Beim Warnstreik am Dienstag (8. Dezember 2020) an der Marburger Uniklinik wurde reichlich Applaus gespendet – ausnahmsweise aber nicht für die Krankenhausbeschäftigten, sondern von ihnen. Der Beifall galt dem Arbeitgeber, der sich über die Ironie der Aktion allerdings nicht hinwegtäuschen sollte. Denn Dankbarkeit gegenüber ihrer Geschäftsleitung hegen die Beschäftigten des bundesweit einzigen privatisierten Universitätsklinikums in Gießen und Marburg (UKGM) derzeit nicht. Im Gegenteil: Sie sind stinksauer, weil sich bei den Verhandlungen über eine Angleichung der Eingruppierung an das Niveau des öffentlichen Dienstes seit Monaten nichts bewegt. Deshalb legten mehrere hundert Beschäftigte am Standort Marburg diese Woche für zwei Tage die Arbeit nieder. Zuvor hatten bereits ihre Kolleg*innen in Gießen am 1. und 2. Dezember gestreikt.
»Dass die Klinikleitung ihre Beschäftigten mitten in der Pandemie in den Streik treibt, ist ein Unding«, kritisiert der ver.di-Sekretär Fabian Dzewas-Rehm. »Viel lieber würden sich die Kolleginnen und Kollegen voll darauf konzentrieren, in dieser Situation eine gute Versorgung zu gewährleisten.« Doch das Vorgehen des Arbeitgebers, der den Beschäftigten nicht nur eine angemessene Eingruppierung, sondern auch eine Corona-Prämie verweigert, lasse ihnen keine andere Wahl. »Selbstverständlich stellen wir die Versorgung von Covid-19-Patienten und anderer Notfälle durch eine entsprechende Notdienstvereinbarung sicher«, betont der Gewerkschafter. Deshalb seien einige Bereiche vom Streikaufruf ausgenommen worden. Die Klinikleitung solle diese Rücksichtnahme allerdings nicht als Schwäche missverstehen.
Trotz der Einschränkungen machten die Streikenden Corona-konform und kreativ auf ihre Anliegen aufmerksam. So übergab der Weihnachtsmann der Geschäftsführung in Marburg am Dienstag Wunschzettel der Beschäftigten. Diese reichten von einer besseren Eingruppierung über ein kostenloses Jobticket – wie es für Hessens Landesbeschäftigte bereits existiert – bis hin zu ordentlicher und sauberer Dienstkleidung. »Die Kolleginnen und Kollegen haben ihre Wünsche und Erwartungen an den Arbeitgeber klar geäußert. Ihnen ist aber voll bewusst, dass Verbesserungen nicht der Weihnachtsmann bringt, sondern dass sie erkämpft werden müssen«, betonte Dzewas-Rehm.
Dass die UKGM-Beschäftigten dabei auch die hessische Landesregierung in die Pflicht nehmen, machen sie am Mittwoch mit einer Menschenkette zwischen den Marburger Parteibüros der Regierungsparteien CDU und Grüne deutlich. »Wir fordern, dass das Land kein Geld ans UKGM gibt, ohne im Gegenzug Garantien für die Beschäftigten zu verlangen«, erklärt der ver.di-Sekretär. »Die Landesregierung muss hier ihrer sozialen Verantwortung für die Beschäftigten und für eine gute Patientenversorgung gerecht werden.« Bei den Verhandlungen zwischen dem Land und dem neuen UKGM-Eigentümer Asklepios geht es unter anderem um die finanzielle Trennlinie zwischen der Gesundheitsversorgung, für die die Krankenkassen Geld ans UKGM überweisen, und dem Bereich Forschung und Lehre, der aus Landesmitteln finanziert wird. Zudem fordert der Klinikbetreiber, dass das Land Investitionskosten bezahlt. Im Zuge der 2006 beschlossenen Privatisierung der Universitätsklinik hatte die mittlerweile von Asklepios geschluckte Rhön AG auf die Finanzierung von Investitionskosten durch das Land eigentlich verzichtet. »Wenn nun dennoch Gelder fließen, müssen diese an soziale Bedingungen geknüpft werden«, forderte Dzewas-Rehm.
Auch ohne diese Unterstützung könne sich der Asklepios-Konzern aber durchaus leisten, seine Beschäftigten angemessen zu bezahlen. »Das UKGM hat in diesem Jahr viele Millionen Euro zusätzlicher Zahlungen des Bundes erhalten und dadurch Rekordgewinne erzielt. Doch offensichtlich ist dem Management die Gewinnmaximierung wichtiger als eine auch finanzielle Wertschätzung der Leistungen der Beschäftigten, auf deren Arbeit all das beruht.«
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