Im Sommer packt der Polarforscher Ingo Schewe vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven seine wärmsten Klamotten ein und startet zur Forschungsexpedition ins ewige Eis. Mit dem Eisbrecher POLARSTERN fährt das Team mindestens einmal pro Jahr in Richtung Nordpol, bis kurz vor Spitzbergen. »Ich erforsche, wie sich der Klimawandel auf die Lebensgemeinschaften in der Tiefsee der Arktis auswirkt«, sagt der Meeresbiologe. An Bord des Forschungsschiffes lässt er einen Greifer an einem Stahldraht ins Polarmeer hinab und holt Sedimente vom Meeresboden aus 1.000 bis 5.000 Metern Tiefe hervor. Einige Proben untersucht er direkt vor Ort. Doch en Detail bestimmt der Forscher die Lebewesen erst unter dem Mikroskop im Labor in Bremerhaven.
Die Langzeitstudie untersucht seit mehr als 20 Jahren, welche Organismen und Bakterien sich tief unten auf dem Meeresboden befinden – und wie aktiv sie sind. »So können wir sehen, wie es der Lebensgemeinschaft aktuell geht und wie gut sie mit Nahrung versorgt wird«, berichtet Ingo Schewe. Meeresalgen nehmen an der Wasseroberfläche Kohlendioxid auf und verwandeln ihn in Sauerstoff. Wenn sie absterben, sinken sie hinab in die Tiefsee und sind dort eine wichtige Nahrungsgrundlage. Mit Blick auf den Klimawandel sei zu hoffen gewesen, dass die Lebewesen in der Tiefsee das CO2 in großem Stil binden könnten. »Doch tatsächlich scheint das Gegenteil der Fall«, sagt der Forscher. »Die Organismen sind zum Teil so geschwächt, dass sie nicht mehr so effektiv sind.«
Zudem hat Ingo Schewe eine neue Aufgabe dazu bekommen: Als wissenschaftlicher Koordinator stimmt er alle Fahrten der beiden großen Forschungsschiffe des Alfred-Wegener-Instituts aufeinander ab. Außerdem ist der Polarforscher seit vielen Jahren im Personalrat aktiv. Dafür ist er die Hälfte der Zeit von seiner regulären Tätigkeit freigestellt. Die Arbeit im Personalrat und in ver.di sei ihm sehr wichtig. »Schon aus purem Egoismus«, sagt Ingo Schewe. »Es geht darum, die Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in der Forschung zu verbessern.« Die Einrichtung des Helmholtz-Zentrums wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Deshalb sei die Ausstattung vergleichsweise gut, so der Wissenschaftler. Doch ein großes Problem sieht er in den vielen befristeten Verträgen. »Das gilt nicht nur für die akademischen Bereiche, sondern auch für Verwaltung, Technik und so weiter.« Aus Erfahrung weiß er, dass die Tiefseeforschung spezielle Methoden erfordert. »Da braucht es eine ganze Weile, bis gutes Personal angelernt ist – umso wichtiger ist es, die Leute zu halten.« Der Meeresbiologe ist überzeugt: Gute Forschung gelingt nur mit guten Arbeitsbedingungen.
von Kathrin Hedtke