Die Krankenhäuser klagen über Fachkräftemangel. Sie missbrauchen dies sogar als Argument gegen verbindliche Personalvorgaben. Dabei belegt die Statistik: Die Arbeitgeber haben den Mangel selbst verursacht, indem sie jahrelang Ausbildungsplätze in der Gesundheits- und Krankenpflege abgebaut haben. Immer noch ist es vielerorts nicht das zentrale Problem, junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege zu gewinnen. Vielmehr fehlt es an verfügbaren Stellen.
Zwischen 1998 und 2007 haben die Kliniken ihr Ausbildungsangebot von 65.707 auf 55.609 Stellen reduziert. Es wurden in dieser Zeit also mehrere tausend Fachkräfte in der Gesundheits- und Krankenpflege weniger ausgebildet. Und selbst jetzt ist das Niveau vom Ende der 1990er-Jahre noch nicht wieder erreicht – trotz auskömmlicher Refinanzierung der Ausbildungskosten.
An Interessierten für die Pflegeausbildung hat es auch in der Vergangenheit nicht gemangelt. In vielen Krankenpflegeschulen bewerben sich auf jeden Ausbildungsplatz fünf bis zehn junge Menschen, die die formalen Voraussetzungen vorweisen können. Die einzige hierzu verfügbare Landesstatistik aus Nordrhein-Westfalen weist im Bericht von 2013 knapp acht Bewerberinnen und Bewerber auf einen Ausbildungsplatz aus. Auch für 2015 vermeldet sie trotz leicht sinkender Bewerbungszahlen gute Auswahlmöglichkeiten der Ausbildungsstätten in der Gesundheits- und Krankenpflege.
Es gibt allerdings regionale Unterschiede. Wenn es in manchen Gegenden heute schwerer ist, freie Ausbildungsstellen zu besetzen, liegt das auch am demografisch bedingten Rückgang der Anzahl an Schülerinnen und Schülern. Aufgrund niedrigerer Geburtenraten sank die Zahl der Schulabgänger/innen zwischen 2006 und 2016 von 967.000 auf 852.000. Im Jahr 2020 werden es noch 767.000 sein. Es fehlen also 200.000 potenzielle Auszubildende – weil sie gar nicht geboren wurden.
Die Zahl der Schulabgänger/innen sinkt – und damit die der potenziellen Auszubildenden. Wenn Krankenhäuser, Pflegeheime und Sozialeinrichtungen im Wettbewerb um junge Menschen mithalten wollen, müssen sie eine bessere Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen bieten.
Diese Daten sind nicht neu und keineswegs überraschend. Es lässt sich – wenn man einmal von unerwarteter Zuwanderung absieht – relativ genau prognostizieren, wie viele junge Menschen nach zehn oder zwölf bis dreizehn Schuljahren für eine Ausbildung oder ein Studium zur Verfügung stehen.
Insbesondere große Ausbildungsbetriebe – zu denen auch Krankenhäuser zählen – sind daher gut beraten, bei der Personalplanung auch die Entwicklung ihres Ausbildungsangebots und den Umgang mit ihren Auszubildenden im Blick zu behalten. Fakt ist: Die Konkurrenz der Ausbildungsanbieter um geeignete Bewerber/innen wird sich weiter verschärfen. Dem muss sich das Gesundheitswesen stellen. Die Zahl der Ausbildungsplätze muss erhöht, die Bedingungen müssen verbessert werden.
29 Prozent der Krankenpflege-Azubis machen keinen Abschluss. Unnötig viele werden während der Probezeit gekündigt, geben die Ausbildung wegen schlechter Bedingungen auf oder werden durch ein rigides Fehlzeitenregiment nicht zur Abschlussprüfung zugelassen. 10 bis 15 Prozent bestehen die Prüfung nicht, weil sie nicht hinreichend gefördert wurden. Die Krankenhäuser können es sich schlicht nicht leisten, so viele angehende Fachkräfte zu verlieren.
Attraktive Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung der Pflegearbeit einerseits, Erhalt und Ausbau der Ausbildungsplätze andererseits sowie eine pflegliche Behandlung der Auszubildenden sind probate Mittel, den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Völlig unverständlich ist es, dass die große Mehrheit der Krankenhäuser ihre Auszubildenden nach erfolgreicher Abschlussprüfung nicht übernimmt. Weitere übernehmen sie nur befristet oder – wie der private Klinikbetreiber Ameos – in einer separaten Gesellschaft zum Leiharbeits-Tarif. All das macht das Jammern über Fachkräftemangel reichlich unglaubwürdig. Der beklagte Fachkräftemangel ist in hohem Maße selbst verursacht.