»Wir sind nicht machtlos«

21.06.2023

Weiß nur zu gut, wovon er spricht: Nico Baumann hat selbst eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger bei Helios gemacht – und klärt heute als ver.di-Sekretär junge Menschen über ihre Rechte auf.

von Kathrin Hedtke

 
Nico Baumann. Als ver.di-Sekretär ermutigt der ehemalige Jugendvertreter junge Menschen dazu, Missstände in der Ausbildung oder bei der Arbeit nicht einfach hinzunehmen.

So genau wusste Nico Baumann nicht, worauf er sich einlässt: Kurz nach dem Start seiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger am Helios-Klinikum Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) fragte ihn eine Kollegin, ob er sich nicht in die Jugend- und Auszubildendenvertretung – kurz JAV – wählen lassen möchte. »Ich war gerade zwei Monate dabei und hatte keine Ahnung von nichts«, sagt Nico. Doch in der Schule war er auch schon Klassensprecher, deshalb zögerte er nicht lange: »Ich dachte, das ist so ähnlich.« Wofür eine Interessenvertretung gut ist, lernte er schnell. Dabei kam er auch zum ersten Mal in Kontakt mit der Gewerkschaft. »Ein Schlüsselmoment«, sagt der Gesundheits- und Krankenpfleger: »Ich realisierte, dass wir gar nicht machtlos sind, sondern Rechte haben.« Sofort trat Nico in ver.di ein – und steht inzwischen selbst als hauptamtlicher ver.di-Sekretär jungen Beschäftigten und Auszubildenden mit Rat und Tat zur Seite. Der große Vorteil: Der 26-Jährige weiß genau, wovon er spricht.

Ausbildungsbedingungen verbessert

Zu Beginn seiner Ausbildung habe er Missstände zunächst einfach so hingenommen, sagt der Gesundheits- und Krankenpfleger. »Ich dachte, das muss so sein.« Schon kurz nach seiner Wahl in die JAV ließ sich Nico auch in die Konzern-JAV von Helios entsenden. Dabei lernte er Diana Sgolik kennen, damals beim ver.di-Fachbereich Gesundheit und Soziales zuständig für die Jugend. »Die Gespräche haben mir die Augen geöffnet.« Zum Beispiel erfuhr er, dass die Auszubildenden grundsätzlich das Recht haben, ihren Urlaub selbst zu planen – und die Schule die Urlaubstage nicht eigenmächtig festlegen darf. Die Jugendvertretung pochte bei der Schulleitung auf ihre Rechte, mit Erfolg.

Ganz neu in der JAV wollten Nico und sein Team im ersten Schritt wissen, was Auszubildende vor allem auf dem Herzen haben – und luden ein zur Jugend- und Auszubildendenversammlung. Der Raum war knackevoll. »Mit so einem Andrang hatten wir gar nicht gerechnet.« Viele Auszubildende klagten über Stationshopping: Bei Personalmangel wurden sie immer wieder kurzfristig auf andere Stationen versetzt, um Lücken zu stopfen. »Das ist nicht Sinn der Ausbildung«, betont Nico. Die JAV holte den Betriebsrat und die Pflegedienstleitung mit ins Boot, alle waren sich einig: »Das geht so nicht!«

Zunächst wollte das Krankenhaus das Problem mit einer Dienstanweisung lösen. »Damit sind wir eine Zeitlang gut gefahren, aber irgendwann ist es wieder gekippt.« Deshalb setzte sich die JAV dafür ein, dass eine Betriebsvereinbarung gute Ausbildungsbedingungen festschreibt. Seither muss in Sangerhausen jeder außerplanmäßige Einsatz vom Betriebsrat genehmigt werden. Im ersten und letzten Halbjahr der Ausbildung ist das Stationshopping gänzlich ausgeschlossen. Die JAV wurde dafür bei der Verleihung des Deutschen Betriebsrätepreises 2022 ausgezeichnet.

Anderen zu helfen, bleibt im Fokus

Als Nico zum ersten Mal gefragt wurde, ob er nach seiner Ausbildung hauptamtlich für ver.di arbeiten möchte, rief er spontan: »Nie und nimmer!« Zu gerne mochte er die Arbeit mit den Patientinnen und Patienten. Doch je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee. »Anderen Menschen zu helfen, bleibt ja im Fokus.« Seit über einem Jahr ist Nico jetzt Gewerkschaftssekretär, klärt junge Beschäftigte und Auszubildende über ihre Rechte auf, öffnet ihnen die Augen – »genau so, wie ich es damals erlebt habe«.

 

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