Die Last der Betreuung Pflegebedürftiger wird hierzulande bewusst auf die Familien abgewälzt. Nach dem Grundsatz »ambulant vor stationär« werden 71 Prozent dieser Menschen zu Hause gepflegt. Je länger eine solche Situation andauert, desto höher ist die finanzielle und menschliche Belastung der Angehörigen. »Holen wir doch eine Polin zur 24-Stunden-Pflege ins Haus«, heißt es dann oft.
Fast immer sind es Migrantinnen, die Pflegebedürftige rund um die Uhr in deren Wohnung betreuen und die meisten pflegerischen Aufgaben übernehmen. Der Theologe und Ökonom Bernhard Emunds geht in seinem Buch der Frage nach, wie es um die Arbeitsbedingungen dieser mehr als 100.000 »Live-In«-Pflegekräfte bestellt ist und wer von der Not beider Seiten profitiert.
Der Leiter des Frankfurter Nell-Breuning-Instituts kritisiert, dass sich die deutsche Politik bisher völlig der Aufgabe entzogen habe, die Beschäftigungsverhältnisse in der 24-Stunden-Pflege gerecht zu gestalten. Er entwirft einen Vorschlag, wie für diese Frauen menschenwürdige Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden könnten. Daneben gibt er Hinweise für Angehörige Pflegebedürftiger, wie sie Verträge und Arbeitsbedingungen gestalten sollten.
Eine echte Verbesserung für die Betroffenen brächte die längst überfällige Umsetzung der ILO-Konvention 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte auch in Deutschland. Aber dies bedarf des Drucks der politischen Öffentlichkeit, also jeder und jedes Einzelnen.
Klaus-Uwe Ittner
Bernhard Emunds: Damit es Oma gutgeht. Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2016, 224 Seiten, 17,50 Euro, ISBN 978-3-86489-129-8