Private Konzerne

Privatisiert – abkassiert

Harte Tarifkonflikte, Ausgliederung, Leiharbeit: Wenn profitorientierte Konzerne Gesundheits­einrichtungen übernehmen, stehen erkämpfte Standards auf dem Spiel
31.10.2016
Bei den Aktionen der Ameos-Beschäftigten immer dabei: Die Heuschrecke als Symbol gieriger Finanzinvestoren

Privat vor Staat. Dieses neoliberale Motto macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Welche Folgen das hat, zeigt das Beispiel Ameos. Vor rund zehn Jahren hat das Schweizer Unternehmen die psychiatrischen Landeskrankenhäuser in Osnabrück und Hildesheim übernommen. Seither müssen die Belegschaften immer wieder erbittert um Tarifverträge und gute Arbeitsbedingungen kämpfen. Am städtischen Klinikum Esslingen haben die Beschäftigten verhindert, dass es ihnen ähnlich ergeht.

Für die Gewerkschafter bei Ameos steht fest: »Unsere Befürchtungen sind fast alle Realität geworden.« 2005 fasste Niedersachsens Landesregierung unter Ministerpräsident Christian Wulff und Sozialministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) den Beschluss, die psychiatrischen Landeskrankenhäuser zu verkaufen. In Hildesheim und Osnabrück machte Ameos das Rennen. Der Konzern mit insgesamt rund 12.000 Beschäftigten hat sich auf den Betrieb von Psychiatrien spezialisiert. Für die Mehrheitseigner – die Investmentfonds Carlyle und Quadriga – ist das offenbar ein einträg­liches Geschäft, auch wenn Ameos beteuert, sämtliche Gewinne zu reinvestieren.

»Psychiatrie ist keine Ware«

Schon vor dem Verkauf standen die Häuser wirtschaftlich gut da, erinnert sich die damalige Krankenschwester und Betriebsrätin Nicole Verlage. Der Wulff-Regierung sei es nicht darum gegangen, defizitäre Einrichtungen loszuwerden. Vielmehr sollte der Landeshaushalt durch die Privatisierungserlöse aufgehübscht werden. »Der Effekt ist ganz schnell verpufft, zumal der Preis lächerlich niedrig war«, so Verlage. Die Belegschaft und ihre Interessenvertreter lehnten den Verkauf vehement ab. »Wir haben klar gesagt: Psychiatrie ist keine Ware. Besonders Zwangsunterbringungen und der Maßregelvollzug sind hoheitliche Aufgaben, die in die Hand des Staates gehören.«

Verhindern konnten sie die Privatisierung nicht. Immerhin setzte ver.di einen Überleitungstarifvertrag durch, der die Beschäftigungsbedingungen für mehrere Jahre absicherte. Doch nach Auslaufen dieser Vereinbarung wollte Ameos erst gar nicht über einen neuen Tarifvertrag verhandeln. »2014 mussten die Kolleginnen und Kollegen sieben Wochen streiken, um den Arbeitgeber überhaupt an den Verhandlungstisch zu bringen«, berichtet Verlage, die inzwischen als ver.di-Sekretärin für Ameos zuständig ist. Im Frühsommer 2016 dauerte der Arbeitskampf gar zwölf Wochen. »Dass es solche Konflikte gibt, hat viel mit der Politik der Gewinnmaximierung von Ameos zu tun«, meint sie.

Diesem Ziel diene auch der Einsatz etlicher Leiharbeiter sowie die Ausgliederung von Küche, Technik, Reinigung und anderen Tätigkeiten in eigenständige Tochterfirmen. Dort gibt es weder Tarifverträge noch Betriebsräte. »Es geht darum, Personalkosten zu drücken und die Mitbestimmung zu umgehen«, ist die Gewerkschafterin überzeugt. Das gebe es zwar auch in öffentlichen Einrichtungen. »Aber private Betreiber sind da noch eine Spur härter.«

 
Personalkosten verschiedener Träger

Esslingen: keine Privatisierung

Die Beschäftigten im Klinikum Esslingen waren durch solche Erfahrungen gewarnt. Als der Gemeinderat der schwäbischen Kreisstadt mit dem Verkauf seines Krankenhauses der Zentralversorgung liebäugelte, machten die Belegschaftsvertreter frühzeitig dagegen mobil. »Wir haben uns bei Betriebsräten privater Einrichtungen gezielt nach den dortigen Arbeitsbedingungen erkundigt «, berichtet die Betriebsratsvorsitzende Beate Müller. Das Ergebnis: Bei den Privaten wird in der Regel schlechter bezahlt – vor allem in den unteren Lohngruppen. Die Beschäftigten haben oft keine betriebliche Altersversorgung, Dienstleistungen werden ausgegliedert, Personal abgebaut.

»Deshalb haben wir unzählige Gespräche geführt und verhandelt – mit dem Krankenhausdezernenten, den Kostenträgern, allen Parteien und natürlich immer wieder mit den Kolleginnen und Kollegen«, erklärt Müller. 1.300 Beschäftigte sprachen sich in einer Petition für den vollständigen Erhalt der öffentlichen Trägerschaft aus. Auch der Ärztliche Direktor Michael Geißler warb für dieses Anliegen. »Es war wichtig, dass alle an einem Strang gezogen haben, das hatte letztlich Erfolg«, betont Müller.

SPD, Grüne und Linke waren schnell überzeugt. Bei der entscheidenden Gemeinderatssitzung Anfang Mai votierten auch die CDU und die Freien Wähler dafür, das Klinikum in städtischem Besitz zu belassen und dessen Schulden durch Zuschüsse zu reduzieren. In der Belegschaft sei eine »riesige Erleichterung« spürbar, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Der Erfolg erregt auch bundesweit Aufsehen: Der Betriebsrat des Esslinger Klinikums ist einer von zehn Nominierten für den Deutschen Betriebsrätepreis.

Auch der Betriebsrat der Leben mit Behinderung Sozialeinrichtungen gGmbH wurde für den Betriebs­rätepreis nominiert. Weitere Infos: www.bit.ly/BR-Preis

Kasse machen mit Gesundheit

In seiner Selbstdarstellung betont Ameos, es würden »weder Dividenden ausgeschüttet noch anderweitig Gewinne an die Gesellschafter abgeführt«. Stattdessen verblieben die erwirtschafteten Überschüsse im Unternehmen, »um die bestehenden Versorgungsangebote weiterzuentwickeln und neue Versorgungsangebote aufzubauen«. Klingt gut, geradezu selbstlos. Ist es aber nicht. Die Strategie der Ameos-Gesellschafter ist es offenbar, den Wert ihres »Investments« zu steigern – und am Ende durch den Verkauf ihrer Anteile Kasse zu machen. Ein anderes Ziel haben Fonds wie die Ameos-Eigentümer Carlyle und Quadriga schließlich nicht. So oder so: Dem Gesundheitswesen wird Geld entzogen, Sozialversicherungsbeiträge werden zweckentfremdet.