Gegen Diskriminierung, für gleiche Rechte und gleiche Bezahlung – dafür werden trotz Corona-Pandemie auch in diesem Jahr am 8. März, dem Internationalen Frauentag, etliche Veranstaltungen und Aktionen stattfinden. An einigen sind auch die großen christlichen Kirchen oder ihre Wohlfahrtsverbände beteiligt. Doch sie sollten sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Schließlich haben Caritas und Diakonie gerade erst dafür gesorgt, dass der flächendeckende Tarifvertrag für die Altenpflege nicht umgesetzt wird. Die Leidtragenden dieser Entscheidung sind vor allem Frauen.
Angela Schwarz ist sauer. »Da entscheiden die Dienstgeber der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas, drei Viertel Männer, und der Arbeitsrechtlichen Kommission Diakonie, 90 Prozent Männer, darüber, dass die Niedriglöhne in der Altenpflege für abertausende Frauen erhalten bleiben«, sagt die AWO-Betriebsrätin aus Braunschweig. »Und das kurz vor dem Internationalen Frauentag – ein wirklich mieses Signal.« Frauen stellen 83 Prozent der 1,2 Millionen Beschäftigten in der Altenpflege. Die Niedriglöhne, mit denen sie vor allem bei kommerziellen Trägern abgespeist werden, führten »geradewegs in die Altersarmut«, kritisiert die Sozialpädagogin. Laut einer OECD-Studie beziehen Frauen über 65 in Deutschland eine um durchschnittlich 46 Prozent niedrigere Rente als Männer – so groß ist die Lücke in kaum einem anderen OECD-Land. Neben den niedrigeren Löhnen hat das auch mit der hohen Teilzeitquote zu tun. Bei Frauen in der Altenpflege liegt diese mit 62 Prozent deutlich höher als bei Männern mit 37 Prozent.
Neben der Caritas trägt auch die Diakonie Verantwortung dafür, dass die von ver.di ausgehandelten Mindestbedingungen nun nicht die untere Grenze bei der Bezahlung in der Altenpflege markieren sollen. Die Arbeitsrechtliche Kommission der Diakonie Deutschland hatte sich nach dem Votum der Caritas vor einer eigenen Positionierung gedrückt und dem Vorhaben damit ebenfalls die Unterstützung verweigert. »Wie die Sicherung von Niedriglöhnen in das christliche Weltbild dieser Herren passt, ist mir schleierhaft«, sagt Schwarz.
Auch Bianka Zickler-Peuschel ist empört über die Blockade durch die christlichen Wohlfahrtsverbände. »Wir haben lange für den flächendeckenden Tarifvertrag gestritten. Caritas und Diakonie wurden dabei intensiv eingebunden, dennoch haben sie die Allgemeinverbindlichkeit letztlich aus rein ideologischen Gründen verhindert«, meint die Beschäftigte einer stationären Pflegeeinrichtung. »Für mich ist die Konsequenz, dass wir uns nur auf uns selbst verlassen können. Wir in der Altenpflege müssen uns noch besser organisieren und uns mit ver.di stark machen, um unseren Interessen Geltung zu verschaffen – keiner tut das für uns.«
Beim Internationalen Frauentag dürfe es nicht nur um den Anteil von Frauen in Führungspositionen und ähnliche Fragen gehen, betont Zickler-Peuschel. »Gleichberechtigung ist auf allen Ebenen wichtig. Vor allem aber müssen wir die vielen Frauen im Blick haben, die nach einem harten Arbeitsleben von ihrer Rente nicht leben können«, so die Gewerkschafterin. »Wir streiten weiter dafür, dass die qualifizierte und anspruchsvolle Arbeit in der Altenpflege aufgewertet wird. Das ist auch eine Frage der Gleichberechtigung.«