Einfach loslaufen

Wie sich Beschäftigte bei der Asklepios Objektbetreuung, bei Arbeit und Bildung, Mediclin, Rehasan und am Klinikum Weimar mit ver.di stark machen.
06.12.2023

Wir organisieren uns - Wie sich Belegschaften mit ver.di stark machen 

 
»Ich bin schon ziemlich lange dabei und habe schon viele Streiks und Aktionen vorbereitet. Manchmal wäge ich zu viel ab, sehe eher die Hürden, statt einfach mal loszulaufen. Die neuen und vor allem die jüngeren Kolleginnen schubsen mich da schon mal in die richtige Richtung.« Die Kinderkrankenschwester Loni Schillinger (2.v.r.) mit ihren Kolleg*innen am Uniklinikum Mannheim
Knud Danger (li) und Kai Grabowski (re) sind entschlossen, einen Tarifvertrag durchzusetzen.

»Einfach anfangen«

Hamburg: 60 Mitgliedsanträge bei Asklepios Objektbetreuung

Achteinhalb Jahre ohne jede Lohnerhöhung: Keinen Cent mehr haben die Beschäftigten der Asklepios Objektbetreuung Hamburg seit ihrer Ausgliederung aus dem Krankenhauskonzern 2015 erhalten. Die Neueingestellten verdienen nicht mehr als den gesetzlichen Mindestlohn. Die Patiententransporteure Knud Danger und Kai Grabowski wollen das nicht länger hinnehmen. Sie haben eine ver.di-Betriebsgruppe gegründet und sprechen ihre Kolleg*innen systematisch darauf an, sich für einen Tarifvertrag zu organisieren. Bisher waren nur 20 Beschäftigte ver.di-Mitglied. Doch das könnte sich schnell ändern. In nur drei Monaten haben über 60 weitere den Mitgliedsantrag unterschrieben. »Wir haben das Eintrittsdatum offengelassen. Sobald die Mehrheit der 290 Kollegen mitmacht, geben wir die Anträge ab«, erklärt Kai Grabowski. »Und ganz klar: Das schaffen wir.«

»Auch wenn wir noch wenige Aktive sind – irgendwann muss man einfach anfangen. Denn so geht es nicht weiter.« Kai Grabowski, Patiententransport

 
Beschäftigte der Rehasan-Ostseeklinik Prerow erzwingen mit Streiks Tarifverhandlungen.

Zusammen arbeiten, zusammen kämpfen

Rehasan-Ostseeklinik Prerow

Angefangen hat es vor anderthalb Jahren mit nur sieben ver.di-Mitgliedern. Jetzt ist die Mehrheit der gut 100 Beschäftigten der Rehasan Ostseeklinik Prerow gewerkschaftlich organisiert. Sie wollen nicht länger hinnehmen, dass der Arbeitgeber die Löhne und Arbeitsbedingungen nach Gutdünken einseitig festlegt. Dieser wollte zunächst nicht über einen Tarifvertrag mit ver.di verhandeln. Erst als die Kolleg*innen mehrfach streikten, kam der Klinikbetreiber an den Verhandlungstisch – ein erster Erfolg. »Sehr aufregend« sei der erste Streik gewesen, erinnert sich der Sporttherapeut Max Schattschneider. Aber auch motivierend: »Man arbeitet zusammen, man kämpft zusammen. Ein cooles Gefühl.« Wie viele andere ist er vor einigen Monaten ver.di beigetreten. »Bis dahin wusste ich gar nicht so genau, was Gewerkschaften überhaupt machen«, berichtet der 36-Jährige. Jetzt ist er Mitglied der ver.di-Tarifkommission und fest entschlossen, gemeinsam mit seinen Kolleg*innen einen Tarifvertrag zu erreichen.

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Auf den Weg gemacht

Klinikum Weimar: Beschäftigte wollen weg vom Dritten Weg.

»Wir wollen uns auf den Weg machen.« Das erklärten Beschäftigte des Sophien- und Hufelandklinikums Weimar vor einem halben Jahr. Auf den Weg zu besserer Bezahlung per Tarifvertrag, weg von der kircheninternen Festlegung von Löhnen und Arbeitsbedingungen, dem sogenannten Dritten Weg. Sobald sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder auf 250 verzehnfacht hatte, sollte ver.di den diakonischen Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen auffordern. Systematisch leisteten die Aktiven Überzeugungsarbeit im Betrieb. Inzwischen sind 320 Beschäftigte in ver.di organisiert – rund 40 Prozent der Belegschaft. Im Oktober wählten sie eine Tarifkommission. Dass die Durchsetzung eines Tarifvertrags bei dem kirchlichen Träger kein Spaziergang wird, sei ihnen bewusst, betonen die Kolleg*innen. Sie sind dennoch losgelaufen.        

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Es brauchte gar nicht so viel

Marburg: Bei Arbeit und Bildung ist jede*r Zweite ver.di-Mitglied.

Bei den Marburger Weiterbildungsträgern »Arbeit und Bildung« und »Praxis GmbH« gibt es zwar schon länger einen Haustarifvertrag. Verhandlungen fanden aber meist ohne große Beteiligung der Beschäftigten statt, entsprechend mager waren die Ergebnisse. »Mit einem neuen Betriebsrat und einer neuen Gewerkschaftssekretärin haben wir neuen Schwung reinbekommen«, berichtet der pädagogische Mitarbeiter Alexander Görgner. Die wenigen ver.di-Aktiven setzten sich das Ziel, den Organisationsgrad von 20 auf 50 Prozent zu erhöhen.

»Denn wenn wir nicht stark sind, kommt bei den Verhandlungen nicht viel heraus. Das haben wir in vielen Einzelgesprächen klargemacht.« Systematisch teilten sich die Aktiven die Teams auf und sprachen ihre Kolleg*innen an. »Es brauchte gar nicht so viel, die Leute zu überzeugen«, sagt Alexander Görgner. »Zum einen haben sie wahrgenommen, was ver.di mit Streiks an der Uniklinik und im öffentlichen Dienst erreicht hat. Zum anderen ist die Not groß, die Beschäftigten brauchen dringend mehr Geld.«

Innerhalb von vier Monaten war die Hälfte der Belegschaft in ver.di organisiert. Auf dieser Basis starten Anfang Dezember (nach Redaktionsschluss) die Tarifverhandlungen.

 
Die Betriebsratsvorsitzende Jacqueline Heylmannmit Kollegen.

»Ungerechtigkeit treibt uns an«

Mediclin Bosenberg Kliniken: Die Mehrheit ist organisiert.

Noch im Frühjahr gab es in den Mediclin Bosenberg Kliniken im saarländischen St. Wendel nur 15 ver.di-Mitglieder. Inzwischen sind es 127, damit ist eine deutliche Mehrheit der Beschäftigten organisiert. »Die Ungerechtigkeit treibt uns an«, sagt die Betriebsratsvorsitzende Jacqueline Heylmann, die sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert. Sie und ihre Kolleg*innen wollen nicht länger schlechter bezahlt werden als im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). »Wenn der Arbeitgeber das nicht einsieht, haben wir mit der gut organisierten Belegschaft viele Mittel, es ihm beizubringen«, sagt die Krankenpflegehelferin selbstbewusst.

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Michael Quetting ist gelernter Krankenpfleger, aktiver Gewerkschafter und war langjähriges Redaktionsmitglied der ver.di-Fachbereichszeitung drei.

Kommentar

Ohne ver.di geht es nicht

Geschenkt wird uns nichts. Warum sollten sie auch, die sogenannten Arbeitgeber? Inflation ist doch nicht deren Problem. Notfalls können wir ja Wohngeld beantragen. Für unsere Arbeit während der Pandemie? Dafür gab es warme Worte und gelegentlich etwas Applaus.

Uns sollte langsam klar sein: Freiwillig rücken die nichts raus. Es geht nur mit Macht. Ein höfliches Bitten von Frank Werneke, Sylvia Bühler oder sonst einem Schwergewicht von ver.di wird das auch nicht richten. Da müssen wir schon selbst ran.

Machtaufbau ist das Stichwort. Systematisch. Planmäßig. Informationsstrukturen mittels eines Messenger-Kanals schaffen, für die Bereiche Tarifbotschafter finden und Mitstreiterinnen gewinnen. Vor dem Streik steht der aktivierende Warnstreik, denn nur, wenn wir in die Pötte kommen, kommt auch was raus.

Notdienstverhandlung an der Uniklinik im Saarland. Die Tarifbotschafter sind im Arbeitsstreik und können mitentscheiden, wie der Notdienst konkret aussieht: Die ständige Rückkopplung in die Stationen, OPs, Labore und Bereiche ist gesichert. Demokratie eben.

Damit das funktioniert, braucht es Werkzeuge und eine Organisation, die uns schützt und einheitlich handelt, damit wir etwas durchsetzen können. Unsere ver.di brauchen wir wie die Luft zum Atmen. Wir müssen dort streiken können, wo wirtschaftlicher Schaden droht. An der Uniklinik im Saarland wurden bis jetzt 135 neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewonnen. Ob das reicht?

Ohne starke Gewerkschaft sind wir nur Bettler. Machen wir sie stark, damit die sogenannten Herren auf der anderen Seite sehen, wo der Hammer hängt.                             

Michael Quetting

 

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