Beschäftigte der Uniklinik Gießen und Marburg wehren sich gegen drohende Ausgliederungen und bereiten Tarifbewegung für Entlastung vor.
Daniel Behruzi
Beim deutschlandweit einzigen kommerziell betriebenen Uniklinikum in Gießen und Marburg (UKGM) eskalieren die Konflikte. Mit dem Land Hessen ist der private Betreiber, die seit 2020 zu Asklepios gehörende Rhön AG, im Dauerclinch. Die von der Landesregierung angebotenen Fördermittel von einer halbe Milliarde Euro in zehn Jahren sind dem Konzern offenbar zu wenig – obwohl Rhön bei der Privatisierung 2006 behauptete, keine staatlichen Zuschüsse zu brauchen. Wohl um noch mehr herauszuschlagen, kündigte der Konzern eine Vereinbarung, die unter anderem den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen und Outsourcing sowie die Übernahme der Auszubildenden festschrieb. »Die Drohung mit weiterem Personalabbau und Ausgliederungen ist ein Affront«, kritisiert ver.di-Sekretär Fabian Dzewas-Rehm. »Asklepios stellt die Zukunft der Universitätsmedizin in Mittelhessen in Frage.« Ihre Wut darüber haben Ende November insgesamt rund 800 Beschäftigte bei Warnstreiks deutlich gemacht.
»Wir brauchen nicht weniger, sondern viel mehr Personal«, sagt Daniela, die in der Verwaltung des UKGM arbeitet. Outsourcing sieht sie als große Gefahr. »Wenn man ausgegliedert wird, ist man nicht mehr Teil des Ganzen.« Das spalte nicht nur die Belegschaft, sondern schade letztlich auch der Versorgung, weiß die 51-Jährige aus eigenen Erfahrungen bei einer privaten Dienstleistungsfirma. Bereits in den vergangenen Jahren habe sich die Arbeit massiv verdichtet – für alle Berufsgruppen, auch in der Verwaltung.
Daniela und ihre Kolleg*innen fordern nicht nur Sicherheit. Sie haben sich auch vorgenommen, einen Entlastungs-Tarifvertrag wie an den Unikliniken in Frankfurt und Nordrhein-Westfalen durchzusetzen. »Wir bauen jetzt Stärke in den Teams auf, Anfang nächsten Jahres wollen wir unsere konkreten Forderungen beschließen und loslegen«, berichtet die Gesundheits- und Krankenpflegerin Michelle aus der Zentralen Notaufnahme in Gießen. Ziel sei ein Tarifvertrag, der bedarfsgerechte Personalbesetzungen für alle Bereiche und zusätzliche Freizeit als Belastungsausgleich vorsieht, falls die Vorgaben nicht eingehalten werden.
»Das würde den Arbeitgeber tatsächlich dazu zwingen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern«, ist die Krankenpflegerin überzeugt. So könne verhindert werden, dass noch mehr Kolleg*innen die Klinik verlassen. Es gibt immer wieder Tage, an denen auch die 26-Jährige darüber nachdenkt, sich einen weniger belastenden Job zu suchen. »Aber ich liebe meinen Beruf. Deshalb kämpfe ich dafür, dass es besser wird.«
Die Beschäftigten der Frankfurter Uniklinik haben es nach mehreren erfolgreichen Warnstreiks geschafft: Laut den Ende Oktober erzielten Eckpunkten für einen Entlastungs-Tarifvertrag werden künftig Schichtbesetzungen festgeschrieben, die sich aus den Personalbemessungssystemen PPR 2.0 und PPP-RL ergeben. Für Intensivstationen, Notaufnahmen, OPs und andere pflegerische Bereiche werden eigene Personalschlüssel festgelegt. Bei Nichteinhaltung erhalten Beschäftigte zusätzliche Freizeit als Belastungsausgleich.
Bewegung in Dresden
Auch die Beschäftigten der Dresdner Uniklinik haben sich auf den Weg gemacht, bessere Arbeitsbedingungen per Tarifvertrag durchzusetzen. »Wirksame Entlastung erreichen wir nur mit der nötigen Durchsetzungskraft«, betont ver.di-Verhandlungsführer Bernd Becker. »Deshalb haben wir für alle Bereiche Forderungen aufgestellt, in denen sich mindestens 30 Prozent des Teams gewerkschaftlich organisieren.« Rund 300 Beschäftigte sind ver.di bislang beigetreten. Ende November (nach Redaktionsschluss) sollte die dritte Verhandlungsrunde stattfinden.
Personalbemessung im Bundestag
Zu Redaktionsschluss war das sogenannte Krankenhauspflegeentlastungsgesetz im Bundestag auf der Zielgeraden. Bis zuletzt wurde um Änderungen gerungen. »Die Personalvorgaben im Krankenhaus müssen bedarfsgerecht, verbindlich und klar sein«, forderte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Die von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat vorgelegte PPR 2.0 müsse ohne Wenn und Aber umgesetzt werden.