Protestwelle in Europa

Streiks und Demonstrationen für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine gute Daseinsvorsorge
29.03.2023


Überall in Europa streiken und demonstrieren Beschäftigte aus dem Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen. Angesichts der hohen Inflation fordern sie mehr Geld, aber auch Entlastung und mehr Personal sowie eine bessere Finanzierung. So zum Beispiel in Großbritannien, wo die Arbeitskämpfe in den staatlichen NHS-Kliniken und Rettungsdiensten seit Wochen andauern. Dort haben auch die administrativ-technischen Angestellten an Hochschulen mehrfach die Arbeit niedergelegt. In Belgien gingen Ende Januar tausende Beschäftigte aus Krankenhäusern, Kitas, Pflege- und Sozialeinrichtungen gegen Überlastung auf die Straße. In Madrid protestierten gar Hunderttausende für eine bessere öffentliche Gesundheitsversorgung und gegen Privatisierung. In Frankreich streiken Beschäftigte verschiedener Branchen gegen die Heraufsetzung des Rentenalters. Am 7. März demonstrierten landesweit mehr als eine Million Menschen.

Jahrzehnt der Unterfinanzierung

»Wir sehen eine beispiellose Welle von Streiks und Protesten«, sagt der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den öffentlichen Dienst (EGöD), Jan Willem Goudriaan. Über ein Jahrzehnt der Unterfinanzierung habe die Personalnot und Überlastung verschärft. Dies wiederum mache es immer schwieriger, Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. »Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Das System steht vor dem Zusammenbruch«, stellt Goudriaan fest.

 
Rund 1.000 Gesundheitsbeschäftigte aus ganz Europa demonstrieren beim Treffen der EU-Gesundheitsminister am 9. Dezember in Brüssel.

Die europäischen Regierungen müssten daraus die nötigen Schlussfolgerungen ziehen und für bedarfsgerechte Personalvorgaben, faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen sorgen. »Entscheidend ist eine angemessene staatliche Finanzierung, um Gesundheit und Pflege als öffentliche Güter zu schützen«, betont der Gewerkschafter. »Kommerzialisierung ist hingegen nicht die Antwort. Sie trägt nur dazu bei, die Qualität der Versorgung und der Arbeitsbedingungen weiter zu untergraben.«

Applaus ist nicht genug

Beim Treffen der EU-Gesundheitsminister am 9. Dezember 2022 in Brüssel konfrontierte der EGöD die Verantwortlichen mit dieser Kritik. Unter dem Motto »Applaus ist nicht genug« zogen fast 1.000 Beschäftigte aus ganz Europa durch die Brüsseler Innenstadt. Im Anschluss trafen sich Gewerkschafter*innen aus Spanien, Portugal, Frankreich, Österreich, Belgien und Deutschland mit dem luxemburgischen EU-Kommissar Nicolas Schmit, um die Forderungen gegenüber der EU und den nationalen Regierungen zu bekräftigen. »Es war sehr schön zu sehen, dass man in Europa nicht alleine ist«, sagt die Berliner Krankenschwester Sabrina Didschuns, die Teil der deutschen Delegation war. »An dem Tag habe ich gesehen: Wir sind eine große Gruppe verschiedener Menschen, und die haben in ganz Europa das gleiche Problem wie wir.«

 

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