Verschärft! Seit dem 1. August greifen neue Pflichten für Arbeitgeber.
Wird euer Dienstplan auf dem letzten Drücker ausgehängt? Ist jeder Plan ein überraschendes Abenteuer, auf das ihr kurzfristig euer Leben einstellen sollt?
Seit August greift die EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen. In Deutschland haben die Gesetzgeber*innen dies nur als Stückwerk umgesetzt. Grundlegend unterscheiden sie dabei zwischen zwei Arbeitszeitmodellen. Welches der beiden wird für dich umgesetzt?
Tobias Michel (Schichtplan-Fibel) Zeichnung: Matthias Berghahn
vorhersehbare Arbeitszeit
Du arbeitest in Normalarbeit. Oder die Betriebsparteien haben für dich Schichtarbeit vereinbart: Du wirst in einen mitbestimmten Dienstplan eingeordnet. Die Einteilung der Schichten folgt einem System und einem Rhythmus. Du kannst dich auf die einzelnen Dienstpläne verlassen.
Oder
unvorhersehbare Arbeitszeit
Du hast »Arbeit auf Abruf« vereinbart. Dazu hast du mit dem Arbeitgeber einen Zeitrahmen vereinbart, aus »Referenztagen« und »Referenzstunden«. Und zusätzlich habt ihr eine Frist vereinbart, mit der dir deine Arbeitszeit mindestens anzuordnen ist. Andernfalls verdienst du dein Entgelt, bist aber nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet.
Wart ihr schon vor dem 1. August 2022 im Betrieb beschäftigt? § 5 Nachweisgesetz (NachwG) schafft euch einen wichtigen neuen Anspruch: Euer Arbeitgeber muss euch binnen sieben Tagen schriftlich Antwort geben zu seiner Organisation der Arbeit. Tut euch zusammen! Gemeinsam mailt ihr an die Personalabteilung:
Die Strafe
Wer nicht oder falsch nachweist, kann sich im Streit schlecht auf die tatsächlichen Regeln berufen. Fehlen die notwendigen Regeln, dann ist eure Arbeitszeit ganz oder größtenteils unvorhersehbar. Ihr stehst dann unter besonderem Schutz. Bis zu 2.000 Euro Ordnungsgeld muss fürchten, wer eure Aufforderung zur Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig beantwortet (§ 5 NachwG). Zudem machen sich Arbeitgeber schadensersatzpflichtig.
Manche Arbeitgeber machen es sich zu leicht. Sie verweisen auf den in Bezug genommenen Tarifvertrag und auf Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen. Doch die Tarifverträge und Arbeitsvertragsrichtlinien vereinbaren keine Schichtarbeit, sie lassen sie nur zu. Erst recht vereinbaren sie kein Schichtsystem, keinen Schichtrhythmus oder gar das Recht auf Schichtänderung unter bestimmten Voraussetzungen. Frag deinen Betriebsrat/Personalrat oder die Mitarbeitervertretung: »Habt ihr die Vorhersehbarkeit unserer Schichten bereits gesichert?«
Unser ver.di-Fachbereich berät – zusammen mit ver.di b+b und der Schichtplan-Fibel – am 17.10.2022 von 15 bis 17 Uhr (Zugang ab 14 Uhr)
Rechtzeitige und verbindliche Arbeitszeiten – keine Schichtänderung!
Mitglieder melden sich kostenfrei an: t1p.de/10171
(1) [...] . In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen [...]
8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
9. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a) die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat [...]
c) der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d) die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
Das NachwG schafft neue Ansprüche mit überraschenden Begriffen. Die Gesetzesbegründung versucht sie aufzuklären.
»zum Beispiel Drei-Schicht-System«. Gemeint ist wohl ein für dich transparentes Modell. Dies schließt eine unübersichtliche Anzahl an Schichten in der Legende aus.
»zum Beispiel wöchentlicher Wechsel von Früh-, Spät- und Nachtschicht«. Regelmäßige Abfolgen helfen dir bei der Organisierung deines restlichen Lebens. Spätestens nach sieben Schichten folgt eine Freischicht; in jeder Woche mindestens ein freier Tag; auf ein Arbeitswochenende folgt ein freies.
Artikel 10 EU-Richtlinie knüpft den »Widerruf von Arbeitsaufträgen« an klare Schutzregeln der einzelnen Mitgliedsstaaten. Die deutschen Gesetzgeber halten diesen Weg verschlossen. Dein Arbeitgeber hat dich über »gegebenenfalls die Voraussetzungen von Schichtänderungen zu informieren. Es handelt sich um generelle Informationen zur vereinbarten Schichtarbeit. Ein zusätzlicher Nachweis über individuelle Schichtänderungen (zum Beispiel aktualisierte Dienstpläne) innerhalb des vereinbarten Schichtsystems bzw. des vereinbarten Schichtrhythmus ist insoweit nicht erforderlich.«
Eine Änderung deines Schichtplanes, die der Arbeitgeber dir nicht anordnet, bleibt natürlich unschädlich. Ohne Erlaubnis für Schichtänderungen brauchen die Arbeitgeber nicht nach Voraussetzungen zu suchen.
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