härtefällen ist es mitunter auch möglich, den Semesterbeitrag erstattet zu bekommen oder Wohngeld zu erhalten. Außerdem gibt es die Möglichkeit, zinslose Darlehen zu beantragen. Allerdings sind die Angebote und Bedingungen überall unterschiedlich. Die Sozialberatung am jeweiligen Standort kann am besten weiterhelfen.
Studierende und Fachschüler*innen können die von der Bundesregierung schon vor Monaten beschlossene Energiepreispauschale endlich beantragen: