Zum dritten Mal veröffentlicht ver.di gemeinsam mit den Rechtsanwält*innen Mira Gathmann und Baumann-Czichon einen aktualisierten Vergleich des Mitarbeitervertretungsgesetzes der evangelischen Kirche sowie der Mitarbeitervertretungsordnung katholische Kirche mit dem staatlichen Betriebsverfassungsgesetz.
Fast 1,8 Mio. Arbeitnehmer*innen in der evangelischen und katholischen Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas wählen regelmäßig so genannte Mitarbeitervertretungen. Grundlage dafür bilden kirchliche Gesetze, für den evangelischen Bereich das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD mit diversen landeskirchlichen Regelungen, für den katholischen Bereich die Mitarbeitervertretungsordnung, auch hier gibt es auf der Diözesanebene viele Sonderregelungen.*
Nicht nur die Leser*innen des ver.di Kirchen.infos kennen das leidige Thema der Schlechterstellung von betrieblichen Interessenvertretungen in den Betrieben und Dienststellen der christlichen Kirchen in Deutschland. Beschäftigte besonders im Diakoniesektor sind seit Jahrzehnten aktiv unterwegs, um die EKD-Synode und auch die staatliche Politik davon zu überzeugen diesen Missstand zu beseitigen. Die Verfechter der kirchlichen Sonderregelungen argumentieren dagegen seit Jahrzehnten stets nach dem gleichen Muster: Das bundesdeutsche Grundgesetz ermögliche den Kirchen ein »Selbstbestimmungsrecht«. Auf dieser Grundlage erlassen die zuständigen kirchlichen Gremien nunmehr seit Jahrzehnten Regelungen für die Arbeit ihrer Mitarbeitervertretungen.
Gleich zu Beginn der Broschüre erläutern die Autor*innen die Haltlosigkeit dieser Argumentation. Die historische Faktenlage ist eindeutig. Allein die kirchliche Lobbyarbeit hat bereits 1951 dazu geführt, dass die Kirchen vom staatlichen Betriebsverfassungsgesetz ausgenommen wurden. Bis heute hat sich an diesem Zustand nichts geändert. Es besteht ein breiter Konsens im politischen und juristischen Raum, dass die Kirchen ihre Sonderregelungen für die Mitarbeitervertretungen, (wie auch im Tarifrecht) selbständig regeln dürfen. Eine Anmaßung, wie die Autor*innen auf Seite 9 schreiben, denn Art. 140 GG ermöglicht den Kirchen lediglich ein »Selbstverwaltungs- und Selbstordnungsrecht im Rahmen der für alle geltenden Gesetze«. Ein »Selbstbestimmungsrecht« wie immer wieder auch höchste bundesdeutsche Gerichte urteilen, gibt es nicht.
Den Autor*innen ist es gelungen in vielen praxisnahen Beispielen die Grenzen sowie Schwächen der kirchlichen MAV-Rechte aufzuzeigen. Das Fazit ist bitter: Im Ergebnis ist der Beteiligungskatalog zwar häufig strukturell ähnlich, aber an einer (rechts)wirksamen echten Mitbestimmungsmöglichkeit fehlt es immer noch. Damit verwehren die Kirchen ihren Beschäftigten in letzter Konsequenz die in Art. 1 und 2 GG festgelegten Menschenrechte.
Bleibt zu hoffen, dass die vorliegende Broschüre die vielen tausenden Mitarbeitervertreter*innen trotz alledem ermutigt nicht nur ihre (kirchlich gewährten) Rechte immer wieder kraftvoll zu nutzen. Gewerkschaftliche Organisierung kann dabei sicher helfen. Mitarbeitervertreter*innen sind die Stimme der Beschäftigten, ein unverzichtbares Element für die betriebliche Mitsprache der von ihnen zu vertretenden Arbeitnehmer*innen. Die krisenhaften Entwicklungen in unserer Gesellschaft, besonders vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, erfordern zukünftige ein Mehr an Mitbestimmung auch über das derzeit geltende staatliche Betriebsverfassungsrecht hinaus. Die Kirchen könnten, wenn sie denn wollten, beispielhaft vorangehen. Theologisch lässt sich das allemal begründen.
Den o.g. Rechtsanwält*innen aus Bremen ist zu danken, dass sie neben ihrer täglichen Vertretungsarbeit die vorliegende Broschüre erneut bearbeitet haben.
* Eine Übersicht der vielfältigen MAV Regelungen ist in „Die RechtsSammlung Staatliches und kirchliches Arbeitsrecht für Mitarbeitervertretungen in Diakonie, Kirche und Caritas“ 2020 von Baumann-Czichon/Feuerhahn im Kellner Verlag erschienen.
Kirchen, Diakonie und Caritas
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