Ohne uns geht´s nicht

Unverzichtbar, dennoch häufig übersehen – Kolleg*innen in Dienstleistungstöchtern von Kitas und Kliniken wollen keine Beschäftigte zweiter Klasse sein.
26.06.2024
Selbstbewusst im Arbeitskampf: Servicebeschäftigte in Bayern verschaffen sich Respekt.

Verhandlungen erzwungen

Streik der Servicekräfte in Regensburg bringt Bewegung

Dreckige und stinkende Toiletten, fehlende Bettwäsche, Essen in Pappgeschirr – nach einem Monat Streik bei der Dienstleistungsgesellschaft KDL an der Regensburger Uniklinik waren die Folgen für den Krankenhausbetrieb Anfang Juni nicht mehr zu übersehen. Fast jede dritte OP musste abgesagt werden. Das und der öffentliche Druck brachten die KDL-Geschäftsführung schließlich dazu, Tarifverhandlungen mit ver.di zuzusagen – etwas, das sie zuvor stets kategorisch ausgeschlossen hatte.

Der ver.di-Verhandlungsführer Robert Hinke kündigte daraufhin eine veränderte Streiktaktik an. So soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben werden, die gravierendsten Probleme bei Abläufen und Hygiene zu beheben. Zugleich warnte der Gewerkschafter den Arbeitgeber davor, auf Zeit zu spielen. Der Arbeitskampf werde fortgesetzt und könne jederzeit wieder ausgeweitet werden, wenn das nötig sein sollte.

Die Aufnahme von Tarifverhandlungen in Regensburg sieht ver.di auch als Signal an die Servicegesellschaften in Würzburg und Erlangen, wo ebenfalls seit Wochen gestreikt wird. »Auch in Würzburg und Erlangen müssen die Arbeitgeber ihren Crashkurs endlich beenden«, forderte Hinke. »Dass Unternehmen, die mehrheitlich in öffentlichem Besitz sind, auf Niedriglöhnen beharren und mit allen Mitteln Tarifverträge bekämpfen, ruft in der Öffentlichkeit zu Recht Empörung hervor.« Von Stadträten und aus der Zivilgesellschaft komme zunehmend Kritik an der Blockadehaltung der Arbeitgeber.

»Die Beschäftigten der Servicegesellschaften verlangen Respekt für ihre so wichtige Arbeit«, betonte Hinke. »Welchen Druck sie ausüben können, wenn sie gewerkschaftlich gut organisiert und entschlossen sind, haben die Kolleginnen und Kollegen in Regensburg gezeigt. Ein Vorbild für alle.«

 

Was ist bedingungsgebunde Tarifarbeit?

Alle Erfahrung zeigt: Die Beschäftigten bekommen nichts geschenkt. Gute Tarifverträge müssen oft in harten Auseinandersetzungen erkämpft werden. Ganz besonders gilt das in ausgegliederten Servicegesellschaften, die meist aus nur einem Grund geschaffen wurden: um Tarifverträge auszuhebeln und die Löhne zu drücken. Wollen Beschäftigte daran etwas ändern, brauchen sie eine hohe Durchsetzungskraft.

Hier greift das Konzept der »bedingungsgebundenen Tarifarbeit«. Das heißt: Die ver.di-Aktiven stellen sich selbst Bedingungen, die erfüllt sein müssen, bevor der Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert wird. Zum Beispiel, dass 50 Prozent der Beschäftigten ver.di-Mitglied sind oder eine bestimmte Zahl von Kolleg*innen, die sich aktiv einsetzen. Denn mit viel Stärke können oft auch unwillige Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen bewegt werden.

 

 
Ella H. Gruppenleitung in der Hauswirtschaft am UKSH

"Nach vielen Jahren haben wir es geschafft: Der Landtag von Schleswig-Holstein hat mit der Unterstützung aller Fraktionen im Mai beschlossen, die Dienstleistungsgesellschaft Servicestern Nord wieder ins Uniklinikum einzugliedern. Ab 2027 soll auch für uns der Tarifvertrag der Länder (TV-L) gelten. Alle Kolleginnen und Kollegen fiebern dem entgegen. Endlich wird die Ungleichbehandlung beseitigt, bekommen wir für die gleiche Arbeit dasselbe Geld, dieselben Bedingungen wie in der Muttergesellschaft. Erreicht hat ver.di das vor allem durch politischen Druck. In der Vergangenheit wurden wir mit Löhnen kaum über dem gesetzlichen Mindestlohn abgespeist. 2027 ist damit endlich Schluss. Das ist richtig klasse. Dann können wir hoffentlich auch wieder mehr Personal gewinnen und halten."

Ella H., Gruppenleitung in der Hauswirtschaft am UKSH

 

 
Ursula G., Reinigungskraft, SHG Service GmbH am Klinikum Idar-Oberstein

"Obwohl wir die gleiche Arbeit machen, hatten wir als Beschäftigte der Service GmbH jahrelang schlechtere Arbeitsbedingungen als die Kolleginnen, die direkt bei den SHG-Kliniken angestellt sind. Während sie regelmäßig Lohnerhöhungen, Sonderzahlungen und zuletzt die Corona-Prämie bekamen, gingen wir meistens leer aus. Das war absolut ungerecht. Wir haben angefangen, Unterschriften dagegen zu sammeln und es wurde auch im Stadtrat Thema. Dann ging alles sehr schnell. Nach zwei Verhandlungsrunden hat ver.di die Angleichung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erreicht. Das ist genau das, was wir wollten. Seit wir nicht mehr ungleich bezahlt werden, ist auch die Stimmung im Betrieb viel besser. Wir sind einfach nur glücklich. Endlich Gerechtigkeit."

Ursula G., Reinigungskraft, SHG Service GmbH am Klinikum Idar-Oberstein

 

»Uns reicht es«

Das Küchen- und Reinigungspersonal der Elbkinder-Kitasin Hamburg streikt für mehr Lohn.

Tag für Tag sorgen sie dafür, dass die Kitas blitzsauber sind, alles geputzt und gewaschen ist. Sie bereiten Frühstück zu, kochen Mittagessen und backen Geburtstagskuchen, nebenbei trösten sie auch mal ein weinendes Kind und gehen den Erzieherinnen zur Hand. Doch das Küchen- und Reinigungspersonal der Elb-
kinder-Kitas in Hamburg wird dafür mit Niedriglöhnen abgespeist. Damit soll endlich Schluss sein. Die Beschäftigten der Servicegesellschaft der Elbkinder-Kitas, kurz EKSG, streiken für mehr Lohn.

»Uns reicht es«, sagt die Hauswirtschaftsleiterin und Betriebsrätin Dagmar Hegermann. Die Kolleginnen verdienten für ihre Arbeit in den Kitas sogar noch weniger, als würden sie nach dem Mindestlohn für die Gebäudereinigung ein Büro oder eine Fabrik putzen. Dagmar Hegermann betont, was die Hauswirtschaftskräfte jeden Tag leisteten: »Das ist harte körperliche Arbeit.« Hinzu kämen strenge Hygieneregeln.

 
Dagmar Hegermann in Aktion

»Unser Motto lautet: Eine Kita, ein Team.« Deshalb haben sich die Hauswirtschaftskräfte in ver.di organisiert und sind im Mai in den Streik getreten. Zunächst einen Tag pro Woche, dann zwei Tage, dann drei, vier – und seit Juni streiken sie fünf Tage pro Woche. »Das kostet die Frauen viel Kraft«, erklärt die ver.di-Fachbereichsleiterin für Hamburg, Hilke Stein. Zumal sich viele von ihnen noch schwer mit der Sprache tun, Zweit- und Drittjobs benötigen und sich in einer sehr unsicheren Situation befinden. »Aber sie sind richtig mutig und entschlossen.« Sie malen Plakate, tanzen auf der Straße, halten Mahnwachen, reden mit Eltern und tragen symbolisch einen Rotstift zu Grabe. Über 100 Hauswirtschaftskräfte sind neu in ver.di eingetreten. Für Hilke Stein ist es ein Skandal, dass die Stadt kein Entgegenkommen signalisiert. Hamburg hat Reinigung und Küche vor 20 Jahren in eine Servicegesellschaft ausgegliedert, die Hauswirtschaftskräfte erstritten einen eigenen Haustarifvertrag. »Doch bei den Gehältern sind sie inzwischen weit abgehängt.« In den Tarifverhandlungen fordert ver.di für die rund 900 Beschäftigten pauschal 550 Euro mehr Gehalt, plus zwei Regenerationstage. »Die Sparpolitik auf Kosten derjenigen, die am wenigsten verdienen, muss ein Ende haben!«                           

von Kathrin Hedtke

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