Ganz vorn

Eine Polizei für die Blaulichtfraktion

Arbeitgeber halten sich nicht an Gesetze, Tarifverträge, Urteile – doch kein Einsatzkommando fährt vor und verhaftet die Leitung. Kolumne von Michael Quetting in der drei.65.
21.04.2018
Gehören wir nicht auch zur Blaulichtfraktion?

»Ja, darf das der Arbeitgeber überhaupt?« So die ungläubige Frage meiner Cousine Annegret am Kaffeetisch. »Das kann doch nicht sein«, ergänzen ihr Mann und ihr Sohn Jürgen. Der will mal Jura studieren. 

Es geht um Recht und Gesetz. Um Höchstarbeits- und Ruhezeiten, um nicht genommene Pausen und vorenthaltene Überstundenvergütung. Ich habe über die Zustände in den Krankenhäusern geschwätzt.

Ich berichte vom Ultimatum, das die Kolleginnen einer Station der Homburger Uniklinik gestellt hatten. Sie erkämpften einen Erfolg. Neue Kolleginnen sollten eingestellt werden. Wenn nicht, dann müssen Betten geschlossen werden. Zwei Kolleginnen wurden eingestellt, zugleich gingen aber drei. Betten wurden nicht geschlossen. Die Arbeitsbelastung ist schlimmer als vorher. Hat also nichts gebracht, das Ultimatum. Warum hält der Arbeitgeber sich nicht an die Vereinbarung? 

Wir haben Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Da wird mit viel Aufwand eine neue Entgeltordnung vereinbart. Aber, wenn man dann die Entgeltgruppe P8 haben will, weil man Praxisanleiterin ist, sagt der Arbeitgeber: nein. 

Das Bundesarbeitsgericht spricht eindeutig: Wer abweichend vom Schichtplan Arbeit angeordnet bekommt, erhält Überstundenzuschlag. Auch Teilzeitbeschäftigte. Welcher Arbeitgeber ist nun in sich gegangen und hält sich daran? Man muss klagen. Nur, wer macht das schon gern?

An der Charité haben wir einen Tarifvertrag für mehr Personal erkämpft. Und nun? Es fehlt an Konsequenzen, wenn das Versprochene dann doch nicht kommt. Kein Einsatzkommando fährt vor und verhaftet die Klinikleitung.

Wieso ist das alles so schwierig, so mühsam? Hat man den Stein endlich den Berg raufgerollt, da schubsen die ihn wieder runter. Wenn ich die Bank überfalle, dann kommt die Polizei, steckt mich in den Knast. Wenn der Arbeitgeber mir aber meine Gesundheit raubt, mir meine Familie kaputt macht, dann schauen Regierende zu und Justitia hat die Augen verbunden. Die Polizei verhaftet meinen Chef nicht.

Warum haben wir Beschäftigte eigentlich keine Polizei? Das liege am Gewaltmonopol des Staates, belehrt mich der künftige Jurastudent. Dann ist das vielleicht ja gar nicht mein Staat, denke ich und rolle den Stein wieder ein Stück den Berg hinauf. Irgendwie müssen wir es doch schaffen, dass wir auch sowas wie ein Stück Polizei bekommen, wir gehören doch schließlich zur Blaulichtfraktion,

meint euer Michael Quetting

 

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