Wäscherei

Billig um jeden Preis

Bei Hitze und Lärm reinigen die Frauen tonnenweise Schmutzwäsche. Viel Geld bekommen sie dafür nicht. Aber es geht noch billiger. Deshalb muss die Wäscherei des Klinikums Saarbrücken schließen | Kathrin Hedtke
11.04.2017
Wäscherei Klinikum Saarbruecken

Die Luft in der Halle ist schwül, überall brummt und dröhnt es. In der Wäscherei des Klinikums Saarbrücken drängt auf einem grünen Förderband unablässig feuchte Wäsche heran, frisch aus der Maschine, sauber und desinfiziert: Weiße Bettlaken, hellblaue Frotteehandtücher, gepunktete OP-Leibchen, Kinderbettwäsche und Pflegekittel. Alles, was in einem Krankenhaus so anfällt, ineinander verknäult. Eine Frau im Kittel zieht aus dem Wirrwarr ein nasses Wäscheteil nach dem anderen heraus, sortiert es in Metallcontainer. »Klick, klack«, ein paar Schritte weiter rattern auf einer Stange automatisch Kleiderbügel heran. Immer wieder bückt sich Ulrike R., greift eine blaue Arbeitshose aus der Kiste, faltet sie in der Mitte, klemmt sie in den Bügel. »Zisch«, und die nächste. Und immer so weiter. Klar sei die Arbeit anstrengend, sagt die 63-Jährige. »Aber das hält auch fit.« Sie brauche kein Fitnessstudio. Und außerdem: »Irgendetwas schaffen muss man ja.«

 
Dienstkleidung: Gewaschen in eigener Wäscherei im Klinikum Saarbruecken

»Wie in der Sauna«

Am liebsten legt Ulrike R. bunte Strampelanzüge für die Säuglingsstation zusammen. Stundenlang. Ab und zu plaudert sie ein paar Worte mit ihrer Kollegin Helga M., die neben ihr an der Presse ein Bauwollshirt nach dem anderen glatt drückt. Allerdings muss sie dabei schreien und jeden Satz wiederholen. Sonst kommt sie nicht gegen das Poltern des Trockners an. »Der Lärm ist furchtbar«, ruft Helga M. und verzieht das Gesicht. Sie habe es mit Ohrstöpseln probiert, ohne Erfolg. Hinzu kommt die Hitze. Und die Luftfeuchtigkeit. »Vor allem im Sommer ist es extrem«, sagt Ulrike R.. »Wie in der Sauna.« Und wenn es regnet, fügt Helga M. hinzu. Dann schlössen sich die Dachfenster und der Dampf könne nicht abziehen. Alles nicht so schlimm, findet Ulrike R.. »Es hört sich vielleicht komisch an, aber man gewöhnt sich daran.«
Doch damit ist Schluss. Die Wäscherei schließt zum 1. Mai. Aus Kostengründen. Die Beschäftigten – fast nur Frauen – haben jeden Tag elf Tonnen Wäsche gereinigt und gemangelt, nicht nur fürs eigene Haus. Alleine fünf Tonnen gingen an das Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern. Doch als das öffentliche Krankenhaus den Auftrag kürzlich ausschrieb, gab eine private Großwäscherei ein günstigeres Angebot ab. Damit rechnet sich der Betrieb in Saarbrücken nicht mehr. Die Klinikwäscherei muss dicht machen. 46 Stellen fallen weg. »Da war nicht viel zu machen«, bedauert Betriebsrat Wolfgang Rau. Wenigstens gebe es keine Kündigungen: Alle festangestellten Kolleginnen hätten andere Jobs im Krankenhaus gefunden. Zehn befristete Verträge laufen aus.

 
Beate G.: Die Krankenhäuser sind finanziell viel zu schlecht ausgestattet. Deshalb gründen sie Servicegesell-schaften, betreiben Lohndumping. Doch selbst das reicht nicht mehr aus. Eine Folge ist Fremdvergabe. Das ist schlimm.

Ein Teil des Krankenhauses

Der Verlust von 46 Arbeitsplätzen sei schlimm, sagt Wolfgang Rau. Zumal es in der Wäscherei noch relativ viele Vollzeitstellen gegeben habe. Der Betrieb sei zwar schon vor Jahren in eine Servicegesellschaft ausgegliedert worden, zu deutlich niedrigeren Löhnen, aber mit Tarifvertrag. Für eine Vollzeitstelle gibt es etwa 1.800 Euro brutto, das entspricht knapp elf Euro pro Stunde. »Nicht viel«, betont der Betriebsrat. »Aber immerhin.« In der Region gebe es für un- und angelernte Arbeitskräfte sonst kaum noch Arbeit. Früher hätten die Leute mit einem Job im Bergbau ihre Familien ernähren können. »Aber das ist vorbei«, sagt er. »Was sollen diese Menschen machen?«

 
Wolfgang Rau: Die Kolleginnen in der Wäscherei arbeiten ohnehin schon in einer Servicegesellschaft zu abgesenkten Tarifen. Doch künftig sind die Arbeitsbedingungen richtig prekär. In vielen Großwäschereien gibt es vor allem 400-Euro-Jobs. Sozialversicherungsfrei. Und keinen Betriebsrat.

Als Beate G. vor fast 30 Jahren in der Wäscherei anfing, war ihr Sohn drei Jahre alt. Sie war dankbar für den sicheren Job. »Ich dachte, hier bleibe ich bis zur Rente.« Doch seit ein paar Wochen arbeitet sie in der Bettenzentrale der Klinik, zieht mit lila Gummihandschuhen fleckige Bettwäsche ab, reinigt Stationsbetten. »Ich bin froh, dass ich Arbeit habe«, sagt die 58-Jährige. Aber sie habe die Hälfte ihres Lebens in der Wäscherei verbracht, Kolleginnen seien zu Freundinnen geworden. Wie eine kleine Familie. »Es ist«, sie stockt, »ja, es ist schade.« Beate G. blickt sich an ihrem alten Arbeitsplatz um, überall stapeln sich Wäscheberge, die Maschinen lärmen. Sie zeigt auf die Mangel, wo eine Kollegin im schnellen Takt ein Laken nach dem nächsten auflegt. Das war ihr Lieblingsplatz. »Für einen Außenstehenden ist es nicht nachvollziehbar«, sagt sie. »Aber mir fehlt meine Arbeit.« Wenn bei einer Grippewelle plötzlich mehr Bettwäsche benötigt wurde, blieb sie länger, arbeitete samstags. Und wenn der Lastwagen im Anmarsch, die Wäsche aber noch nicht fertig war, drückte sie aufs Tempo. So wie alle. »Jeder war ein Teil des Ganzen.«
 

 
Ulrike R.: In der Wäscherei aufzuhören, tut richtig weh. Wir hatten hier viel Spaß, haben immer Witze gemacht. Mit Arbeitszeiten von 6 bis 13 Uhr, Montag bis Freitag, besser geht es nicht.

Zur Wäscherei sind es nur ein paar Schritte über den Hof. Eine Frau steckt ihren Kopf zum Büro herein, ihr Sohn hat seine Personalkarte im Kittel vergessen. Ausweise, Skalpelle, Scheren, alles landet bei Walter D. auf dem Tisch. Der Leiter der Wäscherei öffnet eine alte Keksdose, darin häuft sich Schmuck. Und ständig klingelt das Telefon, die eine Station hat zu viel Wäsche, die andere zu wenig. Oder eine Pflegekraft will sich über einen Fleck beschweren. »Das wird es so alles nicht mehr geben«, so Walter D.. Künftig stoppt kurz ein Lastwagen – und ist wieder weg. Erst einmal übernimmt den Job eine private Großwäscherei aus der Region. Bis Ende des Jahres läuft die Ausschreibung, europaweit, so ist es vorgeschrieben. Der günstigste Anbieter bekommt den Zuschlag. »Das geht nur über den Lohn«, sagt der Betriebsleiter. Andere Wäschereien unterlägen den gleichen Hygieneregeln und Umweltauflagen, zahlten die gleichen Energiepreise. Vielleicht könnten die Abläufe in Großbetrieben etwas optimiert werden oder modernere Maschinen ein paar Euro sparen. Aber alles in allem gelte: »Wir arbeiten genauso gut wie andere Wäschereien – und genauso wirtschaftlich«, sagt Walter D.. Der Unterschied: In den meisten privaten Großwäschereien sei der Mindestlohn gleich der Höchstlohn.

Die Rechnung geht nicht auf

»Der Markt ist hart umkämpft«, berichtet der Wäschereileiter. Auch Großwäschereien aus anderen Ländern drängten nach Deutschland und unterböten die Preise. Walter D. hält es durchaus für ein realistisches Szenario, dass künftig Lastwagen aus Polen die Wäsche täglich 600, 700 Kilometer weit nach Saarbrücken karren – und wieder zurück. Nicht ökologisch, aber billig. Fest steht, dass die Menschen die Wäsche künftig zu schlechteren Bedingungen reinigen müssen. Egal, wo.

Ulrike R. sortiert Frotteehandtücher in einen Wäschewagen ein. »Dass knapp elf Euro schon zu viel sind«, sie schüttelt den Kopf, »unglaublich«. Helga M. nickt: »Das reicht doch jetzt schon vorne und hinten nicht, vor allem bei den Mieten.« Wie soll jemand über die Runden kommen, der künftig für den gleichen Job höchstens 8,84 Euro bekommt? »Das geht kaum«, meint Betriebsrat Wolfgang Rau. Vielleicht sparten öffentliche Kliniken durch Fremdvergabe ein paar Euro, doch auf der anderen Seite koste es die öffentliche Hand viel Geld, mickrige Gehälter mit Hartz IV aufzustocken. »Diese Rechnung geht nicht auf.«