Beim Humanistischen Verband antworten Beschäftigte mit kreativer Aktion auf geplante Tarifflucht
Streiken und sichtbar sein trotz Pandemie – dass das geht, haben die Beschäftigten des Humanistischen Verbands (HVD) Berlin-Brandenburg am 18. November gezeigt: Sie kamen nicht physisch vor der Verbandszentrale in Berlin zusammen, um gegen die geplante Tarifflucht ihres Arbeitgebers zu protestieren. Stattdessen schalteten sich die Beschäftigten, darunter Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen und Lebenskundelehrer*innen, online zu – und waren dabei auf einer riesigen LED-Wand zu sehen. Zugleich wurde die Kundgebung im Internet übertragen. »Das haben wir super gelöst«, findet Frauke Groner, die im Kinder- und Jugend-Beteiligungsbüro des HVD in Marzahn-Hellersdorf arbeitet. »Wenn der Vorstand dachte, wir würden wegen der Corona-Pandemie klein beigeben, dann hat er sich getäuscht.«
Der Tarifkonflikt beim Humanistischen Verband, der 24 Kitas sowie Jugendhilfe- und Sozialeinrichtungen in Berlin betreibt, schwelt schon länger. Bereits im Mai 2017 hatten sich die Gewerkschaften ver.di und GEW mit dem HVD geeinigt, über eine Angleichung des Haustarifvertrags an die Tarifwerke des öffentlichen Dienstes zu verhandeln. Der Arbeitgeber habe die Verhandlungen zunächst drei Jahre lang verschleppt und Anfang September dieses Jahres unter Vorwänden für gescheitert erklärt, berichtet ver.di-Verhandlungsführer Ivo Garbe. Zugleich setzte der HVD-Vorstand den Betriebsrat unter Druck, den nachwirkenden Tarifvertrag per Betriebsvereinbarung auszuhebeln. Die Interessenvertretung wies das zurück, woraufhin die Verbandsspitze einseitig für 2020 eine Lohnerhöhung von vier Prozent sowie steuerfreie Corona-Prämien auszahlte, die je nach Berufsgruppe unterschiedlich hoch ausfallen.
»Mit den Prämien hat der Arbeitgeber deutlich gemacht, worum es ihm geht: Die Bezahlung soll sich nach Marktlage und Refinanzierungsbedingungen richten«, erklärt Frauke Groner, die sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert. Am schlechtesten seien Pflegekräfte und die Beschäftigten in der Jugendarbeit weggekommen. »Dafür gibt es weder fachlich noch bezogen auf die Leistungen in der Pandemie eine Begründung. Der Vorstand spaltet die Belegschaft und untergräbt die Solidarität«, kritisiert sie. »Und genau so stellt er sich auch den Tarifvertrag vor. Weil die Gewerkschaften da nicht mitmachen, will er die Bedingungen einseitig diktieren und dem Betriebsrat aufzwingen.« Das erinnert sehr an den sogenannten Dritten Weg der Kirchen, von denen sich der Humanistische Verband mit Verweis auf seine demokratische und humanistische Tradition sonst eher abgrenzt.
Sich dagegen gemeinsam mit ihren Kolleg*innen zur Wehr zu setzen, ist für die Sozialpädagogin Frauke Groner Teil ihres beruflichen Selbstverständnisses. »Wenn wir den Kindern und Jugendlichen erklären, wie wichtig Beteiligung und Mitbestimmung ist, müssen wir das auch für uns selbst einfordern. Und das werden wir auch weiterhin tun.«