Agaplesion

Agaplesion im Porträt

Das als gemeinnützige Aktiengesellschaft organisierte Unternehmen Agaplesion expandiert rasch und hat sich als einer der großen deutschen Gesundheitskonzerne etabliert.
19.11.2007

 

Die Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Gesundheitswesens macht auch vor kirchlichen Einrichtungen nicht Halt. Auch hier etablieren sich zunehmend auf Expansion ausgerichtete Konzernstrukturen durch Aufkäufe und Fusionen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Agaplesion gAG. Das als gemeinnützige Aktiengesellschaft organisierte Unternehmen expandiert rasch und liegt gemessen an der Beschäftigtenzahl hinter den großen Kommerziellen auf Platz vier der deutschen Gesundheitskonzerne. Die Lohn- und Arbeitsbedingungen werden im Agaplesion-Konzern unterschiedlich geregelt – einzelvertraglich, auf kirchenrechtlichem Weg oder per Tarifvertrag. Wie andere Träger nutzen seine Einrichtungen die Möglichkeit, Leistungen auszugliedern, die für die Versorgung von Patient*innen und Bewohner*innen nötig sind, jedoch billiger erbracht werden sollen. Das betrifft zum Beispiel die Essensversorgung oder die Reinigung. Für die betroffenen Beschäftigten in diesen ausgegliederten Servicegesellschaften gelten meist weder Tarifverträge noch kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien. Stattdessen werden die Löhne und Arbeitsbedingungen vom Arbeitgeber im einzelnen Arbeitsvertrag festgelegt.

»Liebe den Nächsten«, soll das Kunstwort Agaplesion heißen. Mit der Nächstenliebe zu den eigenen Beschäftigten scheint es aber nicht allzu weit her zu sein. Denn ihnen gegenüber verhält sich der Diakonie-Konzern wie jedes profitorientierte Unternehmen. In einigen Kliniken gibt es zwar Tarifverträge, doch geht der Konzern bislang nicht in allen seinen Unternehmen diesen für die Branche üblichen Weg, um unter anderem Entgelte und Arbeitszeiten zu regeln. In den meisten der mehr als 100 in über zehn Bundesländern verteilten Einrichtungen wendet Agaplesion einzelvertraglich Arbeitsvertragsrichtlinien an, die in sogenannten Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt werden und ganz unterschiedlich sind. Auf diesem Weg haben die Beschäftigten keine Möglichkeit, zum Beispiel mit Streiks Druck für ihre Forderungen zu entwickeln.

 

Auch die betriebliche Interessenvertretung ist nicht einheitlich. In den Kliniken und Altenhilfeeinrichtungen gilt kirchliches Arbeitsrecht, deshalb sind dort Mitarbeitervertretungen gewählt. Nach einem langen Prozess hat sich auf Konzernebene auch eine Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund etabliert (»Konzern-MAV«). Leider sind die kirchlichen Mitarbeitervertretungen mit weniger Rechten ausgestattet als Betriebsräte in der Privatwirtschaft. Anders als dort sind die Beschäftigten bislang auch nicht im Aufsichtsrat des Konzerns vertreten. In den Serviceunternehmen und Medizinischen Versorgungszentren von Agaplesion wird weltliches Recht zur Anwendung gebracht. Deshalb sind dort zum Teil Betriebsräte vorhanden, die auch teilweise Gesamtbetriebsräte gebildet haben.

Agaplesion ist als »gemeinnützige Aktiengesellschaft« (gAG) organisiert. Das sichert zum einen die Steuerbefreiung, zum anderen eine relative Unabhängigkeit des Vorstands. In den Worten von Agaplesion-Chef Markus Horneber: »Der Vorteil unserer gemeinnützigen Aktiengesellschaft ist es, dass wir nicht die finanziellen Erwartungen von Aktionären bedienen müssen, sondern gemeinsame Stärken entwickeln, Einrichtungen fördern und gesundes Wachstum ermöglichen können« (Pressemitteilung vom 20. September 2012). Dabei handelt der Konzern durchaus gewinnorientiert, wie Hornebers Vorgänger Bernd Weber deutlich macht. »Wer keinen Gewinn anstrebt, handelt unethisch, da er die Ressourcennutzung vernachlässigt«, erklärte er bereits im Mai 2011 gegenüber der Zeitschrift kma.

 

Mit diesem Konzept expandiert der 2002 gegründete Kirchenkonzern kräftig. Das geschieht nicht durch Aufkäufe, sondern vor allem durch den Tausch von Anteilen: Häuser, die sich dem Verbund anschließen, geben 60 Prozent ihrer Anteile ab und erhalten für den entsprechenden Gegenwert Agaplesion-Aktien. Dabei handelt es sich oft um Häuser in finanziellen Schwierigkeiten, die sich aus dem Zusammenschluss »Synergieeffekte« versprechen.

Einen großen Sprung machte Agaplesion im September 2012 durch die Fusion mit der proDiako gGmbH, die in Niedersachsen sieben Krankenhäuser betreibt. Ein nächster Wachstumsschub erfolgt 2020 mit der Integration der edia.con gGmbH mit Einrichtungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt. In der Folge wuchs der Konzernumsatz auf rund 1,5 Milliarden Euro (Stand 2020). Die Beschäftigtenzahl gibt Agaplesion mit über 20.000 Menschen an. Sie arbeiten an 23 Krankenausstandorten, 40 Wohn- und Pflegeheimen, 34 Medizinischen Versorgungszentren, 16 ambulanten Pflegediensten und vier Hospizen. Agaplesion betreibt 15 Ausbildungsstätten und eine Fortbildungsakademie.

 

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