Zwischenruf

Foul auf der Zielgeraden

15.03.2021
Sylvia Bühler bei der Unterzeichnung des Tarifvertrags für die Altenpflege

Wir waren kurz vor der Ziellinie. Dann kam das Foul von der Seite. Mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) hatten wir uns auf einen Tarifvertrag über Mindestbedingungen geeinigt, der im Sommer auf die gesamte Altenpflege erstreckt werden sollte. Es fehlte nur die nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz nötige Zustimmung der kirchlichen Wohlfahrtsverbände. Doch die Dienstgeberseite der Caritas grätschte rein. Mit fadenscheinigen Begründungen lehnte sie den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Ende Februar ab. Auch die Diakonie verweigerte ihre Unterstützung. Die kirchlichen Verbände retten damit das Geschäftsmodell kommerzieller Träger, die mit Lohndumping ihre Gewinne maximieren.

Dabei haben wir ihnen bei der Entwicklung des bundesweiten Tarifvertrags viele Brücken gebaut. Doch diese haben sie aus rein ideologischen Gründen nicht überschritten. Leidtragende sind die Beschäftigten und die pflegebedürftigen Menschen. Letztere sind existenziell darauf angewiesen, dass sich in Zukunft noch genug Beschäftigte finden, um eine qualitativ hochwertige Pflege zu ermöglichen. Caritas und Diakonie sind ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht geworden. Nächstenliebe geht anders.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat gegen das Pflegelöhneverbesserungsgesetz der eigenen Bundesregierung agiert. Mit der Ankündigung, den Versorgungsvertrag an eine tarifliche Zahlung zu binden, suggerierte er eine Alternative zum flächendeckenden Tarifvertrag. Jetzt steht er in der Pflicht, noch in dieser Legislaturperiode einen Tarifvertrag zur Bedingung zu machen – der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ist dafür prädestiniert. Die Beschäftigten werden zur Bundestagswahl zu bewerten haben, was von den Ankündigungen bei ihnen angekommen ist.

Gleiches gilt für die bedarfsgerechte Personalausstattung. Auch hier haben wir viel bewegt. Das Instrument zur Personalbemessung in der Altenpflege liegt auf dem Tisch. Doch die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Umsetzung bleibt unkonkret, unverbindlich und zu langsam. Noch in dieser Legislaturperiode müssen bundeseinheitliche, am Bedarf orientierte Personalvorgaben per Gesetz auf den Weg gebracht werden – inklusive verbindlicher Personalausbaustufen. Mit halbherzigen Maßnahmen und Versprechungen lassen sich die Beschäftigten in der Altenpflege und ihre Gewerkschaft ver.di nicht abspeisen.

Sylvia Bühler ist Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und leitet den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen.

 

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