Broschüre: "Raus aus der Schwarzarbeit"

12.03.2015

In der eigenen Wohnung leben, solange es irgendwie geht - das ist der Wunsch vieler älterer Menschen. Damit das möglich ist, brauchen sie unterstützende Hilfen und Dienstleistungen, die aber häufig durch Familien oder Nachbarn nicht zu leisten sind. In dieser Versorgungslücke hat sich ein „grauer Arbeitsmarkt“ gebildet. Oft sind es Haushaltshilfen und Pflegekräfte aus Osteuropa, die als Pendelmigrantinnen, Live-in-Pflegekräfte in den Privathaushalten arbeiten. Arbeitsschutzgesetze werden nicht eingehalten, Mindestlöhne nicht bezahlt. Damit Familien, die auf diese Unterstützung angewiesen sind, Rechtssicherheit bekommen und die osteuropäischen Frauen nicht ausgenutzt werden, braucht es endlich klare gesetzliche Regelungen und Finanzierungen. Eine verantwortliche Politik darf das Problem nicht ignorieren. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat sich des Themas angenommen. ver.di stellt in der Veröffentlichung „…raus aus der Schwarzarbeit – Gute Arbeit in Privathaushalten“ Positionen vor, mit denen wir Lösungen beschleunigen und ermöglichen wollen.

 
Margret Steffen

Warum diese Broschüre?

Menschen verlassen ihre Heimat, um Arbeit zu finden und akzeptieren auch Arbeitsbedingungen, die nicht den Standards des Aufnahmelandes entsprechen. Bezogen auf den Bereich der Pflege sind solche Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland in Privathaushalten zu finden. Rund 300.000 Beschäftigte sind dies. Mit ihrer Unterstützung wird die ambulante Versorgung und die Betreuung vieler älterer Menschen abgesichert. Sie erledigen Arbeiten wie Kochen oder Einkaufen. Sie sorgen dafür, dass ältere Menschen ihre Freunde besuchen können – und, ja, sie übernehmen auch pflegerische Aufgaben. Aber: Dies findet unter prekären und irregulären Arbeitsverhältnissen bis hin zur Schwarzarbeit statt. Darüber ist öffentlich viel geredet worden, aber Vorschläge, wie dies zu ändern ist, liegen nicht vor. ver.di hat die problematische Arbeitssituation dieser Beschäftigtengruppe zum Anlass genommen, um die Frage zu stellen, wie gute Arbeit in Privathaushalten und damit eine gute häusliche Versorgung politisch gestaltet werden kann. ver.di will eine politische Debatte zur Frage der haushalts- und personenbezogenen Dienstleistungen anstoßen. Denn wir haben die Chance, die häusliche Versorgung und Pflege älterer Menschen zu verbessern!

Warum gerade die Arbeitssituation osteuropäischer Haushaltshilfen und Pflegekräfte regeln?

Osteuropäische Haushaltshilfen und Pflegekräfte stellen einen spezifischen Fall der Dienstleistungsarbeit in Privathaushalten dar. Aber an diesem Beispiel können die Komplexität und die unterschiedlichen Herausforderungen der häuslichen Versorgung und damit der Dienstleistungen im Privathaushalten gezeigt werden. Wie in einem „Brennglas“ wird an dieser Beschäftigtengruppe nicht nur der Reformbedarf in der häuslichen Pflege und die Versorgung älterer Menschen sondern auch der Handlungsbedarf einer beschäftigungspolitischen Regulierung des Arbeitsmarktes Privathaushalt deutlich.

 Welche Problemstellungen zeigt denn die Beschäftigung osteuropäischer Haushaltshilfen und Pflegekräfte?

Zum einen die Dimension der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Mit der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes 2011 wurde auch in Deutschland die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa umgesetzt. Zur Ausgestaltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit setzt ver.di auf den gleichberechtigten Zugang zur Aus- und Fortbildung und beruflichen Entwicklung, faire und transparente Vertragsabschlüsse, die Zulassung und Anerkennung der Qualifikationen, die Förderung von ethischen Einstellungspraktiken und die Vereinigungsfreiheit für die Anwerbung von Arbeitsmigrantinnen. Allgemein anerkannt, sehen jedoch die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen nicht so ideal aus. Wir können an der Beschäftigung osteuropäischer Haushaltshilfen und Pflegekräfte Problemstellungen zeigen, die sowohl mit dem sozialen Gefälle zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten als auch mit einer unzureichenden Regulierung des Arbeitsmarktes oder Lücken in der Gesetzgebung zu tun haben.

Der zweite Punkt ist das Pflegesystem selbst. Mittlerweile anerkannt ist, dass gerade die häusliche Versorgung reformbedürftig ist. Wenn es im Pflegesystem dann um eine stärkere Berücksichtigung haushalts- und personenbezogener Dienstleistungen geht, dann ist grundlegend für die bessere Förderung dieser Dienstleistungen die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Und: Die beschäftigungspolitische Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wird nicht ohne Reformen in der Finanzierung durch die Pflegeversicherung auskommen. ver.di setzt hier darauf, die Pflegeversicherung zur Pflegevollversicherung weiterzuentwickeln.

Und der dritte Punkt ist der vielbeschworene Fachkräftemangel. Ambulante Dienste stehen vor der Herausforderung, ausreichend und qualifiziertes Personal für die häusliche Versorgung zu finden. Natürlich ist darüber nachzudenken, wie z.B. die Arbeitsteilung zwischen Angehörigen, ambulanten Diensten und ergänzenden haushalts- und personenbezogenen Dienstleistern zu verbessern ist. Es ist Ausbildung, Qualifizierung und eine bessere Entlohnung auf den Weg zu bringen und es gibt Vorschläge, Fachkräfte aus Europa und international anzuwerben. Hier ist die Frage zu stellen, ob osteuropäische Haushaltshilfen und Pflegekräfte arbeitsmarktpolitisch nicht eine Gruppe des Arbeitsmarktes darstellen, die für die Pflege und Versorgung im Privathaushalt aufgeschlossen und qualifiziert werden kann. Und dann ist die Frage nicht weit, was zu tun ist, um dies umzusetzen.

Das heißt, der Schwarzmarkt um osteuropäische Haushaltshilfen und Pflegekräfte ist nicht durch eine Gesetzesänderung zu lösen?

Richtig. Angesichts der Rolle, die Privathaushalte mittlerweile als Wirtschaftsfaktor und Arbeitsmarkt spielen, müssen sich nachhaltige politische Antworten aus verschiedenen Politikfeldern speisen. Im Fall der osteuropäischen Haushaltshilfen und Pflegekräfte geht es um Antworten aus dem Pflegesystem, wenn es um die Finanzierung und die Tätigkeiten geht. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Arbeitsrecht und Arbeitsschutz sind gefordert, wenn der Status des „Privathaushaltes“ als Auftrag- und Arbeitgeber geklärt und die soziale Absicherung der Migrantinnen geregelt werden soll. (Regionale) Strukturentwicklung ist gefordert, sollen Information und Beratung für ältere Menschen, ihre Angehörigen und für die in Privathaushalten Beschäftigten verbessert werden.

 Wie das gehen kann, zeigen wir mit dieser Broschüre.

 

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