Einen »märchenhaften Tarifvertrag« nennt pflegen-online die Vereinbarung, die ver.di Mitte Juli mit den Waldkliniken Eisenberg in Thüringen geschlossen hat. So wird die Wochenarbeitszeit der rund 700 Beschäftigten bis 2028 von 40 auf 35 Stunden verkürzt – ohne Lohnverlust. Die Gehälter steigen um bis zu neun Prozent, plus Einmalprämie zum Inflationsausgleich von 3.000 Euro. »Die Waldkliniken geben die richtige Antwort auf die steigenden Lebenshaltungskosten. Zugleich verbessern die Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf«, erklärt ver.di-Verhandlungsführer Bernd Becker.
Auf einem Lebensarbeitszeitkonto können Beschäftigte Zeit in Form eines Geldguthabens ansparen. »Ältere können damit früher in Rente gehen, Jüngere sich Zeit für die Familie nehmen oder ein Sabbatical machen – wie es zu ihrer jeweiligen Lebenssituation passt«, erläutert Becker. Entlastung gibt es zudem durch 31 statt 30 Urlaubstage im Jahr sowie die Garantie, dass Kolleg*innen im Schichtbetrieb pro Quartal sechs freie Wochenenden zustehen. Zudem werden sachgrundlos befristete Arbeitsverträge ausgeschlossen.
»Richtig gut ist auch, dass der Tarifvertrag schrittweise auf alle Tochtergesellschaften übertragen wird, inklusive des Medizinischen Versorgungszentrums«, betont Becker. »Damit gilt endlich wieder: ein Betrieb – eine Belegschaft – ein Tarifvertrag.« Nicht nur in diesem Punkt sollten sich andere Einrichtungen ein Beispiel nehmen, findet der Gewerkschafter. »Statt mit Abwerbeprämien und Leiharbeit sollten Arbeitgeber mit guten Arbeitsbedingungen auf den Mangel an Arbeitskräften reagieren. Eisenberg macht es vor.«
Und das ganz bewusst. »Wir gestalten hier in Eisenberg das Krankenhaus der Zukunft – für Patienten und für Mitarbeiter«, sagt Geschäftsführer David-Ruben Thies. »Dafür schaffen wir den bestmöglichen Rahmen und haben genau hingehört, was für unsere Mitarbeitenden wichtig ist. Jetzt freuen wir uns sehr, dass wir gemeinsam mit ver.di eine Lösung erarbeiten konnten.« Diese Lösung will der Chef der Waldkliniken allein den ver.di-Mitgliedern zugutekommen lassen, was der Gesetzeslage entspricht: Laut Tarifvertragsgesetz haben nur Gewerkschafter*innen einen Rechtsanspruch auf die Leistungen des Tarifvertrags.
»Tarifverträge gibt es nur, weil sich Beschäftigte in der Gewerkschaft engagieren«, erklärt Bernd Becker. »Insofern ist es nur folgerichtig, dass der Tarifvertrag in Eisenberg nur für Mitglieder gelten soll.« In der Belegschaft, wo ver.di zuvor nur wenige Mitglieder hatte, wird die Vereinbarung jedenfalls gut angenommen.
Über 450 Kolleg*innen sind ver.di bereits beigetreten. »Dieser Tarifvertrag ist kein Märchen, sondern Realität«, betont Becker. »Eine Realität, die auch anderswo zum Tragen kommen sollte, um das Gesundheitswesen für Beschäftigte attraktiver zu machen.«
Ein ausführliches Interview mit dem ver.di-Verhandlungsführer Bernd Becker gibt es hier.