Servicegesellschaften

Kampf um Angleichung

29.03.2023

Sie kümmern sich um Sauberkeit und Hygiene im Krankenhaus. Sie sorgen für saubere Wäsche, sterile OP-Instrumente, funktionierende Technik. Sie transportieren Patient*innen, teilen Essen aus und, und, und… Ohne die Beschäftigten der Servicebereiche funktioniert kein Krankenhaus. Dennoch gehören sie oft nicht dazu, sind in Tochtergesellschaften ausgegliedert und werden schlechter bezahlt. Zunehmend wehren sie sich und fordern die Angleichung an die Flächentarifverträge und die Wiedereingliederung in die Muttergesellschaft.

Geschafft haben das die Kolleg*innen der Mühlenkreiskliniken. Auch im Städtischen Krankenhaus Kiel gilt für Servicekräfte ab 2024 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). An der Uniklinik Freiburg haben sie zumindest deutliche Lohnerhöhungen erkämpft. Das fordern auch die Beschäftigten der Servicegesellschaft KSG am Uniklinikum Göttingen. Von ihrem Ziel wollen sie sich auch durch Einschüchterungsversuche nicht abbringen lassen. Und in Berlin machen die Kolleg*innen der Tochtergesellschaften Druck auf die politischen Entscheidungsträger*innen, damit sie endlich Verantwortung übernehmen. Weiter so!

 

UMG Klinikservice Göttingen

»Ich habe keine Angst mehr«

Die Geschäftsführung der UMG Klinikservice Göttingen (KSG) zieht alle Register: Sie verweigert ihren streikbereiten Beschäftigten eine Notdienstvereinbarung zu den üblichen Konditionen, verschickt sogenannte Dienstverpflichtungen und droht damit, den kampfstärksten Bereich, die Reinigung im Zentral-OP (ZOP), an eine externe Firma zu vergeben. Doch die Kolleg*innen lassen sich nicht einschüchtern. Sie organisieren einseitig Notdienste, nehmen trotz »Dienstverpflichtung« ihr Streikrecht wahr und lassen sich auch von der angedrohten Fremdvergabe nicht ins Bockshorn jagen.

 
Streikversammlung der KSG am 27. Februar in Göttingen

Über 120 neue ver.di-Mitglieder

ver.di fordert, dass die Entgelte an den Länder-Tarifvertrag angeglichen, zumindest aber um 20 Prozent erhöht werden. Die Mehrheit der vom Tarifkonflikt Betroffenen, 375 Kolleginnen und Kollegen, hat sich per Unterschrift hinter die Forderung gestellt. Über 120 Beschäftigte sind im Zuge der Auseinandersetzung ver.di beigetreten, und mit jeder Aktion kommen neue hinzu. Eine von ihnen ist Christina Vicente. Früher habe sie sich für solche Themen nicht interessiert, sagt die Hauswirtschaftlerin. »Es ist das erste Mal, dass ich mich für meine Interessen einsetze und laut meine Meinung sage – das fühlt sich gut an.« Wie die meisten arbeitet die 56-Jährige in Teilzeit und geht mit 1.000 Euro netto nach Hause. Über die Runden kommt sie nur mit einem weiteren Minijob. Die vom Unternehmen angebotene Lohnerhöhung von jeweils 4,0 Prozent in den kommenden drei Jahren hält Christina Vicente angesichts der hohen Inflation für völlig unzureichend.

Zweifel überwunden

Die ZOP-Reinigerin Daniela Gerke will ebenfalls weiter für eine bessere Bezahlung kämpfen, auch wenn sie wegen der angedrohten Fremdvergabe zunächst Bedenken hatte. »Ich hatte schon Zweifel, ob ich weiter streiken soll, aber dann habe ich mich nach vielen Gesprächen dafür entschieden«, erklärt sie. Und so hat es auch die überwältigende Mehrheit ihrer Kolleginnen in der ZOP-Reinigung gemacht, die fast komplett zur Streikversammlung erschienen sind. »Wir haben es angefangen, da hören wir jetzt nicht auf«, sagt Daniela Gerke. Und ihre Kollegin betont: »Ich habe keine Angst mehr. Wenn sie mich kündigen, dann kündigen sie mich halt.«

 

 

VIVANTES- UND CHARITÉ-TOCHTERGESELLSCHAFTEN

Marcus Hamann ist Betriebsrat und Mitglied der ver.di-Tarifkommission bei den Vivantes-Tochtergesellschaften.

»Wir in den Tochtergesellschaften von Vivantes und Charité in Berlin kämpfen seit Jahren dafür, wieder zur Klinikbelegschaft zu gehören. 2021 haben wir über 30 Tage für die Angleichung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gestreikt. Gegen heftigen Widerstand konnten wir einige Verbesserungen durchsetzen, aber wir werden noch immer schlechter bezahlt. Angesichts der aktuellen Preisexplosion ist das doppelt dramatisch. Gerade die unteren Lohngruppen brauchen dringend mehr Geld. Deshalb haben wir im Landtagswahlkampf Druck gemacht. Schließlich handelt es sich um landeseigene Unternehmen. Sowohl SPD als auch CDU haben einen Inflationsausgleich und die Rückführung der Töchter in die Muttergesellschaften versprochen. Das darf
jetzt nicht auf die lange Bank geschoben werden. Die neue Landesregierung muss das schnell umzusetzen. Ohne uns läuft das Krankenhaus nicht. Wir wollen endlich wieder dazu gehören und so bezahlt werden wie alle anderen: nach dem TVöD.«

 

 

Mühlenkreiskliniken

Reinigung kehrt ganz zurück

Beharrlichkeit zahlt sich aus: Nach langjährigen Protesten wird die Reinigung an den Mühlenkreiskliniken ab 2024 wieder komplett selbst erbracht. Vor fast 20 Jahren waren die Servicebereiche ausgegliedert worden. Doch die geplante Tarifflucht konnten die Beschäftigten seinerzeit abwehren. 2019 setzten sie mit vielen Aktionen die Auflösung der Servicegesellschaft und die Wiedereingliederung der Beschäftigten ins Klinikum durch.

Seitdem hat sich für sie einiges verbessert. So wurde die niedrigste Entgeltgruppe für den Spüldienst abgeschafft. Beschäftigte in der Zentralküche und anderen Abteilungen wurden höher eingruppiert. Und die Reinigungskräfte wurden in kleineren Teams organisiert, wodurch sich die Kommunikation und das Betriebsklima verbesserten. Der Wermutstropfen war 2019 allerdings, dass ein erheblicher Teil der Reinigung weiterhin von einer externen Firma erbracht wurde.

Auch das haben die Kolleg*innen nun geändert. Der Kreistag des Kreises Minden-Lübbecke willigte ein, die Reinigung nach Auslaufen des Vertrags Ende 2023 nicht mehr an eine Fremdfirma zu vergeben. Alle Beschäftigten sollen ein Angebot für eine Beschäftigung im Konzern erhalten. »Ich bin so glücklich, es endlich geschafft zu haben«, sagt Kerstin Wehling, die bis zur Wiedereingliederung 2019 Betriebsratsvorsitzende der Service-GmbH war und sich jetzt im Klinik-Personalrat engagiert. »Unsere große Stärke war, dass wir immer zusammengehalten haben.« Wenn die Pflegekräfte für mehr Personal demonstrierten, standen ihre Kolleg*innen aus Küche, Reinigung und Handwerk an ihrer Seite. »Wir sind ein Betrieb!«                            

 

 

Kiel: TVöD ab 2024
Ab dem 1. Januar 2024 gilt in der SKK Service GmbH am Städtischen Krankenhaus Kiel der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Erreicht haben die Beschäftigten das, indem sie sich zu 50 Prozent in ver.di organisierten und insgesamt fünf Warnstreiktage auf die Beine stellten. Der Erfolg strahlt in der Region bereits aus: Die Kolleg*innen der Tochtergesellschaft des Uniklinikums Schleswig-Holstein, Service Stern Nord, machten im Landtagswahlkampf Druck und erreichten, dass CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag die Überleitung in den TVöD vereinbarten. Jetzt pochen sie darauf, dass dies rasch umgesetzt wird.


Freiburg: 250 Euro mehr
Die Beschäftigten der Servicebetriebe am Uniklinikum Freiburg haben mächtig Druck gemacht. Sie haben etliche Aktionen und drei große Warnstreiktage organisiert. So konnte ver.di im Dezember einen Verhandlungskompromiss erzielen, der ihnen einmalig insgesamt 4.200 Euro bringt – brutto wie netto. Die Entgelttabelle wird um insgesamt 250 Euro im Monat erhöht, bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Das sind dauerhaft zwischen 9,2 und 12,4 Prozent mehr.

 

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