Schwarzes Brett

Unser gutes Recht

15.09.2020

Die Corona-Pandemie hat auch in der Ausbildung vieles durcheinander gebracht. Doch auch in dieser Situation haben Auszubildende Rechte. Wer sie in Anspruch nehmen will, muss sie kennen. Wir geben Hinweise und Anregungen, wie du einforderst, was dir zusteht. Von Diana Sgolik und Gerd Dielmann

 
Unser gutes Recht in der Ausbildung

 

Recht auf Ausbildung auch in der Pandemie

Drei Fragen an Bernd Gräf

drei: Ausbildung in Zeiten der Corona-Pandemie – was ist anders?

Bernd Gräf: Plötzlich sitzt man nicht mehr mit den anderen Auszubildenen in der Klasse, sondern zu Hause, vielleicht vor dem Handy, und versucht, trotz schlechter Internetverbindung Arbeitsaufträge abzuarbeiten. Auszubildende haben Angst, auf Prüfungen nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Lehrkräfte können nicht auf gewohnte Standards zurückgreifen, viel mehr Arbeitsaufträge müssen kontrolliert, hunderte Fragemails beantwortet werden.

 
Bernd Gräf ist Betriebsrat und betreut gemeinsam mit der JAV die Ausbildungsakademie der Uniklinik Mannheim

Auf was sollten Auszubildende jetzt besonders achten?

Sie haben ein Recht auf Ausbildung. Es ist wichtig, Rückmeldung zu den eigenen Leistungen zu erhalten. Da sollten sie unbedingt am Ball bleiben. Stimmen die technischen Voraussetzungen zum Beispiel für den Onlineunterricht nicht, sollten sie dies gleich zurückmelden. Falsche Scham gefährdet die Ausbildung. Der Arbeitgeber ist gefordert, die Lücken zu schließen.

Wie kann man die Situation verbessern?

Wichtig ist es, der Schulleitung und dem Arbeitgeber die Missstände aufzuzeigen. Bei uns werden dazu »Ausbildungsgefährdungsanzeigen« geschrieben. Dann sind gleich die JAV und der Betriebsrat mit im Boot. Das löst nicht immer alle Probleme, beschleunigt aber die Abhilfe. Das gleiche gilt natürlich auch für Lehrkräfte. Auch sie werden oft mit den Problemen alleine gelassen. Unsere Forderung ist: Bei der Leistungsbewertung und bei Prüfungen muss die besondere Situation berücksichtigt werden.

Bernd Gräf ist Betriebsrat und betreut gemeinsam mit der JAV die Ausbildungsakademie der Uniklinik Mannheim.

Ausbildung und Arbeit in Zeiten der Pandemie – Fragen und Antworten

 

 

Zu wenig Kohle – was tun?

Ich bekomme lediglich 500 Euro Ausbildungsvergütung pro Monat. Kann man da nichts machen?

Für Gewerkschaftsmitglieder ist die Sache klar: Wenn sie in einem tarifgebundenen Betrieb arbeiten oder im Ausbildungsvertrag Bezug auf einen Tarifvertrag genommen wird, gilt dieser unmittelbar. Für Auszubildende im Sozial- und Gesundheitswesen sind das in der Regel die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVAöD oder TVA-L). Doch auch wenn kein Tarifvertrag direkt zur Anwendung kommt, muss die Ausbildungsvergütung »angemessen« sein. Und was angemessen ist, richtet sich nach den branchenüblichen Tarifverträgen. Die individuell vereinbarte Ausbildungsvergütung kann von diesen um bis zu 20 Prozent abweichen. Der Arbeitgeber muss also mindestens 80 Prozent bezahlen. Tut er das nicht, können Auszubildende die volle tarifliche Vergütung geltend machen und gegebenenfalls einklagen (BAG, 19.02.2008, 9 AZR 1091/06, BAG, 16.07.2013, 9 AZR 784/11, EZB § 17 Abs. 1 BBiG, Rn. 65 u. 74).

Am besten ist es natürlich mit einem Tarifvertrag, den Auszubildende und Beschäftigte gemeinsam mit ver.di durchsetzen. Auch sonst macht es immer Sinn, sich in der Gewerkschaft zu organisieren. Denn als ver.di-Mitglied kann man sich vor Ort beraten lassen und bekommt falls nötig Rechtsschutz.

 

 
Ausbildungsvergütungen gemäß TVAöD zum 1. Januar 2020

 


Bücher und Co. – wer bezahlt?

An meinem ersten Ausbildungstag wird mir eine lange Liste mit Büchern gegeben, die ich alle kaufen soll. Muss ich das?

Der Betrieb hat den Auszubildenden die Mittel zur Verfügung zu stellen, die für ihre Ausbildung und das Ablegen der staatlichen Prüfung erforderlich sind, wozu auch auch Fachbücher gehören können. So steht es im Berufsbildungsgesetz (BBiG), aber auch in den Ausbildungsgesetzen für Kranken- und Altenpfleger*innen, Hebammen und Operations-/Anästhesie-Technische-Assistent*innen. Für betrieblich-schulische Auszubildende wie MTA oder Ergo- und Physiotherapeut*innen gilt das zwar nicht gesetzlich. Im Geltungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes besteht aber ein tariflicher Anspruch auf kostenfreie Ausbildungsmittel.

»Zur Verfügung stellen« heißt dabei nicht zwingend übereignen. Es genügt, die Bücher leihweise zu überlassen. Sie müssen aber in so ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, dass jede und jeder Auszubildende über ein persönliches Arbeitsexemplar verfügt. In einigen Schulen ist es üblich, die genutzten Fachbücher den Auszubildenden zum Ende der Ausbildung zu einem ermäßigten Preis zum Kauf anzubieten. Eine Abnahmepflicht besteht dabei nicht.

Werden Ausbildungsmittel vom Ausbildungsträger trotz Anmahnung nicht, nicht rechtzeitig oder nachweisbar nicht ausreichend zur Verfügung gestellt, können Auszubildende sich diese selbst anschaffen und die ­Erstattung der notwendigen Kosten vom Ausbildungsträger verlangen (BAG 16.12.1976, 3 AZR 556/75, EZB § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG, Rn. 1).

Die Kosten für Ausbildungsmittel gehören zu den Kosten der Ausbildungsstätten, die gemäß § 17a Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 27 Abs. 1 Pflegeberufegesetz refinanziert werden.

 

 

An: Arbeitgeber
Kopie: JAV/Betriebsrat/Personalrat/MAV
Betreff: Geltendmachung meiner für die Ausbildung verauslagten Kosten
Von: rosa.durchsetzerin@klassenkampf.de

Sehr geehrte Damen und Herren,

gemäß [§ 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG, § 15 Abs 1 Nr. 2 AltPflG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 HebG, § 32 Abs. 1 Nr. 4 HebRefG, § 10 Abs. 1 Nr. 2. KrPflG, § 18 Abs. 1 Nr. 4 PflBG]* sind Sie als Ausbildungsträger verpflichtet, mir alle Ausbildungsmittel zur Verfügung zu stellen, die für meine Ausbildung und zum Ablegen der staatlichen Prüfung erforderlich sind. Sie haben mich am xx.xx.xxxx aufgefordert, für meine Ausbildung notwendige Fachbücher anzuschaffen. Diese führe ich im Folgenden mit den dafür gezahlten Beträgen auf:

Pflege heute (80 €)
Biologie, Anatomie, Physiologie (120 €)
Richtig kommunizieren (25 €).

Die verauslagten Kosten für diese, für meine Ausbildung bei Ihnen notwendigen Fachbücher bitte ich bis zum xx.xx.xxxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxxxxx

Sollte ich bis zu dieser Frist den Gesamtbetrag in Höhe von 225 € nicht erhalten haben, behalte ich mir vor, meine Forderungen auf dem Rechtsweg durchzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rosa Durchsetzerin

* nicht zutreffende Gesetze streichen

 

 

Fehlzeiten – Abschluss gefährdet?

Beim Besuch im Fitnesscenter habe ich mir den Knöchel gebrochen. Nun bin ich mehrere Wochen arbeitsunfähig. Was bedeutet das für meine Ausbildung?

Im Unterschied zu den meisten Ausbildungsordnungen nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) enthalten die Berufsgesetze für die Gesundheitsfachberufe sogenannte Fehlzeitenregelungen. Damit ist gemeint, dass für die Zulassung zur staatlichen Abschlussprüfung eine regelmäßige Teilnahme an der Ausbildung vorgeschrieben ist. Als regelmäßig gilt, wenn bestimmte anrechenbare Fehlzeiten nicht überschritten werden.

Nach den Krankenpflege-, Pflegeberufe- und Notfallsanitätergesetzen dürfen nicht mehr als jeweils zehn Prozent des theoretischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung wegen Krankheit oder anderen, von den Auszubildenden nicht zu vertretenden Gründen versäumt werden. Nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe müssen für die ab dem 1. Januar 2020 neu begonnenen Ausbildungen jeweils 75 Prozent der Ausbildungszeit in jedem der vorgeschriebenen Pflichteinsätze absolviert werden. Die anderen Berufszulassungsgesetze sehen eine anrechenbare Fehlzeit von zwölf Wochen während der gesamten Ausbildung vor. Bei Schwangerschaft ist eine Fehlzeit bis zu 14 Wochen zulässig. Nicht angerechnet auf die Fehltage werden Erholungs- und Bildungsurlaub, Ferien sowie Freistellungen für Aktivitäten in einer betrieblichen Interessenvertretung. Sie werden ausbildungsrechtlich behandelt wie Teilnahme an der Ausbildung.

 

 

Urlaub nur in den Ferien?

Von unserer Schule bekommen wir den Erholungsurlaub in die Ferienzeiten geplant. Ich würde aber gerne außerhalb der Saison eine
günstigere Reise buchen. Was kann ich tun?

Auszubildende im Gesundheitswesen ärgern sich oft über die Verplanung ihres Urlaubs durch die Schule oder den Ausbildungsträger. Dabei haben sie häufig keinen Einfluss auf die Lage und die Dauer der einzelnen Urlaubsabschnitte. Die Verplanung des Urlaubs erleichtert dem Träger der Ausbildung die Unterrichtsorganisation und die Planung der Praxiseinsätze.

Dieses Verfahren widerspricht jedoch den Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes, wonach »bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (sind), es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen« (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Das Bundesurlaubsgesetz gilt auch für Auszubildende (§ 2 BUrlG).

Auch stehen die Ausbildungsgesetze einer freien Urlaubswahl in der Regel nicht entgegen. In der Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung gibt es eine Einschränkung, dass der Urlaub in der unterrichtsfreien Zeit gewährt werden soll (§ 1 Abs. 4 Satz 2 PflAPrV). Eine ähnliche Formulierung findet sich auch in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (§ 9 TVAöD BT Pflege und § 9 TVAöD BT BBiG). Diese Regelungen sind allerdings nicht zwingend und begründen auch keine Verplanung des Urlaubsanspruches durch den Ausbildungsträger. Zumindest während der praktischen Einsätze steht es auch diesen Auszubildenden daher frei, die Lage ihres Urlaubs frei zu bestimmen. Im Übrigen wird Urlaub auf die Ausbildung angerechnet und gilt nicht als Fehlzeit.

 

Freie Urlaubswahl gemeinsam durchsetzen

Häufig tut man sich schwer damit, seine Rechte allein gegen Arbeitgeber zu vertreten. Tauscht euch doch gemeinsam in eurem Ausbildungsgang darüber aus, ob es nicht noch mehr gibt, die ihren Urlaub frei planen wollen, und stellt euren Urlaubsantrag alle gemeinsam. Außerdem macht es Sinn, sich Unterstützung von ver.di, eurer JAV und eurer betrieblichen Interessenvertretung zu holen.

Wie es geht, haben die Pflegeazubis an der Uniklinik Düsseldorf vor einigen Jahren gezeigt. Da die Geschäftsleitung die freie Urlaubswahl verweigerte, machten sie mit Protestaktionen und gemeinsam mit dem Personalrat Druck. Mit Erfolg: Jetzt können die Auszubildenden ihren Urlaub so beantragen, wie sie es wollen.

 

Alles auf einer Seite

Schwarzes Brett
© ver.di

Weiterlesen

1/12