Schulische Auszubildende fordern Bezahlung

Die Chance ist da

Schulische Auszubildende in kommunalen Krankenhäusern und Unikliniken fordern Bezahlung. Gemeinsam können sie das Zeitspiel der Arbeitgeber beenden | Daniel Behruzi
21.04.2018
Denis Schatilow von der Düsseldorfer Uniklinik: Aktiv für die Bezahlung schulischer Auszubildender

Denis Schatilow ist von Anfang an dabei. Als er noch mitten in der Ausbildung zum Medizinisch-Technischen Radiologie-Assistenten (MTRA) steckte, startete er 2014 mit anderen Azubis die Facebook-Seite #unbezahlt. Ihr Ziel: Auch betrieblich-schulische Auszubildende in Krankenhäusern sollen endlich eine Vergütung bekommen – so, wie es in der Krankenpflege und anderswo selbstverständlich ist. 

Fast vier Jahre später ist das noch immer nicht erreicht. Schatilow und seine Mitstreiter/innen haben dennoch viel bewegt. »Jetzt besteht die Chance auf einen Durchbruch «, ist der 23-Jährige überzeugt. Seit einigen Monaten verhandeln ver.di und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über einen Tarifvertrag. Und auch in der Tarifrunde der Kommunen, die zu Redaktionsschluss noch nicht beendet war, fordert die Gewerkschaft die Bezahlung der betrieblich-schulischen Auszubildenden.

 
Klinikum Frankfurt Höchst: Betrieblich-schulische Auszubildende gehen für ihre Interessen auf die Straße

Ausbildungskosten werden refinanziert

»Viele fragen: Warum dauert das so lang? Und sie haben Recht: Es gibt überhaupt keinen Grund, die Ausbildungsvergütung weiter zu verweigern«, sagt Schatilow. Schließlich habe das Bundesgesundheitsministerium mehrfach bestätigt, dass Ausbildungsvergütungen in diesen Berufen politisch gewollt und ihre Refinanzierung durch die Krankenkassen schon jetzt per Gesetz zwingend vorgeschrieben sind. Dass die TdL bei den Verhandlungen im März dennoch auf Zeit spielte, hat die Auszubildenden frustriert und empört. »Das war wie ein Schlag ins Gesicht«, sagt Schatilow, der Mitglied der ver.di-Verhandlungsdelegation ist. Gut findet er, dass die Auseinandersetzung in den kommunalen und Landeskliniken nun gemeinsam geführt werden soll. »Dadurch stellen wir die Bewegung auf eine breitere Basis und werden stärker.«

Dass die betrieblich-schulischen Auszubildenden bereit sind, für ihre Bezahlung auf die Straße zu gehen, haben sie schon mehrfach bewiesen. Im März und April beteiligten sie sich in vielen Städten an Warnstreiks und Aktionen im Rahmen der Tarifrunde des öffentlichen Dienstes. 

Bereits im vergangenen Jahr hatten hunderte Auszubildende aus Unikliniken in Nordrhein-Westfalen gestreikt und demonstriert. Etliche traten ver.di bei. »Es ist ganz klar: Wir machen weiter, bis wir eine angemessene Ausbildungs-vergütung durchgesetzt haben«, kündigt Schatilow an.

 

Betrieblich-schulische Ausbildungsberufe

Zu den betrieblich-schulischen Ausbildungsberufen zählen Medizinisch-Technische Assistent/innen, Physiotherapeut/innen, Diätassistent/innen, Orthoptist/innen, Logopäd/innen und Ergotherapeut/innen. In den Universitätskliniken, die selbst ausbilden, ist fast jeder dritte der gut 5.500 Azubis in einer betrieblich-schulischen Ausbildung. In den Kommunen gibt es laut Arbeitgebern in diesen Berufen fast 45.000 Auszubildende. Anders als andere Azubis haben sie keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung.

 

»Jetzt dranbleiben«

Er selbst hat seine Ausbildung zwar schon vor fast zwei Jahren abgeschlossen und arbeitet seither als MTRA am Düsseldorfer Uniklinikum. Das Thema sei für ihn jedoch eine »Herzensangelegenheit«. Zudem profitierten alle Beschäftigten davon, wenn gut ausgebildeter Nachwuchs in die Kliniken kommt. Schatilow hat ausgerechnet, dass er während der Ausbildung 3.200 Stunden gearbeitet hat, ohne einen Cent zu verdienen. Daher war er auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen und musste nebenher kellnern. 

»Das war keine schöne Zeit und ich will mit dafür sorgen, dass andere das nicht erleben müssen«, so der Gewerkschafter. Schatilow ist stolz darauf, dass sich so viele Auszubildende für das gemeinsame Ziel engagieren. Er ist sicher: »Wenn wir jetzt dranbleiben – und die Leute aus kommunalen und Unikliniken gemeinsam aktiv sind – werden wir uns durchsetzen.«

 
Nina Rüter, Severin Krüger und Charlette Magetu

»Als Physiotherapeutin ausgebildet zu werden, war mein großer Wunsch. Und meine Erwartungen haben sich mehr als erfüllt. Jedoch fühlt es sich nicht gerecht an, meinen Eltern immer noch auf der Tasche liegen zu müssen, obwohl ich in der Klinik den festangestellten Physiotherapeuten tatkräftig zur Seite stehe. Eine Kollegin geht jeden Abend kellnern. Dabei fordert die Ausbildung auch so schon viel Einsatz. Deshalb sind wir mit ganz vielen Leuten auf die Straße gegangen. Wir tragen zum Wohl der Allgemeinheit bei, aber wir müssen uns um unser eigenes Wohl kümmern. Und das machen wir jetzt.«  

Nina Rüter (21) macht eine Physiotherapie-Ausbildung am Uniklinikum Essen.

»Kein Krankenhaus der Welt funktioniert ohne Labor, Radiologie, Physiotherapie. Hier braucht es gut ausgebildete Fachkräfte. Das geht nur mit einer tariflichen Ausbildungsvergütung, damit sich die jungen Kolleginnen und Kollegen auf ihre Ausbildung konzentrieren können. Ich kenne Leute, die gerne einen solchen Beruf erlernen würden. Aber sie können es sich nicht leisten. Damit schaden sich die Kliniken letztlich selbst.«   

Severin Krüger (26) ist Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) am Uniklinikum Köln.

»Diese drei Jahre in der Ausbildung sind für alle von uns eine schwierige Zeit. Ich selbst arbeite abends und an Wochenenden als Tanzlehrerin und in den Ferien in einer Radiologie-Praxis. Dabei ist unsere Ausbildung extrem lernintensiv, da bleibt neben Arbeiten und Lernen kaum noch Zeit für etwas anderes. In meiner Schule sind die Leute Feuer und Flamme, das zu ändern.«   

Charlette Magetu (24) macht eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Radiologieassistentin (MTRA) am Klinikum Nürnberg und ist dort Schulsprecherin.

 
Tarifrunde bei Bund und Kommunen: Warnstreik in Nürnberg am 11. April 2018

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