Regensburger Kinderstation

Woher kommt eigentlich das Sprichwort »unter die Haube kommen« – und was hat das mit dem Pflegeberuf zu tun?
10.09.2024
Regensburger Kinderstation

Dieses Bild zeigt die 1929 geborene Hildegard Schlechta, eine der ersten weltlichen Kinderkrankenschwestern in Deutschland, inmitten zweier Kinder in einer Regensburger Kinderstation. »Meine Großmutter mag nicht mehr bei uns sein«, erzählt ihre Enkelin Nicola Sieber, die selbst Gesundheits- und Krankenpflegerin wurde. »Aber ihr Vermächtnis lebt weiter – in mir, und in jedem von uns, der tagtäglich für die Gesundheit anderer eintritt. Und vielleicht, wenn ich an sie denke, werde ich auch ein bisschen von ihrem strahlenden Lächeln in die Welt hinaustragen, genau wie sie damals, inmitten der Kinder auf der Station.«

Historisch gewachsen ist die Pflege aus dem karitativen Bereich. Im Laufe der Jahre fand eine zunehmende »Verstaatlichung des Sozialen« statt. Aber die Wertvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft waren für ihre Töchter Heirat und Familie. Also kamen damals für die Ausübung der Pflegetätigkeit junge Witwen und nicht verheiratete junge Frauen sowie Waisen oder Halbwaisen in Frage. Normalerweise blieben unverheiratete Töchter im Familienverbund. Um diese nun vor äußeren Angriffen als ledige Frauen zu schützen und ihre Professionalität zu unterstreichen sowie sie in der Gesellschaft sichtbar zu machen, gab Pfarrer Fliedner im 19. Jahrhundert ihnen eine einheitliche Tracht sowie Richtlinien für einen strukturierten Tagesablauf.

Die Tracht bestand meist aus einem dunkelblauen, grauen oder schwarzen Kleid mit einer Schütze und einer weißen Haube. Im Laufe der Zeit haben sich die Form der Haube und auch die Farbe des Kleiderstoffs mehrfach verändert. Zum ersten Mal konnten sich unverheiratete Frauen beruflich sozial engagieren und unabhängig von Mann und Familie ihr Leben bestreiten. Der Begriff hat sich bis heute gehalten, wenn davon gesprochen wird jemanden »unter die Haube« zu bekommen.

Die Pflegeberufe haben sich seit den Tagen von Nicolas Großmutter drastisch verändert, doch die Essenz bleibt die gleiche: Es geht um ganzheitliches Hinschauen, Empathie, Verantwortung und den unerschütterlichen Willen, anderen zu helfen. In einer Zeit, in der Pflegekräfte aufgrund von Personalmangel und Profitorientierung des Gesundheitswesens mehr denn je gefordert sind, können wir viel von den Erfahrungen der Pioniere wie Hildegard Schlechta lernen. Ihre Geschichten erinnern uns daran, warum wir diesen Beruf gewählt haben – weil es nicht nur um medizinische Versorgung geht, sondern auch um Menschlichkeit und Mitgefühl. Und dafür braucht es gute Arbeitsbedingungen. Die Pflege scheint manchmal pflegebedürftiger zu sein als die Patientinnen und Patienten selbst.

 

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