Private Konzerne

"Unheimlich kreativ"

31.10.2016

drei: Die Beschäftigten der Ameos-Kliniken in Hildesheim und Osnabrück haben Anfang August zwölf Wochen lang für einen neuen Tarifvertrag gestreikt. Wie ist das Ergebnis ausgefallen?

Michael Krömker: Den Umständen entsprechend ist es absolut positiv. Am Ende der dreijährigen Laufzeit wird das Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) wieder erreicht, auch für die Auszubildenden. Der Kündigungsschutz gilt für weitere drei Jahre. Das war uns sehr wichtig. Ebenso die Regelung, dass insgesamt 50 Leihbeschäftigte in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden.

Warum war euch der Kündigungsschutz so wichtig?

Für viele Kolleginnen und Kollegen war das die zentrale Forderung. Denn das Unternehmen hat anderswo gezeigt, dass es auch vor betriebsbedingten Kündigungen nicht zurückschreckt – zum Teil ohne Interessenausgleich und Sozialplan. Dagegen wollten wir uns unbedingt absichern.

 
Michael Krömker, Betriebsratsvorsitzender Ameos-Klinik Osnabrück

Und weshalb habt ihr euch auch für die Leiharbeiter eingesetzt?

Das sind Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten und Sozialarbeiter, die dieselbe Arbeit machen wie Festangestellte – für bis zu 25 Prozent weniger Gehalt. Sie sind nicht tarifgebunden und habe keine echte betriebliche Altersversorgung. Gegen diese Benachteiligung streiten wir auch als Betriebsräte, weshalb wir uns regelmäßig vor Arbeitsgerichten wiederfinden. Leider konnten wir den Grundsatz gleicher Bezahlung in dem Tarifvertrag nicht durchsetzen. Aber immerhin: 50 Kolleginnen und Kollegen haben nun eine Perspektive.

Eigentlich besagt eine EU-Richtlinie, dass für gleiche Arbeit das gleiche Geld bezahlt werden muss. Es ist schlimm, dass das Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (AÜG) dennoch die Diskriminierung von Leiharbeitern zulässt, wenn für sie anderweitig Tarifverträge gelten. Wir hatten gehofft, dass die neue Gesetzesinitiative von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) damit Schluss macht. Leider scheint das nun doch nicht der Fall zu sein.

Warum hat sich der Konflikt so lange hingezogen?

Der Arbeitgeber hat bei den Verhandlungen zunächst nur blockiert. Deshalb mussten wir in Aktion treten. Die Belegungszahlen sind infolge des Streiks deutlich zurückgegangen. Das und der öffentliche Druck waren entscheidend dafür, dass sich das Unternehmen am Ende doch noch bewegt hat.

Wie habt ihr denn öffentlichen Druck entwickelt?

Die Kolleginnen und Kollegen haben beim Streik nicht nur herumgesessen, sondern waren unheimlich aktiv und kreativ. Wir haben etliche Aktionen in der Stadt gemacht. Mit unserer riesigen Heuschrecke haben wir viel Aufmerksamkeit erregt. Die Streikenden haben »Pappkameraden« zu den Protesten mitgebracht, um darauf hinzuweisen, dass viele Beschäftigte wegen Notdiensten nicht teilnehmen konnten. Auch sie haben zu dem Erfolg beigetragen, das ist ganz wichtig. Sie haben den Betrieb mit noch weniger Personal aufrechterhalten als sonst – eine immense Leistung.

Wir hatten eine riesige Solidarität aus dem ganzen Bundesgebiet. Auch deshalb haben die Kolleginnen und Kollegen so lange durchgehalten. Es gab eine große Unterstützung aus der Bevölkerung, von Verbänden, aus der Politik. Die Medien haben oft berichtet. Dieser öffentliche Druck hat mit den Ausschlag gegeben, denn Ameos mag es gar nicht, negativ in den Schlagzeilen zu stehen.

Hat Ameos Druck auf die Streikenden ausgeübt?

In Osnabrück gab es keine Maßregelungen, in Hildesheim aber schon. Dort wurden während des Streiks Kündigungen und Versetzungen ausgesprochen, zum Beispiel gegenüber Leiharbeitern. Dabei haben diese Kolleginnen und Kollegen lediglich gemacht, was sowohl im Gesetz als auch im Tarifvertrag steht: Sie haben Streikbrucharbeiten verweigert. Natürlich haben wir beim Tarifabschluss darauf bestanden, dass all das zurückgenommen wird – was auch geschehen ist.

Wie haben die Kolleginnen die zwölf Wochen durchgehalten?

Es war eine enorme Kraftanstrengung. Streik ist alles andere als ein Spaziergang. Dennoch waren die Leute sehr motiviert. Sie hätten auch noch weitergemacht.

Interview: Daniel Behruzi

 

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