Gleiches Recht: Als Muslimin in einem evangelischen Pflegeheim fühlte sich Durşen Kavaklı lange als Beschäftigte zweiter Klasse. Die Hauswirtschaftskraft macht sich dafür stark, dass endlich Schluss ist mit der Benachteiligung. Ein erster Schritt ist schon geschafft.
von Kathrin Hedtke
Wie sich Diskriminierung anfühlt, weiß Durşen Kavaklı nur zu gut: Seit 23 Jahren arbeitet die Muslimin als Hauswirtschaftskraft in einem evangelischen Pflegeheim im badischen Müllheim, reinigt Zimmer, bereitet das Essen zu und serviert es. »Trotzdem habe ich mich immer wie eine Beschäftigte zweiter Klasse gefühlt.« So war ihr bis vor kurzem verboten, für die Mitarbeitervertretung, kurz MAV, zu kandidieren – weil sie kein Kirchenmitglied ist. Erst eine Unterschriftensammlung sorgte dafür, dass sie seit letztem Jahr in der Einrichtung offiziell die Interessen der Beschäftigten vertreten darf. Wenig später drückte ihr ein Kollege im Frühjahr einen Flyer für eine Petition von ver.di in die Hand, die gleiche Rechte für Beschäftigte kirchlicher Einrichtungen fordert. Doch Durşen Kavaklı fragte nur beiläufig: »Was ist damit gemeint?« Zu Hause wollte sie in Ruhe lesen, was es damit auf sich hat.
Aber die Hauswirtschaftskraft fand nie die Zeit dafür. Bis sie durch Zufall auf einer Fortbildung beim Mittagessen mit Kolleg*innen aus der Migrationsberatung der Diakonie Baden und Württemberg ins Gespräch kam. Sie erzählten, dass eine Frau mit Kopftuch bei ihnen nicht eingestellt werden darf – ob im Kindergarten, in der Schulbetreuung oder eben in der Migrationsberatung. Die Hauswirtschaftskraft war baff: »Wie jetzt?« Ja, sie dürften die Bewerbung einer Muslimin gar nicht erst weiterleiten, lautete die Antwort. Ebenso wenig wie von anderen Beschäftigten, die nicht Mitglied der Kirche sind. »Oh, Gott«, erwiderte die 44-Jährige. »Ich war wie vor den Kopf gestoßen.«
In dem Moment habe es bei ihr »Klick« gemacht. Sofort schickte die Mutter von drei Kindern die Petition per Whatsapp an alle Kontakte, postete den Aufruf auf Instagram & Co. »Es geht nicht nur um mich«, betont Durşen Kavaklı. »Sondern auch um viele andere Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen.« Mit der Petition fordert ver.di die Bundesregierung auf, die Sonderregeln für Kirchen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und im Betriebsverfassungsgesetz zu streichen. Über 31.000 Menschen haben bereits unterschrieben. »Meine ganze Familie unterstützt die Kampagne«, sagt Durşen Kavaklı. Ihre Tochter warb an der Uni dafür, ihr Sohn fuhr mit dem Fahrrad durch die ganze Nachbarschaft und warf Postkarten in die Briefkästen.
In all den Jahren sei sie auf der Arbeit immer überall mit von der Partie gewesen, berichtet die 44-Jährige: Zu vielen Kundgebungen für gute Arbeit sei sie mitgegangen, habe an Sitzungen ihrer Abteilung teilgenommen – und ihren Kolleg*innen stets bei Problemen geholfen. Deshalb habe sie sehr getroffen, dass sie lange nicht in die Interessenvertretung gewählt werden durfte. »Das war bei jeder Wahl ein Schlag ins Gesicht.« Schuld daran war eine Regelung, die für Mitarbeitervertreter*innen die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche vorschrieb. Durşen Kavaklı beteiligte sich an einer Unterschriftensammlung für die Abschaffung der Klausel. Mit Erfolg.
Als vor der letzten Wahl plötzlich am Schwarzen Brett ihr Name mit auf der Liste der möglichen Kandidat*innen stand, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Noch jetzt stockt sie, wenn sie davon erzählt. »Ich kann meine Freude gar nicht ausdrücken«, sagt die Hauswirtschaftskraft. »Das war für mich der Wahnsinn.« Sofort stand für sie fest, dass sie sich aufstellen lässt. Nicht um des Erfolges willen, sondern vor allem, »weil ich es endlich konnte«. Durşen Kavaklı wurde auf Anhieb in die Mitarbeitervertretung gewählt – und trat direkt in ver.di ein. »Für mich ist klar: Wie haben wir Macht? Mit der Gewerkschaft!«
Unterzeichne die Petition hier.
Infos: gleichesrecht.verdi.de