Wieder gemeinsam – wir wehren uns
Autor: Tobias Michel, Zeichner: Matthias Berghahn
Die Corona-Pandemie zieht sich. Chaos und Überlastung im betrieblichen Alltag verschärfen sich. Doch die Arbeitgeber und Vorgesetzten berufen sich weiter auf »außergewöhnliche Zeiten«, um außergewöhnliche Arbeitszeiten abzufordern. Sie befehlen Urlaub, sie vergreifen sich an den Überstundenkonten, sie reißen uns aus unserem Arbeitsbereich heraus und setzen uns als Aushilfen in anderen Teams ein. In welchen Fällen und wie können wir solche Übergriffe zurückweisen? Einzeln verlieren wir da schnell den Überblick. Wir brauchen die Beratung untereinander, um gemeinsam als Team zu handeln.
Ein Dienstplan verteilt die Arbeitszeit und die Freizeit auf die Wochentage. Der Arbeitgeber legt nicht nur die Arbeitspflicht fest. Er legt sich auch selbst fest.
Die zwischen dem Arbeitgeber und der Interessenvertretung vereinbarte Anordnung eines Dienstplans kann nur noch durch eine einvernehmliche Neuvereinbarung abgeändert werden.
Manche Interessenvertretungen begnügen sich damit, der Absicht des Arbeitgebers zur Anordnung eines Dienstplans zuzustimmen. Diese Regelungsvereinbarung zwischen den Betriebsparteien darf der Arbeitgeber aufkündigen und versuchen, eine geänderte Vereinbarung zu erreichen. Bis dahin kann er nicht rechtswirksam und verbindlich andere Schichten anordnen.
Fehlt die Vereinbarung mit der Interessenvertretung? Liegt nicht wenigstens deren Zustimmung vor? Dann darf der Arbeitgeber nicht Arbeitszeit anordnen oder abändern.*
* BAG 11.6.2002 – 1 AZR 390/01 zur Wirksamkeitsvoraussetzung, § 69 (1) BPersVG, § 38 (1) MVG.EKD, § 33 MAVO
Arbeitgeber dürfen Urlaub für alle oder für Betriebsteile anordnen. Solch eine vorübergehende Stilllegung müssen sie rechtzeitig ankündigen: mindestens sechs Monate im Voraus.
* § 87 (1) nr. 5 BetrVG, § 75 (3) BPersVG, § 40 e MVG.EKD, § 36 ( 1) nr. 2 MAVO
** § 26 (1) TVöD / TV-L, § 30 (2) TV AWO)
*** Anl 14 § 1 (3) AVR Caritas
Die Mehrzahl der Beschäftigten muss bislang ungeimpft und schlecht geschützt arbeiten. Damit haben die Arbeitgeber erstaunlich wenig Probleme.
Die Interessenvertretung bestimmt alle Maßnahmen mit, die sich aufgrund einer Erfassung der Gefährdungen der Beschäftigten an ihren Arbeitsplätzen als notwendig ergeben haben. Diese umfassenden Erfassungen sind gesetzlich vorgeschrieben. Doch in der Mehrzahl der Betriebe fehlen sie, sind lückenhaft oder veraltet.
Dennoch werden Arbeitgeber aktiv und ordnen einseitig Maßnahmen an, die in ihre Vorstellung vom Gesundheitsschutz passen. Meist haben sie nur die Gesundheit der Bewohner, der Patient*innen und Angehörigen im Blick. Dabei sind sie frei.
Seit Frühjahr 2020 darf ein Arbeitgeber von den Beschäftigten sogar den Nachweis ihres Impfstatus’ zum Schutz vor Masern verlangen – auf seine Kosten, zum Schutz von Patienten und Klienten. Dies schreiben § 23 (3) und § 23a IfSG vor. Doch bei Corona fehlt nicht nur ausreichend Impfstoff, es fehlt auch die in 23 Abs. 3 IfSG vorgegebene Empfehlung des Robert-Koch-Instituts. Stattdessen dürfen Arbeitgeber – so das RKI ausdrücklich – ihre Beschäftigten trotz Corona-Symptomen weiter einsetzen, mit Patientenkontakt!
Mehr Infos zur Covid19-Impfung.
Vor hundert Jahren, im Zuge ihrer Mobilisierung für einen Weltkrieg, wurden die Arbeitgeber gezwungen, gewählte Räte in ihren Betrieben anzuerkennen. Nach dem verlorenen Krieg, inmitten von Hunger und Zerstörung, zwangen wilde Streiks zu einem dauerhaften Betriebsrätegesetz. Interessenvertretungen und Mitbestimmung beweisen in solchen schlimmen Zeiten, ob sie etwas taugen.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) empfiehlt:
»Gerade vor dem Hintergrund der COVID-19 Pandemie und den damit verbundenen Unsicherheiten hilft es außerdem, Arbeitszeiten möglichst planbar und vorhersehbar zu gestalten. Wo möglich sollten Arbeitszeiten und Pausenzeiten möglichst vorhersehbar sein, um Verlässlichkeit und Planbarkeit zu garantieren. Es gilt folglich bei der Dienstplangestaltung eine möglichst realistische Personalplanung zugrunde zu legen und mögliche Ausfälle einzuplanen. [...]
Mit zunehmender Dauer der Arbeitszeit nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab. Bei langen Arbeitszeiten nimmt so auch das Risiko für Fehler und Unfälle zu. Tätigkeiten, bei denen Fehler das Risiko für folgenschwere Konsequenzen für die Beschäftigten, aber auch für Dritte nach sich ziehen können, sollten deshalb nach der achten Stunde möglichst nicht mehr ausgeübt werden oder durch eine zusätzliche Fehlerabsicherung, technischer oder organisatorischer Art, abgesichert werden.«
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 22. Februar erneut den Gesundheitsschutz geregelt:
»Der Arbeitgeber soll bei der Überprüfung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung und bei der Ableitung betriebsspezifischer Infektionsschutzmaßnahmen die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt einbeziehen. Zudem ist der Prozess beteiligungsorientiert unter Einbeziehung der Beschäftigtenvertretungen oder, falls diese nicht vorhanden sind, mit den Beschäftigten umzusetzen. Geeignete Gremien für den Austausch und die Abstimmung sind der Arbeitsschutzausschuss oder eingesetzte Epidemie- oder Krisenstäbe.«
Fragen und Antworten zum Maske-Tragen, zu Tests, Impfungen für Beschäftigte und für Interessenvertretungen.