Die Beschäftigten der AMEOS-Kliniken Aschersleben-Staßfurt, Bernburg, Schönebeck und Haldensleben haben eine klare Botschaft an ihren Arbeitgeber geschickt: 99,7 Prozent der ver.di-Mitglieder an allen vier Standorten haben sich für einen Erzwingungsstreik ausgesprochen. Sie wollen, dass der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zur Anwendung kommt. Damit die Benachteiligung gegenüber den Beschäftigten anderer Akutkliniken in Sachsen-Anhalt endlich ein Ende hat. Von diesem Ziel lassen sie sich auch durch die massiven Einschüchterungsversuche des Arbeitgebers nicht abbringen. Am 27. Januar sind sie den unbefristeten Streik getreten. Am selben Tag wurde bekannt, dass Regionalgeschäftsführer Lars Timm das Unternehmen verlassen hat. Die Kolleg*innen erwarten jetzt ein deutliches Signal, dass Ameos bereit ist, auf die Tarifforderungen einzugehen sowie Kündigungen und Kündigungsdrohungen zurückzunehmen.
Streiken ist ein Grundrecht
Obwohl die Beschäftigten lediglich ihr Grundrecht auf Streik und gewerkschaftliche Organisierung wahrnehmen, hat AMEOS fristlose Kündigungen gegen mindestens 14 Kolleginnen und Kollegen ausgesprochen, die sich an Warnstreiks beteiligten – mit absurden und teils widersprüchlichen Begründungen. Für den Fall eines Arbeitskampfs hatte Timm mit einem »Horrorszenario« gedroht: der Entlassung von 800 Beschäftigten. Das ist völlig haltlos. Wer Kliniken betreiben will, muss auch Geld für eine angemessene Bezahlung aufwenden und sich an die Spielregeln halten: Sozialpartnerschaft, Verhandlungen auf Augenhöhe, verlässliche Vereinbarungen. Stattdessen hat AMEOS bislang darauf gesetzt, die Arbeitsbedingungen nach Gutsherrenart zu diktieren. Schluss damit!
»Den vordemokratischen Praktiken von AMEOS muss ein Riegel vorgeschoben werden. Auch Unternehmen müssen sich an Gesetze halten und die Demokratie achten. Von Unternehmen im Gesundheitswesen, die sich über Sozialversicherungsbeiträge und Steuern finanzieren, darf man besonders erwarten, dass sie gesellschaftliche Spielregeln einhalten. Wer Beschäftigte an der Ausübung ihrer Grundrechte hindert, darf keine Verantwortung im Gesundheitswesen übertragen bekommen.«
Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand
AMEOS bedroht Menschen in ihrer beruflichen Existenz, die ihre grundlegenden Rechte wahrnehmen. Solche vordemokratischen Methoden haben auch und gerade im Gesundheitswesen nichts zu suchen. Die Beschäftigten in den Kliniken kümmern sich jeden Tag verantwortungsvoll und engagiert um ihre Patientinnen und Patienten. Es geht ihnen um Menschlichkeit. Einen anständigen Umgang verlangen sie auch von ihrem Arbeitgeber.
Tarifverhandlungen sind Sache der Gewerkschaft
Statt mit der Gewerkschaft einen Tarifvertrag will AMEOS eine »Regelungsabrede« mit den Betriebsräten schließen. Diese haben das zurückgewiesen – zu Recht. Denn der Abschluss von Tarifregelungen ist in Deutschland ausdrücklich Gewerkschaften vorbehalten. Das mit gutem Grund: Nur Gewerkschaften bleibt Streik als letztes Mittel, um ein gutes Ergebnis durchzusetzen. Bei AMEOS haben nach Angaben des Arbeitgebers 80 Prozent der Beschäftigten das sogenannte Zukunftspaket der Geschäftsführung nicht unterschrieben. Mit geringen Lohnerhöhungen und einem wackligen Kündigungsschutz wollte Timm die Beschäftigten in individuelle Vereinbarungen locken. Doch diese wissen: Eine verlässliche Vereinbarung auf Augenhöhe gibt es nur in Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft.
»Die Forderungen der AMEOS-Beschäftigten sind absolut berechtigt. Der Vorwurf, damit würden Arbeitsplätze vernichtet, ist völlig haltlos. Seit 2012 ist die jährliche Veränderungsrate, mit der die Krankenhäuser unter anderem steigende Personalkosten abdecken, um insgesamt gut 22 Prozent gestiegen. Ab 2020 werden Personalkosten in der Pflege zum überwiegenden Teil durch das neue Pflegepersonalstärkungsgesetz zu 100 Prozent refinanziert. Das zeigt, dass es AMEOS nur um eins geht: Tarifverträge zu verhindern. Wir erwarten, dass das Unternehmen diese ideologisch bedingte Blockadehaltung aufgibt und – wie alle anderen Akutkliniken in Sachsen-Anhalt – das Grundrecht seiner Beschäftigten respektiert, ihre Arbeitsbedingungen durch einen Tarifvertrag zu regeln und dafür aktiv einzutreten.«
Bernd Becker, Leiter des ver.di-Landesfachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
AMEOS kündigt nicht nur den Betriebsfrieden auf. Auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten wird zum Spielball von Taktiererei und wirtschaftlichen Interessen. Eine Krankenpflegerin in den Salzlandkreiskliniken verdient rund 500 Euro monatlich weniger als ihre vergleichbare Kollegin eines anderen Akutkrankenhauses der Region. Bei anderen Berufsgruppen sieht es ähnlich aus. Vor diesem Hintergrund wird es immer schwerer, die nötigen Stellen zu besetzen. Aktuell sind in der AMEOS Region Ost laut ihrer Internetseite 133 Stellen ausgeschrieben. Nur mit guten Arbeitsbedingungen und einer angemessenen Bezahlung kann das nötige Personal gewonnen und gehalten werden. Damit die Zukunft der Klinikstandorte langfristig gesichert wird.
ver.di fordert:
Es war nicht das erste Mal, dass der AMEOS-Manager Lars Timm durch brachiales Vorgehen gegen Beschäftigtenrechte aufgefallen ist. 2016 ging er in seiner damaligen Funktion am Klinikum Hildesheim gegen streikende Beschäftigte vor. Doch die Kolleg*innen ließen sich nicht einschüchtern. Am Ende musste Ameos die Kündigungen zurücknehmen. Mit einem zwölfwöchigen Streik setzten die Beschäftigten in Niedersachsen eine Bezahlung auf dem Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) durch. weiterlesen
Die Beschäftigten bei AMEOS nutzen ihre Grundrechte. Der Angriff auf sie ist ein Angriff auf die Arbeitsrechte aller Beschäftigten. Zeigt euch solidarisch!
ver.di und der europäische Gewerkschaftsverband EPSU haben in Zusammenarbeit mit der Internet-Plattform »labourstart« eine Kampagne für die Kolleg*innen bei AMEOS in Sachsen-Anhalt gestartet. Schreibt Protestmails an den Geschäftsführer der AMEOS Region Ost, Frank-Ulrich Wiener, und den Vorstandsvorsitzenden Axel Paeger: www.labourstart.org/go/ameos
Schickt Solidaritätsbotschaften an die AMEOS-Kolleg*innen, wir leiten sie weiter: gesundheit-soziales@verdi.de
Die AMEOS Gruppe mit Sitz in Zürich ist mehrheitlich im Besitz des Private-Equity-Fonds Carlyle, der rund 223 Milliarden Euro verwaltet und möglichst gewinnbringend investiert. In Deutschland betreibt AMEOS psychiatrische und somatische Krankenhäuser, Pflege- und Eingliederungseinrichtungen. Das Unternehmen fällt immer wieder durch rabiates Vorgehen gegen Beschäftigtenrechte auf. AMEOS will weiter expandieren: Aktuell bewirbt es sich um die Übernahme des Klinikums Burgenlandkreis. Vorbehalte dagegen sind angebracht. Denn skrupellose Managementmethoden und Profitmaximierung gehen letztlich auch auf Kosten der Versorgungsqualität.
»Na, dann hilft nur noch eine Enteignung.« Heiko Scharf (parteilos), für die FDP-Fraktion im Stadtrat von Bernburg
»Wo der öffentliche Versorgungsauftrag gefährdet ist, muss die Privatisierung rückabgewickelt werden.« Antrag zum SPD-Landesparteitag am 24./25. Januar in Aschersleben
»Die Linke hat die Privatisierung von Krankenhäusern immer für einen entscheidenden Fehler gehalten. Das demonstriert Ameos gerade in skandalöser Art und Weise.« Wulf Gallert (Die Linke), Vizepräsident des Landtages von Sachsen-Anhalt
»Gesundheitsvorsorge ist keine Ware. Sie gehört in die öffentliche Hand.« Susan Sziborra-Seidlitz, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
»Einem Unternehmen, das ungeniert und willkürlich gegen deutsches Arbeitsrecht und das Grundgesetz verstößt, sollte die Lizenz entzogen und [es sollte] enteignet werden. Die Gesundheitsvorsorge ist nicht dafür geeignet, kapitalistische Profitspiele zu betreiben.« Mario Hennig, Vorsitzender der Arbeits-gemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD Sachsen-Anhalt