Gemeinsam für Entlastung

16.03.2022

Die Krankenpflegerin Carolin Wengler und die Servicekraft Elisabeth Auge kämpfen als Teil einer großen Tarifbewegung für bessere Arbeitsbedingungen an den Unikliniken in NRW.

 
Titel drei.80 Krankenpflegerin Carolin Wengler (links) und Servicekraft Elisabeth Auge (rechts) aus dem Uniklinikum Münster


Nach dem Erfolg an den Berliner Kliniken von Charité und Vivantes macht die Krankenhausbewegung den nächsten Schritt: In Nordrhein-Westfalen haben sich Beschäftigte der sechs Universitätskliniken zusammengeschlossen und fordern einen Tarifvertrag für mehr Personal und Entlastung.

»Was in Berlin passiert ist, motiviert mich total«, sagt Carolin Wengler aus dem Uniklinikum Münster. Bereits während ihrer Ausbildung bekam die Gesundheits- und Krankenpflegerin die Folgen der Personalnot zu spüren. »Meinen ersten strukturierten Praxisanleitertag hatte ich erst zwei Wochen vor dem Examen«, erinnert sich die 28-Jährige, die seither auf einer neurologischen Intensivstation arbeitet. »Wenn wir junge Leute für den Beruf begeistern wollen, muss sich Grundlegendes ändern.«

 
Treffen Tarifbewegung Kolleg*innen vom Uniklinikum Münster treffen sich wöchentlich, um die Tarifbewegung voranzubringen.

Auch Elisabeth Auge ist mit den Bedingungen seit langem unzufrieden. Die 50-Jährige arbeitet seit vielen Jahren am Münsteraner Uniklinikum als Servicekraft im Stationsdienst und hat schon etliche Umstrukturierungen erlebt. Jedes Mal waren sie und ihre Kolleg*innen danach für mehr Bereiche zuständig – mit demselben oder weniger Personal. Mit Briefen an Klinikleitung und Pflegedirektion versuchte sie, die Verantwortlichen aufzurütteln. Doch vergebens, es änderte sich nichts. »Wir vor Ort sind die Expertinnen und Experten, wir wissen, ob etwas funktioniert oder nicht – aber niemand wollte uns hören.«

Jetzt schöpft Elisabeth Auge Hoffnung, dass sich die Verhältnisse doch noch verbessern könnten. Mut gemacht haben ihr die Erfahrungen in der Länder-Tarifrunde 2021. »Vorher hatte ich Tarifrunden gar nicht so verfolgt. Man hat sich über das Geld gefreut, das hatte dann ver.di irgendwie für uns gemacht.« 2019 trat sie der Gewerkschaft bei. »Ich dachte: Das ist das Mindeste.« Doch erst bei den Warnstreiks im November 2021 fing Elisabeth Auge Feuer und wurde Tarifbotschafterin, beteiligte sich an Aktionen und Treffen. »Vordergründig ging es um Lohnerhöhungen. Aber letztlich stand für uns schon damals fest: Ziel müssen mehr Personal und Entlastung sein.«

Ultimatum bis zum 1. Mai

Von Tarifauseinandersetzungen hatte die Krankenpflegerin Carolin Wengler zuvor ebenfalls wenig mitbekommen. Einmal war sie in Düsseldorf auf einer ver.di-Kundgebung. »Mir war gar nicht klar, dass es möglich ist, Entlastung über Tarifverträge zu erreichen. Und auch nicht, dass ich selbst darüber mitbestimmen kann, wenn ich mich engagiere.« Gemeinsam mit den Kolleg*innen ihrer Intensivstation beteiligte sie sich im November mehrfach an Warnstreiks, wobei auch Intensivbetten geschlossen wurden. »In dieser Streikbewegung sind wir als Team total zusammengewachsen, das war eine richtig schöne Erfahrung«, berichtet Carolin Wengler. Das drückt sich auch im gewerkschaftlichen Organisationsgrad aus: Mittlerweile sind 80 Prozent der Kolleg*innen Mitglied bei ver.di.

Für alle Berufsgruppen

Anderswo in NRW tat sich zeitgleich Ähnliches. An den sechs Unikliniken des Landes beteiligten sich insgesamt mehr als 4.000 Beschäftigte an Arbeitsniederlegungen, über 1.000 schlossen sich ver.di an. Auf dieser Grundlage gehen die Klinikbelegschaften im Westen nun das Thema Entlastung an: Im Januar stellten sie ein 100-Tage-Ultimatum. Sollten Arbeitgeber und Landesregierung bis zum 1. Mai nicht zu ernst-haften Tarifverhandlungen bereit sein, stehen große Proteste und Streiks auf der Tagesordnung. So will ver.di bedarfsgerechte Personalbesetzungen festschreiben. Werden diese unterschritten oder müssen Beschäftigte in anderweitig belastenden Situationen arbeiten, sollen sie als Ausgleich zusätzliche freie Tage erhalten.

»Da ist jetzt echt Power drin. Gemeinsam mit sechs Unikliniken können wir etwas bewegen, davon bin ich überzeugt«, sagt Elisabeth Auge. Für die Servicekraft ist entscheidend, dass die Bewegung nicht nur für die Pflege Verbesserungen fordert. »Auch im Servicebereich ist die Schlagzahl immer höher geworden, herrscht ein enormer Druck. Die Arbeitsbedingungen müssen für alle besser werden.« In Öffentlichkeit und Politik sei vielen gar nicht bewusst, welche Berufsgruppen im Krankenhaus arbeiten und warum sie alle für eine gute Versorgung wichtig sind. »Das wollen wir ans Licht bringen.«

So sieht es auch Carolin Wengler. »Ohne den Service wären wir komplett aufgeschmissen. Ohne die Kolleg*innen in Technik, Küche, Bettenaufbereitung, in der Reinigung und vielen anderen Bereichen würde das Krankenhaus nicht funktionieren«, betont die Krankenpflegerin. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Elisabeth Auge und vielen anderen will sie für Entlastung kämpfen – für alle Berufsgruppen, und auch für die Patientinnen und Patienten, die auf eine gute Versorgung angewiesen sind.

 

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