Die Gewinne des Asklepios-Konzerns kennen nur eine Richtung: nach oben. Seit 2007 hat sich der Vorsteuergewinn (EBITDA) des Klinikbetreibers auf fast 400 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Woher kommt das Geld? Es stammt aus den Beiträgen der Sozialversicherten. Und wie schafft es Asklepios, hohe Profite zu generieren, während so manches kommunale Krankenhaus am Rande der Existenz steht? Durch permanenten Kostendruck, den die Konzernspitze auf die Einrichtungen und Belegschaften ausübt.
In vielen Häusern wehren sich die Kolleginnen und Kollegen jetzt. Die Beschäftigten der Asklepios Schildautalkliniken im niedersächsischen Seesen legen seit Wochen immer wieder die Arbeit nieder. Sie wollen endlich einen Tarifvertrag, damit nicht noch mehr Kolleginnen und Kollegen das Weite suchen. An der Orthopädischen Asklepios Klinik im bayerischen Lindenlohe haben sich in einer Urabstimmung fast 99 Prozent der ver.di-Mitglieder für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Auch ihr Ziel ist ein Tarifvertrag auf dem Niveau des Flächentarifvertrags TVöD.
Doch Asklepios drückt die Ausgaben nicht nur dadurch, dass der Konzern seinen Beschäftigten an etlichen Standorten den Schutz von Tarifverträgen vorenthält. Ein weiterer Teil seiner Strategie ist das systematische Zerteilen und Ausgliedern von Bereichen und Tätigkeiten. Auch hier geht es nur um eins: Kosten senken. Das Schema ist stets ähnlich: Bezahlung und Bedingungen der Altbeschäftigten bleiben zunächst erhalten. Allerdings werden die Löhne in der Regel eingefroren, so dass sie mit der Zeit real immer weniger wert sind. Zugleich werden neue Beschäftigte zu deutlich schlechteren Konditionen eingestellt. Die Folge: Innerhalb eines Betriebs arbeiten Kolleginnen und Kollegen Seite an Seite, die ganz unterschiedlich bezahlt werden. Das schafft Unfrieden und spaltet die Belegschaften. Die Ungleichbehandlung erschwert nicht nur die gemeinsame Gegenwehr. Auch das Betriebsklima leidet.
Das Asklepios-Management löst nach und nach immer weitere kleine Einheiten aus den Kliniken heraus. Es beginnt meist mit den sogenannten patientenfernen Bereichen – Reinigung, Wäscherei, Einkauf, dann folgen Küche, Logistik, IT, Buchhaltung. Schließlich werden auch der Krankentransport sowie therapeutische und andere Tätigkeiten direkt am Patienten bzw. an der Patientin ausgegliedert. Übrig bleiben kaum mehr als Ärzt*innen und qualifizierte Pflegekräfte.
Um weitere »Synergieeffekte« zu realisieren, fasst Asklepios die ausgegliederten Beschäftigten zumeist in großen konzerneigenen Tochtergesellschaften zusammen. Die Buchhaltung und die IT, aber auch das »Entlassmanage-ment« – früher Sozialdienst genannt – sind dann im »Cluster« für mehrere Standorte zuständig. So kann Personal eingespart werden. Für die Betroffenen erhöht sich naturgemäß der Arbeitsstress. Und es kommt zu Reibungsverlusten. Der bürokratische Aufwand steigt, wenn sich jeweils eigenständige Gesellschaften wie auf einem Markt gegenübertreten. Kurze Wege unter Kolleg*innen – das war einmal. Beschäftigte in Werkvertragsfirmen sind organisatorisch nicht in die Arbeitsabläufe des Einsatzbetriebes eingegliedert und dürfen von den Klinikangestellten laut Gesetz keine Arbeitsaufträge
entgegennehmen. Dass das in Gesundheitseinrichtungen – die nur durch gute Kooperation der Beschäftigten funktionieren – Probleme schafft, ist offensichtlich.
Sicher: Asklepios ist bei Weitem nicht der einzige Krankenhausbetreiber, der auf Outsourcing und Tarifflucht setzt. Doch das Unternehmen hat diese Strategie perfektioniert – auf Kosten der Beschäftigten und letztlich auch der Versorgungsqualität. Dadurch hat Asklepios eine extrem kleinteilige und zersplitterte Tariflandschaft im Konzern geschaffen. Während für die Hamburger Kliniken – den ehemaligen Landesbetrieb Krankenhäuser – der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gilt, sind auch in der Hansestadt etliche Tochterunternehmen ohne Tarifbindung. Bundesweit sind die Unterschiede ebenfalls enorm. In Gauting und Lindau gilt der ver.di-Tarifvertrag mit dem Verband der privaten Krankenanstalten in Bayern (VPKA). Andere Kliniken haben Haustarifverträge, eine sogenannte Arbeits- und Sozialordnung, eine »Regelungsabrede« oder eine Betriebsvereinbarung. Einige Asklepios-Einrichtungen haben Verträge mit der »Gewerkschaft« DHV geschlossen, deren Tariffähigkeit derzeit vor Gerichten überprüft wird. Kraut und Rüben also. Für die Beschäftigten bedeutet das, dass sie teilweise mehrere hundert Euro weniger bekommen als Kolleg*innen, die an anderen Standorten die gleichen Tätigkeiten ausüben.
Diese Strategie von Asklepios ist nicht zukunftsfähig. Sie ist allein auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet. In Zukunft wird es immer mehr darauf ankommen, genug qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. Das geht nur mit angemessener Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen. Mit seiner Billigstrategie gefährdet Asklepios die Standorte, die Sicherheit der Arbeitsplätze und eine gute Patientenversorgung.
Besonders bei Ausgliederungen braucht es eine starke Interessenvertretung, die die Betroffenen berät und rechtlich absichert. Im Zweifel können sich Gewerkschaftsmitglieder an den ver.di-Rechtsschutz wenden. Was sich Asklepios leisten kann, ist letztlich eine Machtfrage. Und die Durchsetzungsfähigkeit der Beschäftigten hängt in weiten Teilen davon ab, wie hoch der gewerkschaftlich Organisationsgrad ist.
Deshalb: Macht mit bei ver.di!
Ausgegliedert – ohne Tarifvertrag, ohne Betriebsrat, ohne Schutz
Als das Asklepios Klinikum Bad Abbach vor 15 Jahren vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) an Asklepios verkauft wurde, sahen viele den Hamburger Konzern als Retter. Denn das BRK hatte jahrelang kaum etwas in das Fachkrankenhaus für Orthopädie und Rheumatologie in der Nähe von Regensburg investiert. Auch die ersten Ausgliederungen wurden in dieser Zeit vorbereitet.
So richtig los ging es mit dem Outsourcing dann unter der Ägide von Asklepios – ein Prozess, der bis heute andauert. Zunächst wurden die Reinigung und andere Dienstleistungstätigkeiten abgespalten und in eine konzerneigene Hotellerie GmbH überführt. Im Zuge der Ausgliederung der Informationstechnologie suchten sich viele IT-Spezialist*innen eine andere Stelle. Im September 2016 folgte die Ausgliederung des Technischen Dienstes mit damals elf Beschäftigten. Für diejenigen, die im Zuge eines Betriebsübergangs in die Tochtergesellschaft wechselten, gelten die Tarifverträge seither statisch. Das heißt: Die Gehälter sind seit Jahren eingefroren. Der Sozialdienst für die vier Asklepios-Häuser der Region wurde in Bad Abbach konzentriert. Neue Beschäftigte sollen künftig in einer Asklepios Service Entlassmanagement GmbH eingestellt werden, die für das rasche Durchschleusen der Patientinnen und Patienten sorgen soll. Und der neueste Schritt war im Herbst 2019, dass den etwa zehn Kolleginnen der Finanzbuchhaltung neue Stellen in einer Asklepios Business Service GmbH »angeboten« wurden, in der es keine betriebliche Altersversorgung und zwei Urlaubstage weniger gibt.
Tochterunternehmen oft ohne Mitbestimmung
Für den Betriebsratsvorsitzenden in Bad Abbach, Wolfgang Naber, ist all das sehr problematisch – sowohl aus Sicht der Beschäftigten als auch der Klinik insgesamt. »Wenn früher eine Glühbirne kaputt war, hat man den Kollegen kurz Bescheid gegeben. Heute muss man eine offizielle Störmeldung schreiben – alles ist viel komplizierter geworden«, berichtet der Interessenvertreter. Das Unternehmen sei sich nicht zu schade, per Outsourcing ausgerechnet bei denjenigen zu sparen, die ohnehin wenig verdienen. Neben dem Verlust der Tarifbindung habe das für die Betroffenen weitere gravierende Folgen. »Wir haben immer versucht, in den ausgegliederten Bereichen neue Betriebsräte zu gründen, das hat aber nicht geklappt, weil die Einheiten zu klein sind und die Leute sich nicht trauen«, erklärt Naber. Die Folge ist, dass es in den meisten GmbHs keine Interessenvertretung gibt, die beispielsweise auf die Dienstplangestaltung Einfluss nehmen kann. »Zum Teil gibt es noch die alten Vorgesetzten, die sich vor ihre Leute stellen. Aber wenn die mal weg sind, hat der Einzelne keinen Schutz mehr.«
Tarifpolitischer Wirrwarr
Für die nicht-ärztlichen Beschäftigten der Asklepios Kliniken Hamburg, dem ehemaligen Landesbetrieb Krankenhäuser, gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – allerdings nur in den Kliniken selbst, nicht in den zahlreichen Tochtergesellschaften. In Zusammenhang mit einem Interessenausgleich wurde Asklepios 2016 zwar dazu verpflichtet, bei Outsourcing Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen. Das führte aber in etlichen Fällen nicht zum Abschluss von Tarifverträgen. Die Folge ist ein tarifpolitischer Wirrwarr sondergleichen. So wird zum Beispiel in der Asklepios Dienstleistungsgesellschaft mbH der Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Wäscherei der Tarifvertrag des Textilreinigungsgewerbes und in der Objektbetreuung der Tarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen einseitig angewendet. In anderen Gesellschaften spielen Tarifverträge überhaupt keine Rolle. Dort behalten die Altbeschäftigten zumeist ihre Ansprüche aus besseren Tagen, doch Lohnerhöhungen gibt es für sie nicht mehr. Zumindest aber ist es der betrieblichen Interessenvertretung gelungen, in allen Asklepios-Betrieben der Hansestadt Betriebsräte zu gründen.
»Bei Asklepios in Hamburg sind praktisch alle Servicebereiche in konzerneigene Töchter ausgegliedert«, bilanziert die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke.
Eingesetzt habe diese Entwicklung bereits unter öffentlicher Trägerschaft, mit Asklepios sei es Schritt für Schritt weitergegangen. Mit seiner Salamitaktik hat der Konzern dafür gesorgt, dass es keinen größeren Widerstand gab. Meist waren die betroffenen Bereiche zu klein, um sich effektiv zur Wehr zu setzen. Das Ergebnis ist eine extreme Zersplitterung. »Abgesehen von den materiellen Einbußen: Oft fühlen sich die Kollegen in den ausgegliederten Gesellschaften nicht mehr dazugehörig«, berichtet der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende, Thomas Haul. »Das beeinträchtigt sehr, schließlich sind für funktionierende Krankenhäuser alle Beschäftigtengruppen wichtig.«
Zergliederung schadet der Qualität
Der Betriebsratsvorsitzende der Asklepios IT-GmbH in Hamburg, Heiner Czapla, bedauert, dass die Nähe zu den Kolleg*innen in den Kliniken durch die Zentralisierung und Ausgliederung seines Bereichs verlorengegangen ist. Die ITler hätten nach einem Ticketsystem nur noch konkrete Aufträge abzuarbeiten. »Wenn die Leute sonstige Unterstützung brauchen oder Fragen haben, können wir ihnen eigentlich nicht helfen, weil das im veranschlagten Zeitbudget nicht vorgesehen ist; die müssen dann ein neues Ticket lösen«, erklärt der Informatiker. Besonders an den Schnittstellen zu externen Firmen, die sich zum Beispiel um die Hardware kümmern, gebe es immer wieder Probleme. Denn in allen Unternehmen seien die Beschäftigten angewiesen, nichts über die vertraglich festgeschriebenen Leistungen hinaus zu tun. »Das ist alles viel zu formell geworden«, findet Czapla, der schon seit 20 Jahren im Unternehmen ist. »Und das schadet immer wieder auch der Qualität.«
Das Unternehmen nimmt das offensichtlich in Kauf – um Geld zu sparen. Die Löhne der Altbeschäftigten sind eingefroren, Neueingestellte bekommen im Durchschnitt rund 400 Euro weniger im Monat. »Das ist eine Menge Geld und führt dazu, dass gute Leute mit Berufserfahrung lieber woanders anfangen«, berichtet Czapla. Hinzu kommen weitere Benachteiligungen: Für die neuen Kolleg*innen gilt zum Beispiel der Tarifvertrag zum Rationalisierungsschutz nicht, der den Beschäftigten gerade im Zusammenhang mit technischen Neuerungen eine gewisse Sicherheit verschafft. Auch die tariflich verlängerte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kommt bei Neueingestellten nicht zur Anwendung. Die schlechteren Bedingungen sieht Czapla als einen Grund dafür, dass es in der IT an erfahrenen Expert*innen fehlt. »Wir müssen zu viele Aufgaben gleichzeitig mit zu wenigen Leuten bewältigen. Daher laufen wir ständig hinterher, die Bearbeitungszeiten verlängern sich, das ist auch für das Unternehmen insgesamt nicht gut«, meint der Betriebsrat. »Statt nur auf die kurzfristige Senkung der Personalkosten zu schauen, müsste das Management die langfristige Entwicklung in den Blick nehmen.«
Outsourcing als Einschüchterungsversuch
Auch im niedersächsischen Seesen wurden bereits etliche Bereiche ausgegliedert – von der Technik über die IT bis hin zur Küche und dem Medizinischen Versorgungszentrum. »Es ist seit Jahren auch gegenüber dem Konzernbetriebsrat offen artikulierte Strategie, alles auszugliedern, was nicht primär der Patientenversorgung dient«, erklärt der Seesener Betriebsratsvorsitzende Oliver Kmiec. Dennoch ist er davon überzeugt, dass es bei der jüngsten, für die Schildautalkliniken verkündeten Maßnahme – der Ausgliederung sämtlicher Therapiebereiche – um etwas anderes geht: nämlich um Einschüchterung. Seit vielen Wochen demonstrieren und streiken die Beschäftigten für einen Tarifvertrag – und letztlich für die Zukunft des renommierten Klinikstandorts. Denn diese steht auf dem Spiel, wenn immer mehr Beschäftigte in tarifgebundene Häuser der Region wechseln oder gleich dort anfangen, weil sie in Seesen hunderte Euro monatlich weniger verdienen würden.
»Jetzt erst recht – wir lassen uns nicht spalten.«
»Die Therapeuten sind im Streik sehr präsent«, berichtet Kmiec, der darin den eigentlichen Grund dafür sieht, dass sie zur »Zielscheibe dieses Einschüchterungsversuchs« geworden sind. Denn einen anderen Sinn kann der Belegschaftsvertreter in der Maßnahme nicht erkennen. Dass in der Tochtergesellschaft neu eingestellte Therapeut*innen nicht nur in Seesen, sondern auch an anderen Asklepios-Standorten der Region eingesetzt werden könnten, sei die bislang einzige Begründung des Managements. »Dem stehen etliche nicht nur fachliche, sondern auch wirtschaftliche Argumente gegen die Ausgliederung entgegen«, betont Kmiec. Erfahrungen aus dem Asklepios-Konzern selbst zeigten, wie schädlich die Abtrennung der therapeutischen von der pflegerischen und ärztlichen Versorgung sei. So hätten beispielsweise Kolleg*innen des seit 2011 zum Konzern gehörenden Mediclin Klinikums Soltau – wo die Therapiebereiche ausgegliedert wurden – berichtet, dass die Versorgung gelitten und der Schritt wirtschaftlich keinen Sinn gemacht habe. »Wir befürchten, dass auch bei uns die Qualität schlechter wird, wenn Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten nicht mehr so exzellent zusammenarbeiten können, wie sie das bislang tun.«
Rund 120 Therapeutinnen und Therapeuten wären in den Schildautalkliniken von der Ausgliederung betroffen. Doch diese reagieren keineswegs eingeschüchtert, wie das Management womöglich gehofft hat. »Sowohl die Therapeuten als auch die anderen sagen: Jetzt erst recht – wir lassen uns nicht spalten«, berichtet Kmiec. »Mit so etwas wird uns Asklepios nicht davon abhalten, für unsere grundlegenden Rechte einzutreten.«
Krankenhäuser
in Mutterschutz/Elternzeit