Mein Standpunkt

Gute Pflege braucht Fachkräfte

08.12.2021
Johannes Hermann arbeitet in der AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH und ist aktiv in der ver.di-Bundesfachkommission Altenhilfe.

Klare Botschaft an die neue Bundesregierung: Für eine bedarfsgerechte Personalausstattung in der Altenpflege zu sorgen, ist eine ihrer zentralen Zukunftsaufgaben. Es braucht aber nicht nur mehr Beschäftigte, um die wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen zu versorgen. Sie müssen dafür auch gut qualifiziert sein, denn die Pflege war und ist anspruchsvoll – und wird aufgrund zunehmender Multimorbidität und mehr demenziell erkrankter Pflegebedürftiger immer anspruchsvoller. Vor diesem Hintergrund ist die Debatte über eine Absenkung der Fachkraftquote in stationären Einrichtungen das völlig falsche Signal.

Professor Heinz Rothgang hat mit seinem Team von der Uni Bremen eine Personalbemessung entwickelt, bei der die jeweiligen unmittelbaren Pflegetätigkeiten gemessen und verschiedenen Qualifikationsniveaus zugeordnet wurden. Die Durchführung der Pflege wird nach diesem Modell überwiegend von ungelernten Pflegekräften und Pflegeassistenzkräften übernommen. Die Fachkräfte sollen nur in komplexeren Fällen direkt in die Pflege eingreifen. Im Übrigen sollen sie anleitend, steuernd und planerisch tätig sein. Dabei haben die meisten Pflegepersonen ihren Beruf ergriffen, um mit und am Menschen zu arbeiten – nicht, um nur im Büro zu sitzen.

Zu begrüßen ist ganz klar, dass die Studie den immensen Mehrbedarf an Zeit für eine gute pflegerische Versorgung in Zahlen dokumentiert. Doch zur Berechnung des Fachkraftanteils stellen sich viele Fragen: Können die einzelnen Tätigkeiten im Alltag so klar voneinander abgegrenzt werden?

Was ist mit dem bei diesem Herangehen entstehenden Mehraufwand für Kommunikation, Anleitung und Kontrolle durch die Fachkraft? Welchen Stellenwert bekommen indirekte Pflegetätigkeiten wie Angehörigengespräche, Pflegevisiten, Heimeinzug und Dienst- und Fallbesprechungen?

In der Studie wurden für diese indirekten Tätigkeiten nur Ist-Werte festgehalten und nicht mit einer Sollzeit abgeglichen. Danach wurden umgerechnet für einen Wohnbereich mit 30 Bewohner*innen pro Woche lediglich 32 Minuten für die Steuerung des Pflegeprozesses, 33 Minuten für Angehörigenarbeit, 30 Minuten für den Heimeinzug und nur 1,5 Minuten für Pflegevisiten erhoben. Vor dem Hintergrund derart unrealistischer Zahlen wundert es nicht, dass die so errechnete Fachkraftquote über die Pflegegrade hinweg bei lediglich 38 Prozent liegt. Der Fachkraftanteil im Personalbemessungssystem muss deutlich höher sein. Nur so lässt sich eine qualitativ hochwertige Versorgung pflegebedürftiger Menschen sicherstellen.

 

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