»Es ist jahrelang demonstriert worden gegen die Fallpauschalen – wir schaffen sie jetzt ab.« Das verkündete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Anfang Juli auf der ver.di-Kundgebungsbühne vor der Gesundheitsministerkonferenz in Friedrichshafen. So werde »die Spirale aus immer mehr Fällen, immer mehr arbeiten, immer mehr Burn-out, immer weniger Personal durchbrochen«. Doch es darf bezweifelt werden, dass die Krankenhausreform, auf die sich Bund und Länder kurz darauf einigten, diesem Anspruch gerecht wird. Zudem könnten etliche Kliniken aus finanziellen Gründen geschlossen werden, noch bevor die Reform umgesetzt ist.
Der zwischen Bund und Ländern gefundene Kompromiss sei »weit weg von einer Revolution«, stellte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler fest. Wirtschaftlichen Druck von den Kliniken zu nehmen, sei überfällig. Doch ob das durch die Einführung von Vorhaltepauschalen erreicht wird, die 60 Prozent der Finanzierung ausmachen sollen, müsse sich in der konkreten Ausgestaltung erst noch erweisen. Denn 40 Prozent der Einnahmen sollen weiterhin über Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) verteilt werden – trotz der dadurch verursachten Fehlsteuerungen. ver.di kritisiert zudem, dass der Druck zur Senkung der Personalkosten außerhalb der Pflege am Bett bestehen bleibt.
Wirksam werden soll die Reform frühestens 2027. Doch bis dahin sehen 69 Prozent der Krankenhäuser ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet, wenn der Staat kurzfristig keine Unterstützung leistet. »Keine Klinik darf aus akuter wirtschaftlicher Not geschlossen werden, bevor die Reform überhaupt greifen kann«, forderte Bühler. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schlug ebenfalls Alarm und rief für den 20. September zu einem Aktionstag auf, an dem sich auch ver.di beteiligte (nach Redaktionsschluss).
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Es braucht schnell zweckgebundene Hilfen zur Finanzierung steigender Energie- und Sachkosten sowie zusätzlicher Personalkosten.
Einführung einer selbstkostendeckenden Refinanzierung – wie im Pflegebudget – für alle Berufsgruppen und Tätigkeiten im Krankenhaus.
Stattdessen: Refinanzierung aller bei wirtschaftlicher Betriebsführung entstehenden Kosten.
Die Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser durch die Länder muss langfristig gesichert sein und dauerhaft auf bedarfsgerechtem Niveau liegen.
Qualität kann nicht nur an technischen und räumlichen Merkmalen oder der Menge gemessen werden. Entscheidend für die Versorgungsqualität ist eine bedarfsgerechte Personalausstattung. Die Personalvorgaben für die Krankenhauspflege (PPR 2.0), Intensivstationen (INPULS), Psychiatrien und psychiatrische Fachabteilungen (PPP-RL) müssen vollständig und verbindlich umgesetzt werden. Auch in allen anderen Bereichen braucht es genug Personal.
Um die Versorgung langfristig zu sichern, braucht es genug Fachkräfte. Es müssen mehr Menschen für die Gesundheitsfachberufe gewonnen, gut ausgebildet und mit guten Bedingungen im Beruf gehalten werden. Der aktuelle Rückgang der Ausbildungszahlen in der Pflege ist ein Alarmsignal. Für die Ausbildung im Krankenhaus sind klare Qualitätsvorgaben nötig: verbindliche Ausbildungspläne, Vergütung, Zeit für Praxisanleitung, genug Ausbildungspersonal und kostenfreie Lehrmittel müssen Standard sein.
Bereits heute besteht in zahlreichen Regionen eine Unterversorgung durch Haus- und Fachärzt*innen. Eine sektorenübergreifende, integrierte Versorgungsplanung auf Länder- und Regionsebene ist unerlässlich.
Tagespauschalen schaffen permanenten Kostendruck. Stattdessen braucht es auch hier eine bedarfsgerechte Finanzierung. Kein Aufweichen des Pflegebudgets. Gesetzliche Schutzmaßnahmen gegen den Einstieg renditegetriebener Investoren auf dieser Versorgungsebene. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung müssen sektorenübergreifende Einrichtungen regulär betreiben können. Level I i-Kliniken dürfen nicht von der Notfallversorgung abgekoppelt werden, wenn Erreichbarkeit und Versorgungsqualität im Notfall sonst gefährdet sind.
Falls Kliniken im Zuge der Reform umgewandelt werden, sollen damit Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung, zur Qualifikation und Weiterbildung der Beschäftigten finanziert werden.
Krankenhäuser funktionieren nur mit Teamarbeit. Fremdvergaben sowie Werk- bzw. Dienstverträge erschweren die Zusammenarbeit, die Arbeitsbedingungen und Versorgungsqualität leiden. Deshalb muss die Zersplitterung durch Outsourcing gestoppt und zurückgenommen werden.
Kaiser und Adel aus, um dann doch Angst vor der eigenen Courage zu bekommen. 175 Jahre später droht auch die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) propagierte »Gesundheitsrevolution« auf halber Strecke stehenzubleiben. Die Finanzierung über Fallpauschalen (DRGs) soll zwar etwas zurückgedrängt werden, das DRG-System aber trotz all seiner Fehlanreize erhalten bleiben. Andere Teile der geplanten Krankenhausreform könnten den Wettbewerb unter den Kliniken sogar noch anheizen. Abgesehen davon, dass etliche Krankenhäuser die Reform gar nicht mehr erleben dürften, weil sie aufgrund fehlender Finanzhilfen schon vorher Pleite gegangen sind. Noch ist Zeit, das zu verhindern und dafür zu sorgen, dass am Ende zumindest eine ordentliche Reform herauskommt. Wenn schon keine Revolution.
Daniel Behruzi